No:139

  • Cover: Esther Janssen
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EDITORIAL

WOHNEN IN ZEITEN DES VIRUS
Ursprünglich war geplant, in der vorliegenden Ausgabe von STRAPAZIN eine Reihe von Comics zum Thema Wohnen zu veröffentlichen, doch dann schlug das Corona-Virus zu und setzte neue Schwerpunkte; geplante Beiträge fielen aus Gründen des Social Distancings weg, dafür tauchten neue Geschichten auf, in denen es zwar teilweise auch ums Wohnen geht, jetzt aber um die imperative Variation des «Stay Home!».
Kein Problem für unsere Zeichner*innen: Silvain Monney, der auch schon in der «Züri brännt!»-Ausgabe vertreten war, hatte vorgeschlagen, eine Arbeit über die Wohnsituation von Mönchen in einem freiburgischen Kloster zu zeichnen bzw. schreiben. Daraus wurde eine nicht weniger interessante Reportage über sein eigenes und das Alltagsleben seiner Freund*innen während des Lockdowns. Und auch Celine Künzle, eine äusserst vielversprechende Nachwuchskünstlerin, überraschte mit einer ebenso gut recherchierten wie umgesetzten Reportage über den Umgang mit der für uns alle ungewohnten Situation.
Die Argentinierin Nacha Vollenweider kennen unsere Leser*innen bereits aus der vorhergehenden Ausgabe von Strapazin. Ihr geplanter Aufenthalt in der Schweiz dauerte nicht annähernd die geplanten drei Monate, was sie nicht daran hinderte, einen eindrücklichen und ausführlichen Comic zu verfassen, in dem sie die Zeit der Ungewissheit und Unsicherheit beschreibt, als Covid-19 langsam, aber unaufhaltsam zu einer globalen Angelegenheit wurde.
Auf den Beitrag von Augusto Paim und Alexandra Rügler bin ich schon vor längerer Zeit gestossen, er beschreibt ein Haus in Berlin, an dem ich schon ein paar Mal vorbeigegangen war und mich immer fragte, welche Geschichte sich wohl hinter der überwucherten Fassade verbirgt. Danke für die Aufklärung!
Letzten November waren der Zeichner Eugen Fleckenstein und ich an das MBOA Comicfestival in Kamerun eingeladen, wo wir einige sehr interessante junge Comic-zeichner*innen kennenlernten, darunter auch Paul Yvan, dessen Story noch knapp vor der Pandemie entstanden ist und das auch hierzulande wohlbekannte Problem der Suche nach bezahlbarem Wohnraum behandelt
Nordkorea ist vielleicht nicht unbedingt die verlockendste Urlaubsdestination, aber als mir Sandro Hagen von seiner Reise in das verschlossene Land erzählte, drängte ich ihn, für STRAPAZIN einen Bericht darüber zu verfassen. Dass das eine eher schräge Story werden würde, war mir klar, aber dass darin auch noch Gérard Depardieu auftritt, hätte ich mir nicht träumen lassen!
Ich weiss nicht mehr, wo ich zum ersten Mal auf Esther Janssens Bilder gestossen bin, vielleicht war es auf hyperallergic.com, einer Website, die immer wieder für eine Überraschung gut ist. Zwar sind ihre genähten Kunstleder-Bilder keine Comics, doch betrachtet man ihre sehr eigenartigen Werke etwas länger, evozieren sie apokalyptische Geschichten, finde ich.
Covid-19 kam, wie man annimmt, aus der chinesischen Grossstadt Wuhan, der Heimat des Zeichners Huang You, der schon in den ersten Tagen des Lockdowns seine Eindrücke zu Papier brachte. Seinen wirklichen Namen möchte er nicht nennen, da er behördliche Repressionen befürchtet.
Das internationale slowenische Comic-Magazin Stripburger gibt es seit 1992 und bringt in jeder Ausgabe exquisite Beiträge von Zeichner*innen aus aller Welt. Als ich darin auf einen Comic von Stipan Tadic stiess, wollte ich von ihm unbedingt etwas zum Thema Wohnen, was er mit Bravour und Humor ausgeführt hat.
Der tunesische Zeichner Othman Selmi schrieb mir auf meine Anfrage, dass er schon seit 13 Jahren auf eine Mail von Strapazin warte, nämlich seit er an einem Comic-Festival in Marokko den in der Zwischenzeit leider verstorbenen langjährigen Strapazin-Zeichner Christophe Badoux getroffen und sich mit ihm angefreundet hatte. Deshalb freut es mich ganz besonders, Othman in dieser Ausgabe unseren Leser*innen vorstellen zu dürfen.

Ich wünsche viel Vergnügen mit den Comics in dieser Ausgabe von Strapazin!
Christoph Schuler

 

DAS GESCHRIEBENE WORT

Träume von Räumen

Ich habe diesen Beitrag in der ersten Hälfte des Monats April geschrieben, also in den Zeiten des Corona-Lockdowns oder wie immer man diesen aussergewöhnlichen gesellschaftlichen Stillstand nennen will. Möglicherweise dauert die Situation bei Erscheinen von dieser Ausgabe von Strapazin immer noch an. Das wäre einerseits gar nicht so übel, weil die Reduktion menschlicher Tätigkeit der uns umgebenden Natur ziemlich guttut. Allerdings sind staatliche Zwangsmassnahmen und Militäreinsätze ohne jegliche demokratische Legitimation nicht unbedingt das, was man einfach so hinnehmen kann. Das nur ganz kurz zur Einleitung, denn schliesslich heisst es seit über vier Wochen schon: Bleib in deinen vier Wänden. Stay at home. Jetzt wohnt mal schön. Kein Problem an und für sich, Bundesrätin und Chefbeamter werden das wohl in ihren Villen tun. Zwei Zimmer im 12. Stock hingegen sind eventuell die Hölle.
Aber das Wohnen muss zur neuen Qualität werden. Home office. Home schooling. Home sweet home. Homegrown. Homemade. Psychosen eingeschlossen. Wohnen war ja in den letzten Jahren je länger, je mehr eine politische Frage. Wohnen ist wichtig. Und ein Recht. Wohnig ist Honig.

Literarisch wohl am ausgiebigsten mit dem Wohnen beschäftigt hat sich der französische Schriftsteller Georges Perec (1936-1982). Schon seit jeher ein Geheimtipp, ist er immer wieder im deutschsprachigen Raum entdeckt und publiziert worden, zuletzt im Zürcher Verlag Diaphanes.
Perec gehörte zur Gruppe OuLiPo, Ouvroir de Littérature Potentielle, einer Gruppe von Autoren wie Raymond Queneau, Jacques Roubaud oder Italo Calvino. Diese Herren pflegten eine Literatur der formalen Zwänge und Regeln, mit mehr oder weniger willkürlichen Vorschriften beim Schrei-ben, die ein spannendes Spiel mit den Texten erlaubte. Perec selbst hat zum Beispiel einen Roman ganz ohne den Vokal «e» geschrieben: La disparition, der 1969 erschien.
Drei Jahre später hat er einen Kurzroman mit «e »als einzigem Vokal verfasst: Les revenentes. Wobei er da ein bisschen schummelt, das «j» nimmt ab und zu die Rolle es «i» an und das «y» wirkt auch als Vokal.
Mit anderen Texten ist Perec aber weit über diese engen formalen Regeln hinausgegangen und hat beispielsweise einen wundersamen Roman über das Wohnen geschrieben. Der Originaltitel lautet La vie mode d’emploi (1978) und ist vier Jahre später auf Deutsch als Das Leben. Eine Gebrauchsanweisung erschienen. Übersetzt von Eugen Helmlé, dem grossartigen OuLiPo-Übersetzer, der selbst zwei Romane ohne «r» und ohne «e» geschrieben hat.

Das Leben spielt in einem labyrinthischen Pariser Mietshaus Mitte der 1970er-Jahre. Das Haus, an einer fiktiven Strasse im 17. Pariser Arrondissement gelegen, ist ganz eindeutig die Hauptfigur des fast 800 Seiten starken Romans. Eine Menge merkwürdiger Existenzen wohnt darin, deren Schicksale immer mal wieder ein Thema sind. Da ist ein skurriler Maler namens Bartlebooth, der in der Welt herumreist und sogenannte Seestücke malt, also Ansichten des Meers auf verschiedenen Kontinenten. Diese Bilder, stets Aquarelle, schickt er einem Handwerker, der auch im Pariser Haus wohnt und dann Puzzles aus den Aquarellen macht. Diese werden von Bartlebooth gelegt und danach in einer aufwendigen Technik wieder zu unzerschnittenen Bildern gemacht. Sie werden entfärbt und an dem Ort, an dem sie gemalt wurden, vernichtet. Aber das ist nur ein kleiner Teil der ziemlich versponnenen Geschichten von Perec. Das Puzzle hingegen ist ganz bewusst ein Leitmotiv, denn der ganze Roman wird in vielen kleinen Teilen erzählt.
Dabei geht es um ausgefuchste Verbrechen, herzzerreissende Liebesgeschichten, bizarre Forschungsreisen, tragische Lebensläufe und Schicksale, magische Schatzsuchen, abwegige Kunst, Artefakte, Möbel und anderes mehr. Abenteuer, in welche die Bewohner und Bewohnerinnen des Pariser Mietshauses verwickelt sind und die von der mehr als übersprudelnden Fantasie des Autors zeugen. Ein Roman, in dem tausend andere Romane im Sessel sitzen und auf ihren Einsatz warten.

Sozusagen theoretisch und thematisch vorgespurt hat Perec dieses umfangreiche Werk in seinem ungleich schmaleren Buch Espèces d’espaces (Träume von Räumen), erschienen 1974. Darin erzählt er, wie der leere zum bewohnten Raum wird. Er fängt dabei mit dem Bett an. Vom Bett als Insel kommt er zum Schlafzimmer, zur Wohnung, bis hin zum «überflüssigen Raum», den es eigentlich nicht gibt, und denkt weiter an alle möglichen Formen des Wohnens.
«Warum sollte man der Zersplitterung nicht das Wort reden? Warum sollte man, statt an einem einzigen Ort zu leben und sich dabei vergeblich zu sammeln versuchen, nicht fünf oder sechs in Paris verstreute Zimmer haben? Ich würde in Denfert schlafen, ich würde an der Place Voltaire schreiben, ich würde an der Place Clichy Musik hören, ich würde an der Poterne des Peupliers Liebe machen, ich würde in der Rue de la Tombe-Issoire essen, ich würde in der Nähe des Parc Monceau lesen usw.»

Der Österreicher Karl-Markus Gauss hat schon viele Bücher geschrieben über seine Reisen in die vergessenen Landschaften des alten Mitteleuropas, in das ehemalige Herrschaftsgebiet der
k.-u.-k.-Monarchie. In seinem neuen Buch Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer erzählt er, wie der Titel schon sagt, von einer sehr kleinen Reise, nämlich der durch seine Wohnung in Salzburg. Dabei wird die Welt aber nicht vor der Tür gelassen, im Gegenteil, Gauss erzählt von Gegenständen, die in der Wohnung seit langem ihren Platz haben, Möbel, Bücher, Andenken, hinter denen denk- und merkwürdige Geschichten stecken. Das eigene Leben und die Erinnerungen daran wohnen ja immer mit uns zusammen. So hat man stets die Welt in den eigenen vier Wänden.
Ganz nebenbei erwähnt: Gauss’ erstes Buch, ein sehr schön zu lesendes und wirklich empathisches Essay über den expressionistischen Dichter Albert Ehrenstein, erschien seinerzeit in der Edition Moderne.
Gauss sagte später dazu: «Als Ehrensteins 100. Geburtstag im Jahr 1986 nahte, schickte ich das Manuskript an alle möglichen Verlage. Es erschien in einem kleinen Zürcher Verlag, der von meinem ersten Buch 272 Exemplare verkaufte, nach diesem Erfolg sein literarisches Programm einstellte und nur mehr Comics veröffentlichte.»

Zudem weist Gauss in seinem Buch auch auf zwei literarische Grundlagenwerke des Wohnens hin:
1795 erschien das Buch Voyage autour de ma chambre von einem gewissen Xavier de Maistre, der aufwendig die Möbel seines Zimmers beschreibt und ebenfalls ein Loblied auf das Bett singt: «In diesem köstlichen Möbel vergassen wir während einer Hälfte des Lebens die Kümmernisse der anderen.»
De Maistre floh als Adliger vor der Französischen Revolution und wurde wegen eines illegalen Duells in Turin ins Gefängnis geworfen. Dort schrieb er offensichtlich innert sechs Wochen seine Reise durch seine Wohnung und begründete damit ein eher schmales Literaturgenre.

Ein grundlegender Text der Frauenemanzipation hat auch etwas mit der Wohnsituation zu tun: Virginia Woolfs A Room of One’s Own, erschienen 1929. Darin erhebt Woolf unter anderem die Forderung, jede Frau müsste 500 Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer bekommen, um dort Literatur produzieren zu können. Ausserdem erzählt sie von Judith, einer fiktiven Schwester von William Shakespeare, die genauso genial war, aber nie berühmt wurde, weil sie eben keinen Platz hatte, um schreiben zu können, kein Zimmer für sich.

Ein Schweizer Roman über das Wohnen ist Max Küngs Wenn du dein Haus verlässt, dann beginnt das Unglück. Es geht um ein Wohnhaus in Zürich, Lienhardstrasse 7, in dem alle sieben Bewohner den Brief des Besitzers im Briefkasten haben, dass die Hütte renoviert und ihnen deswegen gekündigt werde. Da gibt es eine 38Jährige, die ihre Jugend nachholt und in einem angesagten Club auf ihre 14jährige Tochter trifft. Ein cooles Journalistenpaar, das alles andere als cool ist. Vischer aus dem Erdgeschoss, der im Radrennfahrerdress und in Adiletten herumschlurft. In Küngs Roman ist alles drin, was unsere Zeit (bis Corona?) ausmacht: Hedonismus, Überschätzung, Selbstmitleid, fehlende Solidarität, geistige und körperliche Leere. Und erst das Elend treibt uns zusammen, die Krise lässt uns über uns hinausdenken.
Küngs Roman ist immer noch hochaktuell und man bekommt beim Lesen das schöne Gefühl, dass man keine Sympathien verschwenden und eigentlich auch keine der handelnden Figuren mögen muss. Wahrscheinlich kann man den Roman auch in 100 Jahren noch als Zeitzeugnis brauchen.

Wolfgang Bortlik

BACKLIST

Georges Perec:
«Das Leben. Gebrauchsanleitung».
Diaphanes Verlag, Zürich 2017, CHF 36.–

Georges Perec:
«Träume von Räumen».
Diaphanes Verlag, Zürich 2013. CHF 19.–

Karl-Markus Gauss:
«Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer».
Zsolnay Verlag, Wien 2019, CHF 30.–

Virginia Woolf:
«Ein Zimmer für sich allein».
Kampa Verlag, Zürich 2019. CHF 32.50

Max Küng:
«Wenn du dein Haus verlässt,
beginnt das Unglück».
Kein & Aber Taschenbuch, Zürich 2018. CHF 18.–

Xavier de Maistre:
«Die Reise um mein Zimmer»
ist nur noch antiquarisch zu haben.
 

 
 

PFLICHT LEKTüRE

Chris Ware: «Rusty Brown»

Ein Tag in Omaha, Nebraska

Ein verschneiter Wochentag im Jahr 1975 in Omaha, Nebraska, ist Ausgangs- und Mittelpunkt von Chris Wares neuer Graphic Novel Rusty Brown. Die Titelfigur ist ein achtjähriger Junge, der überzeugt ist, ein übernatürlich scharfes, also superheldenmässiges Gehör zu haben – und doch ist er, wie so viele Charaktere Chris Wares, von erschütternd mittelmässiger Gewöhnlichkeit, ein unattraktiver Nerd, der im geografischen und kulturellen Nirgendwo und in einer stereotypen Fantasiewelt aus buntem Plastik aufwächst und diese nie verlassen wird.
Als Chris Ware die Arbeit an Rusty Brown begann, war noch Bill Clinton Präsident der USA. Knapp zwanzig Jahre arbeitete er an diesem Buch, das aus vier langen Novellen über vier Menschen besteht: Rusty Brown, seinen Vater, ein Schullehrer mit traurigem Schnauz, der seine Lebensträume begräbt; den widerwärtigen Redneck Jason Lint und schliesslich Joanna Cole, eine schwarze Kollegin von Rustys Vater, die auf ihrem Selbstfindungstrip eigentlich nur Liebe sucht.
Wie Chris Ware diese Persönlichkeiten zeichnet, wie er ihre Tiefen und Untiefen auslotet und ihr Selbstbild und ihre Erbärmlichkeit seziert, ist von einer messerscharfen Genauigkeit und geradezu schmerzhafter Eindringlichkeit. Wie schon in Jimmy Corrigan sind auch diese Protagonisten nicht sonderlich sympathisch, doch Wares Auseinandersetzung mit ihnen verwandelt ihre Durchschnittlichkeit und ihren banalen Alltag, ihre innere Leere und ihre tristen Träume in packende psychologische und gesellschaftliche Abenteuer voller existentieller Abgründe, die unsere Empathie wecken. Wie er dabei, sozusagen nebenbei auch gleich ein Panorama ländlich-konservativer, US-amerikanischer Lebensgefühle und Haltungen malt, ist meisterhaft.
Erzählerisch zieht Ware alle Register seines Könnens – und beruft sich dabei auf modernistische Autoren des frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere auf James Joyce; darauf verweist nicht nur der Fokus auf einen einzigen Tag (wobei Ware nicht mit Ausflügen in Vergangenheit und Zukunft geizt), sondern die vertrackte, viele Erzähl- und Bewusstseins-ebenen verknüpfende Narration und nicht zuletzt das Kapitel über Jason Lint, dessen verkorkstes Leben Ware aus einer konsequent subjektiven Perspektive erzählt, in der Art eines Bewusstseinsstroms, von den diffusen Farbflecken, die der neugeborene Jason als Erstes sieht, bis zur Auflösung seiner Wahrnehmung kurz vor dem Tod.
Und grafisch? Nun, Chris Ware ist ein genialer Zeichner und Gestalter, in dessen klarem und sauberem Strich sich die Virtuosität mit Intelligenz paart und über dessen Einfälle, Panels und Seiten man immer wieder staunt – um sich dann bewusst zu werden, dass das Bild nie Selbstzweck ist, sondern eins mit Erzählung und Inhalt. Genau das verleiht Wares Comics diese atemberaubende Tiefe.
Rusty Brown ist ein forderndes, nicht gerade optimistisches, aber schonungsloses Buch, etwas anderes würde man von Chris Ware nicht erwarten. Es ist, wie auch schon Jimmy Corrigan, eine überaus anregende und bereichernde, eine einmalige Graphic Novel. Ein Meisterwerk. Ausrufezeichen.
Christian Gasser

Chris Ware: «Rusty Brown»,
Pantheon, 356 S. Hardcover, farbig, USD 35

Yoshiharu Tsuge: «Rote Blüten»

Undergound-Pionier

Yoshiharu Tsuges Manga gehören auch heute noch zu den verstörendsten Erzählungen der Comic-Geschichte. Obwohl seine Manga bereits in den 60er-Jahren entstanden sind, spürt man die Kraft, die Tsuge angetrieben hat, ein für die damalige Zeit neues Comic-Genre zu schaffen und vielleicht sogar den Underground-Comic des Westens vorwegzunehmen. Für japanische Verhältnisse war Tsuge sicherlich der Wegbereiter einer neuen Erzählform des Comics, nämlich der Ich-Form, die in der damaligen Tezuka-Manga-Periode so vorkam. Und so bilden Tsuges Manga auch stets sein persönliches Innenleben ab, mit all seinen Neurosen, Phobien und Depressionen, unter denen er all die Jahre litt, und die ihn immer wieder zu längeren Arbeitsunterbrechungen zwangen. Mit dem Underground-Manga-Magazin Garo hatte Tsuge glücklicherweise eine Möglichkeit gefunden, mit dem Medium Comic zu experimentieren, in Erzähl- und Zeichenform. Seine anfänglich noch an Tezuka angelehnten Figuren verlieren über die Jahre ihre runden Formen und grossen Augen und werden in ihrer Gestaltung realistischer bzw. surrealistisch. Wie in seiner bildstärksten und wohl am meisten beachteten Kurzgeschichte mit dem Titel Verschraubt, die nicht nur in Japan in der Comic- und Literaturszene diskutiert wurde und auch aktuell noch für ausreichend Interpretationsstoff sorgt. Die Inspiration zu dieser Geschichte soll ihm tatsächlich in Form eines Traumes gekommen sein. Traumwandlerisch torkelt der Protagonist durch eine Welt, in der er weder Hilfe erhält noch sich in irgendeiner Form heimisch fühlen kann. Nachkriegstrauma und Entwurzelung spielen ebenso eine zentrale Rolle wie das Gefühl, Teil einer Welt zu sein, in der niemand einen versteht. In dem Sammelband Rote Blüten ist nun zum ersten Mal auf Deutsch ein Grossteil von Tsuges Comics erschienen, von einem, den man tatsächlich als einen Meister und wichtigen Wegbereiter des Underground-Comics bezeichnen kann.
Matthias Schneider

Yoshiharu Tsuge: «Rote Blüten».
Reprodukt Verlag, 400 S., Softcover, s/w,
EUR 24 /CHF 27.90

Sebastian Utzni: «M-Maybe»

Was wäre, wenn…

Als am 11. September 2001 das World Trade Center in New York kollabierte, waren keine Superhelden zur Stelle, um die über 3000 Opfer zu retten. Anders verhält es sich in den zahlreichen Comic-Geschichten, welche dieses schicksalhafte Ereignis vorwegnehmen. Der Künstler Sebastian Utzni stiess vor Jahren auf einen Comic, der schon vor 2001 erschienen ist und so ein Attentat thematisiert. Fasziniert von diesem Umstand, machte sich der in Zürich lebende deutsche Künstler auf die Suche nach mehr solchen Geschichten. Er informierte sich bei Secondhand-Comic-Händlern in den USA, auf Foren und Websites. Entdeckte er einen Comic zum Thema, erhielt er oft gleich Tipps für weitere. Die Spur ging von New York nach Texas, Kanada und weiter. Nach dieser detektivischen Recherche sammelte er innerhalb von neun Monaten 18 Comics aus den Jahren 1973 bis 2001. Von Superman, Batman und Wonder Woman über Spiderman, X-Men und die Fantastic Four bis zu Donald Duck oder Clever & Smart. Auch weniger bekannte Serien wie Damage Control oder Rebel behandelten das Thema. Das Sujet, das man auf jeder Seite von Utznis Comic sieht, kommt einem erschreckend bekannt vor: Die Twin Towers, brennend, in Schutt und Asche liegend, beschossen oder von Flugzeugen getroffen, ruinenhaft in der Landschaft stehend. Um sie herum tummeln sich (Super-)Helden. Aber trotz aller Superkräfte kann die Zerstörung nicht verhindert werden.
Die Sammlung wurde unter dem Titel M-Maybe (in Anspielung auf Roy Lichtensteins gleichnamiges Pop-Art-Gemälde) 2017 in Zürich ausgestellt und vor Kurzem als Comic herausgegeben. Unheimlich und traurig zugleich, diese Zukunftsvisionen aus der Vergangenheit zu betrachten.
Giovanni Peduto

Sebastian Utzni: «M-Maybe».
Zürich und München, Edition Taube,
2019. 36 S., Comicheft, farbig,
EUR 9 / CHF 10.–

J.Sfar, Ch.Blain: «Das Trauma der Apachen - Eine Hommage an Leutnant Blueberry»

Der Geist von Blueberry

Das Trauma der Apachen verfügt über vieles, was die vom längst verstorbenen Autorenduo Jean-Michel Charlier und Jean Giraud erfundenen Blueberry-Comics auszeichnet: Rastlose Seelen kämpfen sich durch die Weiten Arizonas mit ihrem atemberaubenden Tafelgebirge, die Siedler im Grenzland rund um das Fort Navajo streiten sich mit den Apachen und der Konflikt, den eigentlich niemand will, kann jederzeit ausbrechen. Mittendrin reitet Leutnant Mike Blueberry, der einsame Held mit Sinn für Gerechtigkeit, der alles unternimmt, um den brüchigen Frieden zu bewahren.
Überraschend sind die beiden Autoren, die sich neuerdings an den Stoff wagen – Joann Sfar und Christophe Blain hat man bisher mehr mit humorvoll-pointierten Autoren-Comics verbunden als mit realistischen Western. Nun sind die beiden nicht die ersten, die sich an einem franko-belgischen Comic-Klassiker versuchen – man denke nur an die zahlreichen neuen Versionen von Spirou & Fantasio, Lucky Luke oder auch Micky Maus – und an Blueberrys Geschichten haben schon früher andere Zeichner und Szenaristen mitgewirkt.
Anders als frühere Autoren verlieren sich Sfar und Blain jedoch nicht in Blueberrys Biografie (eigentlich haben ja Charlier und Giraud alles Wesentliche erzählt), ihre Geschichte strebt vielmehr nach der möglichst perfekten Hommage. In Ansätzen kommen sie diesem Ideal durchaus nahe, sehr authentisch erfassen sie Stil und Geist der frühen Blueberry-Abenteuer (der sogenannte Fort-Navajo-Zyklus) und gehen zugleich ihre eigenen Wege. Das verdankt man besonders Blains semirealistischen Zeichnungen, die sich locker von Girauds übermächtigem Vorbild emanzipieren. Die Erfahrung aus seiner Western-Reihe um den Posträuber Gus kommt ihm hier zugute.
Wer hingegen philosophisch-pfiffige Dialoge sucht wie in Sfars Katze des Rabbiners, wird eher ernüchtert. Zwar gibt es vereinzelt ironische Momente, in denen Blueberry, hierin an die späten Alben Girauds erinnernd (den sogenannten Mister-Blueberry-Zyklus), aus seiner Heldenrolle herausfällt und seine eigene Bedeutung hinterfragt. Diese Momente wirken aber eher wie Fremdkörper in der Geschichte. Genauso das Science-Fiction-Motiv mit den schachspielenden und schiessenden Robotern. Am Ende überwiegen doch die Genre-Konventionen. Das gilt auch für die Frauen, deren Rolle zwar deutlich stärker ist als im Original – gleichwertig ist sie trotzdem nicht. Einen schalen Geschmack hinterlässt vor allem die explizite Darstellung von Brutalität und Vergewaltigung – sie trennt die Hommage vom Original und ist schlicht unnötig.
Florian Meyer
Diese Rezension beruht auf der französischen, 2019 bei Dargaud erschienenen Ausgabe. Deutsche Ausgabe:

Joann Sfar, Christophe Blain:
«Das Trauma der Apachen – Eine Hommage an Leutnant Blueberry».
Egmont Comic Collection, 64 S., Hardcover, farbig,
EUR 15 /  CHF 23.90

Joost Swarte: «Passi, Messa!»

Lektionen für ein besseres Leben

Joost Swarte den Leser*Innen von Strapazin vorzustellen, wäre nicht originell, zählt der Niederländer doch längst zu den Klassikern, die die Ligne claire für den Erwachsenen-Comic erschlossen haben. Zudem ist Passi, Messa!, um das es hier geht, kein neues Werk, sondern eine Neuauflage – in der Corona-Krise jedoch, in der wir alle zuhause rumsitzen, entfaltet das Album einen eigenen Reiz.
Umfangreiches Wissen sei notwendig, heisst es im Vorwort, um die Probleme, die sich uns stellen, anzupacken, und Swarte unterläuft diesen Bildungsanspruch mit einem Augenzwinkern. 150 Lektionen enthält sein «schlaues Buch», wie man sein Schicksal verbessern kann. Das Thema können genauso gut Ferienfreundschaften sein wie lästige Gäste oder das Verhältnis der Zahnärzte zu Zuckerbäckern.
Man muss diesen Comic nicht zwingend in einem Zug lesen, sondern man kann ihn wie einen Kalender einmal pro Tag zur Hand nehmen und sich jeweils eine Lektion zu Gemüte führen. Sei das vor dem Einschlafen oder sei das als Kontrapunkt zu der erdrückenden Menge von «Negativ-News», die täglich auf einen einprasseln, ganz nach der Devise: Lieber einmal mehr schmunzeln, anstatt im Schock zu erstarren.
Ursprünglich erschien die Serie von 1982 bis 1990 unter dem Titel Niet Zo, Maar Zo! in der Wochenzeitschrift Vrij Nederland. Seither wurde sie in Brasilien, den Vereinigten Staaten, Italien, Spanien und Finnland veröffentlicht. Auf Deutsch erschien sie 1989 im Verlag Affholderbach u. Strohmann mit dem Titel Nicht so, sondern so und ist längst vergriffen. Auf Französisch hat sie Dargaud 2019 neu aufgelegt, und das Kleinformat ist ein regelrechtes Kleinod.
Inhaltlich hat das Ganze eine für Swarte typische strikte ästhetische Ordnung und ein klares Design. Jede Lektion umfasst jeweils auf einer Doppelseite zwei Zeichnungen als Gegensatzpaar, dazu ein paar wenige Zeilen mit Bildunterschriften und auf jeder Seite ein Mini-Panel in der Fusszeile – diese Kleinstgags entpuppen sich beim Lesen als ulkige grafische Bonmots.
Um sich den Sinn jeder Lektion zu erschliessen, liest man am besten zuerst die Bildunterschrift des «Nicht so», dann die Zeichnung und das kleine Panel. Danach dasselbe mit dem «Sondern so» und zuletzt setzt man die beiden zueinander in Beziehung. Das macht Spass, des Witzes wegen und mitunter auch deshalb, weil sich die Bedeutung der Pointe wegen Corona verschieben kann; zum Beispiel in der ersten Lektion über das Maskentragen.
Florian Meyer

Joost Swarte: «Passi, Messa!».
Dargaud, 304 S., Hardcover, farbig
EUR 25 / CHF 39.90

Jérémy Perrodeau: «Dämmerung»

Eisblauer Hoffnungsschimmer

Die Raumstation Grand Central ist samt dreiköpfigem Forschungsteam an Bord vom Radar verschwunden. Ein Team aus zwei Menschen und zwei Androiden bricht auf, sie aufzuspüren. Die Station sollte die biologische Evolution eines Planeten erforschen, auf dem die Urbevölkerung vernichtet wurde, um eine experimentelle neue Umwelt zu schaffen. Aber die wissenschaftliche Spielerei geriet ausser Kontrolle, auf dem Planeten breitet sich ein Bewuchs aus geometrischen Formen aus, die wie Pilze an Bäumen wachsen, wie Tafeln aus Felsen ragen und wie kristalline Strukturen auf Pflanzen wuchern. Ausserdem erschweren magnetische Stürme und Raum-Zeit-Verschiebungen die Forschung auf dem Planeten.
Der Franzose Jérémy Perrodeau hat mit Dämmerung einen Science-Fiction-Comic mit ökologischem Bezug geschaffen, der vor allem grafisch sehr durchdacht wirkt. Er verlässt sich streckenweise komplett auf seine Bildsprache, das funktioniert sehr gut. Schon im gelb gefärbten Vorspann führt Perrodeau die Dynamik vor, die sich durch das ganze Buch zieht: Auf der ersten Seite entfaltet sich in drei untereinander gesetzten querformatigen Panels eine ruhige, hügelige Graslandschaft, in der aus der Ferne eine weisse Kugel herangeschwebt kommt. Diese Kugel prallt auf den Boden, hinterlässt Rauch und gräbt Täler und Krater in den Boden. Schliesslich transformiert die Kugel sich selbst, bricht auf und zersplittert in kleine Würfel. Immer detaillierter und unruhiger werden die Bilder, in denen sich explosionsartig Berge, Täler, Pflanzen und Tiere bilden und durcheinanderwirbeln, bis alles seinen Platz gefunden hat und wieder Ruhe einkehrt.
Dieser grafische Rhythmus zieht sich durch das ganze Buch, neben kleinteiligen Kästchen gibt es Einzelpanels, die sowohl linear Szenen erzählen als auch zusammen ein Gesamtbild ergeben, aber auch Doppelseiten, die die Weite der Landschaft oder des Universums zeigen. Hinzu kommt die Kolorierung, die wie ein Farbleitsystem funktioniert. Die Vorgeschichte des zu erforschenden Planeten hat die Grundfarbe Gelb, die eigentliche Mission ist rostrot gefärbt, und am Ende dominiert ein helles Eisblau.
Anhand der thematischen Farbgebung begreift man im Lauf der Lektüre auch die Erzählstruktur und damit die Zusammenhänge der Geschichte. Am Ende schliesst sich nämlich der Kreis – und doch bricht aus ihm eine Art Epilog wie ein eisblauer Hoffnungsschimmer aus.
Barbara Buchholz

Jérémy Perrodeau: «Dämmerung».
Edition Moderne, Übersetzung: Christoph Schuler,
Handlettering: Michael Hau,
144 S., farbig, Softcover,
EUR 32 / CHF 39.80

Lika Nüssli & Dario Forlin: «Es braucht Mut»

Mann Frau?

Weshalb führte der Kanton Ausserrhoden erst 1989 als zweitletzter Kanton das Frauenstimmrecht ein? Antwort geben die beiden Comic-Figuren Pfütze und Stein in Es braucht Mut, einem 2019, anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Abteilung Chancengleichheit des Kantons Appenzell, veröffentlichten Comic. Obwohl die Gleichstellung eine elementare zivilisatorische Errungenschaft darstellt, brauchte es in der Schweiz immer wieder Mut, die Stellung der Frau zum Thema zu machen und auch bei Rückschlägen neue Anläufe zu wagen. Die zwei geschlechtslosen Gestalten dialogisieren über die Entwicklung der Gleichstellung und geben einen geschichtlichen Überblick über wichtige Figuren und Ereignisse: Von Jeanne d’Arc über die deutsche Sozialistin Clara Zetkin, der Juristin und Journalistin Iris von Roten und ihrem Buch Frauen im Laufgitter von 1958 bis hin zur Aufnahme des Frauenstimmrechts in die Verfassung, 1971. Künstler H.R. Fricker kämpft ab 1981 mit seiner Kunstfigur Ida Schläpfer für das Frauenstimmrecht. An der Landsgemeinde von 1989 wird das Frauenstimmrecht dann angenommen. Der zweite Teil des Buches widmet sich der langen und zähen Entstehung der kantonalen Fachstelle für Gleichberechtigung.
Das Format Comic wurde gewählt, um die Ereignisse «frisch, zeitgemäss und witzig» zu erzählen, da die neunte Kunst bei Jung und Alt beliebt sei und auf eine unkomplizierte Weise die Auseinandersetzung mit dem Thema anregen könne. Der Comic soll vor allem Schülerinnen und Schüler ansprechen. Für junge Menschen, die sich ins Thema einlesen möchten, bietet das Buch viele Anhaltspunkte. Doch so unkompliziert man Sachverhalte mit Comics vermitteln kann, kommt Es braucht Mut sehr textlastig und zu didaktisch daher; für eine junge Leserschaft vielleicht zu wenig ansprechend.
Lika Nüssli und Dario Forlin haben die Bilder übrigens gemeinsam gestaltet, also ganz im Zeichen der Gleichberechtigung.
Giovanni Peduto

Lika Nüssli & Dario Forlin: «Es braucht Mut».
Ein Comic zur Gleichstellung von Mann/Frau im Kanton Appenzell Ausserrhoden.
Schwellbrunn: Appenzeller Verlag / Appenzell Ausserrhoden, Amt für Soziales, 2019.
76 S., Hardcover, s/w, CHF 25.–

Martin Panchaud: «Die Farbe der Dinge»

Das Leben von oben

Die Farbe der Dinge fällt zunächst aus ästhetischen Gründen auf: Die Geschichte wird aus der Vogelperspektive erzählt, was bedeutet, dass wir das Geschehen von oben sehen, die Menschen sind reduziert auf Kreise, nur durch ihre Farbe unterscheidbar, und die Gegenstände sehen aus wie Piktogramme, ohne Räumlichkeit und Schatten. Mit anderen Worten – auf den ersten Blick glaubt man, ein «wissenschaftliches Werk» in den Händen zu haben, «oder zeitgenössische Kunst» (selbstironische Zitate vom Cover), man denkt an Datenvisualisierung und Infografiken.
Wer diese erste Irritation oder womöglich sogar Hürde des ungewohnten Looks überwindet, taucht ein in eine Geschichte, die von Seite zu Seite rasanter und komplexer wird, in einen Thriller mit zahlreichen überraschenden Wendungen und Richtungsänderungen. Im Mittelpunkt steht Simon Hope, ein verschupfter, gemobbter und offenbar übergewichtiger 14Jähriger aus verkorksten Familienverhältnissen. Dank einer Wahrsagerin setzt er die geheimen Ersparnisse seines Vaters auf das richtige Pferd und hält plötzlich einen millionenschweren Wettschein in den Händen. Einlösen kann der Minderjährige ihn aber nur mit der Unterschrift seiner Eltern – doch sein Vater hat sich verdünnisiert, nachdem er die Mutter ins Koma geprügelt hat. Der Wettschein weckt Begehrlichkeiten, ein anderer Vater, der angeblich richtige, taucht auf – und es beginnt eine irrwitzige Verfolgungsjagd durch England, in der nicht zuletzt auch Simons drei Mobber und ein Mädchen eine Rolle spielen.
Ganz neu ist das stilistische Verfahren des vogelperspektivischen Erzählens nicht – da gab’s bereits Richard McGuires kurzen Comic ctrl und seinen Animationsfilm Micro-Loup (beide 2003). Panchaud bringt diese Gestaltungsweise indes auf ein neues Level, handelt es sich bei Die Farbe der Dinge doch nicht um eine kurze Geschichte, sondern um einen über 200 Seiten langen, dichten und komplexen Roman.
Das Interessante an Panchauds Experiment ist, dass man sich erstaunlich rasch an die ungewöhnliche Perspektive gewöhnt. Man akzeptiert, dass man keine Gesichter sieht, keine Körper, keine Räume; man liest die Piktogramme, die sich auf dem Papier bewegen, und beseelt sie selber mit Details und Leben. Was zunächst anmutet wie eine grafische Spielerei, wie eine Stilübung, entpuppt sich als eine überzeugende Coming-Of-Age- und On-the-Road-Geschichte, die problemlos die epische Distanz hält.
Panchauds Verdienst ist es, trotz der Abstraktion und des weitgehenden Verzichts auf Figuration eine bei aller Komplexität auch visuell klar verständliche und immer hochspannende Geschichte zu erzählen. Das liegt nicht nur an der visuellen Gestaltung, auch wenn jede Seite ein Juwel an cleverem Design, Kolorierung und Inszenierung ist. Nein, es liegt in erster Linie am exzellenten Storytelling und den Dialogen, die die Handlung, aber auch die vielschichtigen Beziehungsgeflechte wirkungsvoll in Szene setzen.
Die Farbe der Dinge ist ein eigenwilliger aber auch süffiger Comic; er wirkt experimentell, ist aber höchst unterhaltsam, er sieht sachlich aus, ist aber sehr emotional. Ein seltener Spagat.
Übrigens: Panchaud hat auch Star Wars – A New Hope in dieser Form nachgezeichnet und in Form einer endlosen Zeichnung zum Scrollen ins Netz gestellt – inklusive Lob von Luke Skywalker bzw. Mark Hamill …
Christian Gasser

Martin Panchaud: «Die Farbe der Dinge».
aus dem Französischen von Christoph Schuler,
Edition Moderne, 224 S., Hardcover, farbig,
EUR 35 / CHF 42.–

Molly Mendoza: «Skip»

Ein Farbrausch ohne Kater

Molly Mendozas Skip erzählt die Geschichte eines Kindes namens Bloom, das eines Tages von zu Hause abhaut, sich verirrt und auf dem Grund eines Sees einen Tunnel entdeckt, der zu ebenso fremden wie wunderbaren und beängstigenden neuen Welten führt. Auf dem Weg findet Bloom einen neuen Freund, Gloopy, und gemeinsam erkunden die beiden fremde Welten, treffen fantastische Charaktere und bringen sich gegenseitig Dinge bei, die jedem von ihnen helfen werden, mit der harten Realität zurechtzukommen, wenn sie (endlich) in ihr jeweiliges Zuhause zurückkehren werden.
In literarischer Hinsicht ist Skip teils Bildungsroman, also eine Geschichte der psychologischen Reifung, und teils Nostos, im Altgriechischen die gefährliche Heimreise auf dem Seeweg, in der Odyssee die Gesänge, die Odysseus’ Heimkehr beschreiben. Und Skip erzählt auch von der Angst vor dem Alleinsein und vor der Beurteilung, von der erlösenden Kraft der Freundschaft und darüber, wie toll Entdecken sein kann. Skip hat die Form eines Kinderbuchs, spricht aber durchaus auch Erwachsene an, die gegenüber seinen Botschaften offen sind.
Neben der erfindungsreichen Geschichte und den damit vermittelten Emotionen dünkt mich der wahre Grund, Skip zu lesen, die schlichtweg unfassbar schönen Zeichnungen. Die fliessenden Linien und Figuren erinnern manchmal an Edmond Baudoin, Craig Thompson oder Tove Jansson, doch verfügt Mendoza letztlich über eine sehr selbstbewusste Hand und ein ganz eigenes Auge. Und dann die Farben! Ich habe das Buch sorgfältig studiert und versucht herauszufinden, wie Mendoza ihre Töne, Schattierungen und Farben kreiert, manchmal sieht es sogar aus, als ob einige der Bilder auf Marmorpapier gedruckt wären. Vielleicht arbeitet sie digital, aber ihre Farben wirken zu organisch und lebendig, um maschinell hergestellt zu sein. Ihre Farbpalette erinnert mich an Gemälde von Kandinsky oder Gauguin, immer wieder überraschend mit unerwarteten und synästhetischen Gegenüberstellungen. Mendozas Werk ist manchmal beseelt von einer dynamischen Energie, die fast vom Blatt springt; an anderen Stellen erinnert es an träges Dahingleiten oder an sanfte Psychodrogen.
Skip ist, wie gesagt, eine schöne und emotionale Geschichte, aber es ist keine besonders neuartige. Die Basisgeschichte ist uns vertraut: Alice im Wunderland, Der Zauberer von Oz, Die Chroniken von Narnia. Skip greift solche Archetypen auf, aber Mendoza verfügt über eine ureigene Art und Weise, mit Bildern eine Geschichte zu erzählen. Deshalb ist Skip eine grossartige Erinnerung daran, was gute Comics leisten können, wie es keine andere Kunstform kann.
Und noch etwas – Skip spielt in einer Zeit nach der Apokalypse: «Es gab einen grossen Riss in der Welt, der alle teilte … und die Maschinen, die sie geschaffen hatten, um die Welt besser zu machen, wurden nur noch benutzt, um sich gegenseitig zu verletzen». Trotz der wenigen Figuren und der lebhaften visuellen Darstellungen ist ein Grossteil von Skip von einem Gefühl der Leere und Einsamkeit durchdrungen, und es war ein unheimlich passendes Buch, um «behütet vor Ort» die COVID-19-Krise auszusitzen. Dankenswerterweise endet Skip mit einer positiven Nachricht, und ich hoffe, dass dies auch für unser gegenwärtiges globales Abenteuer gilt.
Mark David Nevins

Molly Mendoza: «Skip»,
Nobrow, 166 S., Hardcover, farbig,
USD 22.95

Noah van Sciver: «Fante Bukowski – Ein amerikanischer Traum»

Schmuddel-Schreiber

Ist er ein Misanthrop, ein Narzisst, wie er im Buche steht, oder leidet er nur unter neurotischer Selbstüberschätzung? Der junge Jurist Fante Bukowski hat sich, nachdem er aus der Kanzlei seines Vaters ausgestiegen ist, den Nachnamen seines Vorbilds Charles Bukowski und den Vornamen des anderen coolen Schriftstellers, John Fante, zugelegt. Jetzt will er Ernst machen: Ohne Job, in kleiner Bude, mit etwas finanzieller Unterstützung seiner Eltern, will es der 24-Jährige, der wie ein altmodischer Mid-Ager aussieht zum Erfolg bringen. Einen Roman will er verfassen. Aber das ist ganz schön schwer, und bald wird seine Arbeit als Plagiat enttarnt. Danach versucht es Fante mit Gedichten. Aber auch die will keiner lesen. Vielleicht stösst er sein Umfeld mit seiner übergriffigen, frechen Art ab, wahrscheinlich finden die Umstehenden seine literarischen Ergüsse aber letztlich nur schlecht. So sieht das auch seine kurzzeitige Freundin Audrey, die er verlässt, um sein Bild des einsamen, hungerleidenden Autors zu perfektionieren. Während Audrey aber bald mit einem Protagonisten, der Fante sehr ähnelt, im Bett liegt, landet der echte Fante Bukowski in der Gosse …
Noah Van Sciver hat Comics über Abraham Lincoln und The Grateful Dead veröffentlicht, Fante Bukowski jedoch weist autobiografische Züge auf. Die wenig schmeichelhafte Hauptfigur könnte auch von Robert Crumb gezeichnet worden sein; überhaupt ist Sciver und Crumb gemein, dass sie sich gern über den elitären Kulturbetrieb lustig machen und dabei auf Political Correctness pfeifen. Genau dafür ist auch Fante jederzeit zu haben. Mit seinem verschobenen Blick wähnt er sich immer noch jedem und allem überlegen, obwohl er selber schon ganz unten angekommen ist. Während sich aber Fante danach sehnt, zum Literaturzirkus zu gehören, hat Sciver auch für die scheinbar glamouröseren Momente des Literaturbetriebs nur Spott und Verachtung übrig. So ist es einmal mehr ein amerikanischer Albtraum, der hier auf über 400 Seiten ausgeträumt wird. Crumb scheint übrigens nicht nur im Figurenarsenal, sondern auch visuell hinter den Zeichnungen von Noah Van Sciver auf. Vielleicht nicht im Strich, aber in der Darstellung der Figuren ist er als Vorbild in etlichen Panels erkennbar.
Christian Meyer-Pröbstl

Noah van Sciver: «Fante Bukowski – Ein amerikanischer Traum».
avant verlag, 416 S., Hardcover, farbig,
EUR 30 / CHF 44.90

M.Allred, S.Hortman, L.Allred: «Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen...

Bowie mit Warp-Antrieb

Michael Allred hatte anfangs der 90er-Jahre mit dem Independent-Superhelden-Comic Madman auf sich aufmerksam gemacht, dann kam eine Sandman-Story und es folgten zahlreiche meist hervorragende Arbeiten mit Superhelden, Zombies und Artverwandtem. Nach der Zusammenarbeit mit Neil Gaiman für Sandman entdeckten die beiden schnell ihre gemeinsame Liebe für David Bowie.
25 Jahre später erscheint nun Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume mit einem Vorwort von Gaiman. Allred begleitet darin Bowies Aufstieg bis zur Transformation zu Ziggy Stardust und dessen schnellem «Tod» – also vor allem die Jahre 1971 bis 1973 rund um das gleichnamige Album. Allred bleibt in seinem Genre und nutzt die naheliegende Chance, Bowie, den Superstar, als Superhelden zu überhöhen – inklusive ebenso naheliegender Science-Fiction-Analogien.
Allreds Dramaturg Steve Hortman scheint aber nicht allzu viel zu tun gehabt zu haben. Der Comic wirkt über lange Strecken wie eine direkte Übertragung einer losen Ideensammlung, die man mit Post Its an die Wand klebt. So werden nicht nur essentielle historische Momente rund um Bowie beziehungsweise Ziggy eingearbeitet, sondern auch etliche Zitate und Kurzbegegnungen abgerufen und in die Story gequetscht. Wie zum Beispiel, dass Morrissey im Alter von 13 Jahren, Ende 1972, bei einem Gig im Publikum stand. Für einen anschliessenden Gedanken zum Einfluss von Bowie beziehungsweise Glam auf Punk und New Wave, die Blitz Kids und Post-Wave wie The Smiths ist aber leider keine Zeit.
Allreds Zeichnungen wurden schon häufig mit Pop Art verglichen. In dieser Story taucht sogar Warhol auf, insofern passt der Stil ebenso perfekt zur Geschichte wie die bereits erwähnten metaphorisch überhöhten Superhelden- und Science-Fiction-Ebenen. Nicht nur darin erinnert der Comic an das Kapitel Century: 1969 von Alan Moore. Mit dem Unterschied, dass Moore ein faszinierendes Universum entfaltet, während Bowie die erzählerischen Erwartungen nur im Galopp streift, ohne sie in der Tiefe zu erfüllen … Umso spannender wird nun das Warten auf die angekündigte Graphic Novel über David Bowie von Reinhard Kleist.
Christian Meyer-Pröbstl

Michael Allred, Steve Hortman, Laura Allred:
«Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume».
Cross Cult, 160 S., Hardcover, farbig,
EUR 35 / CHF 51.90

Émilie Gleason: «Trubel mit Ted»

Langbeiniges UFO

«Der Versuch, ein Leben als eine einmalige Abfolge von Ereignissen zu verstehen, ist ungefähr so absurd wie der Versuch, eine Fahrt mit der U-Bahn zu erklären, ohne die Struktur des Netzes zu berücksichtigen.» So hat Pierre Bourdieu einmal zu beschreiben versucht, warum die Gefahr gross ist, in der Annäherung an eine andere Person zu scheitern. Doch was, wenn das Leben dieser anderen Person vor allem auf der Struktur des Netzes basiert, auf der immer wiederkehrenden Abfolge von Ereignissen, bis hin zum Hemd, das ausschliesslich an bestimmten Wochentagen getragen werden darf? Émilie Gleason zeigt in ihrem Comicdebüt Trubel mit Ted ein solches Leben, das sich im alltäglichen Kampf mit der gesellschaftlichen Vorstellung von Normalität befindet und schliesslich an den Erwartungen und den eigenen langen Beinen scheitert. Der Comic sei «frei inspiriert» von ihrem «jüngeren, immer etwas schweigsamen Bruder, einer Art UFO auf langen Beinen», erklärt Gleason in einem kurzen Nachwort. Und nur wer so nah dran ist, kann so genau, gnadenlos und selbstkritisch über diese Art von UFO schreiben.
Der Mittzwanziger Ted Gugus, der mit der Diagnose Asperger-Syndrom ein eigenständiges Leben zu führen versucht, kommt über die kleinste Abweichung seiner Routine ins Schlingern, bis er vollends den Boden unter den Füssen verliert. Die Perspektive, die Gleason im Comic einnimmt, spiegelt die Weltsicht von Ted, reflektiert das Entgleiten seiner Handlungsmöglichkeiten, wenn sich Abweichungen von seiner Routine ergeben. Teds Selbstwahrnehmung ist gestört, Gleason zeichnet ihn mit kaum erkennbaren Gesichtszügen, während sein Körper sich auf groteske Weise verzerrt – seine langen Beine dehnen und verdrehen sich, seine Füsse schwellen zu Klumpen an. Erinnerungssplitter schieben sich in die Handlungsebene, lassen Realität und Gedankenwelt von Ted verschwimmen, während der zwischen Kinderzeichnung, Art Brut und Pop Art changierende Stil den Leser immer weiter in die Lebenswelt von Ted hineinzieht.
Trubel mit Ted ist vor allem ein Comic, der diese Innenperspektive des Betroffenen mit der Aussenwelt konfrontiert; mit seinen Eltern, die versuchen, die Situation zu akzeptieren und die sich gleichzeitig mit der Suche nach einer Besserung des Zustands von Ted völlig überfordern. Mit seiner Schwester, die ihre eigene Überforderung konfliktreich austrägt, irgendwann jedoch auch weinend bekennt: «Tut mir leid, ich bin eine superschlechte Schwester. Wir sind gar nicht so verschieden …» Émilie Gleason zeigt, dass Normalität eine Frage der Perspektive ist, dass Abweichungen nicht immer liebenswert sein müssen, der Mensch hinter dem Trubel, den die Abweichungen verursachen, jedoch die bedingungslose Liebe seiner «superschlechten Schwester» verdient hat.

Émilie Gleason: «Trubel mit Ted».
Zürich: Edition Moderne 2020,
128 S., Softcover, farbig,
EUR 24 / CHF 29.80

Nick Drnaso: «Sabrina»

A-Soziale Medien

Die junge Sabrina Gallo ist verschwunden. Die lange Ungewissheit über ihren Verbleib treibt ihre Familie und ihren Freund in Lethargie und Depression. Doch als sich herausstellt, dass Sabrina Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, und dass der Täter vor seinem Selbstmord ein Video davon in das Netz stellte, bricht der eigentliche Horror über die Angehörigen herein. Nick Drnaso hat einen aussergewöhnlich intensiven und fesselnden Comic geschaffen, der die virusartige Ausbreitung von Verschwörungstheorien in den sozialen Medien eindrücklich schildert und die vernichtenden Auswirkungen auf die hilflosen Adressaten, in diesem Fall die Hinterbliebenen, eindrücklich und berührend darstellt. Drnaso gelingt mit dem Kunstgriff, den eigentlichen Mord nicht abzubilden, sondern ihn nur durch Berichte anzudeuten und seinen Fokus auf die aggressiven und haltlosen Reaktionen im Netz zu richten, die vernichtende Macht der digitalen Medien und ihre Kontrolle über unseren Alltag aufzuzeigen. Manch einer wird sich an die Schullektüre Die verlorene Ehre der Katharina Blum erinnern, in der – damals noch – eine Zeitung den Ruf einer Frau zerstörte. Die Macht der digitalen Medien und ihrer anonymen Nutzer ist exponentiell grösser und weitaus beängstigender. Drnaso zeichnet seine Figuren mit reduzierten Konturen, sie sind austauschbar und leben in einer tristen Welt, in der die Wohnungen an unpersönliche Motelzimmer erinnern. Seine Charaktere wünschen sich Nähe, doch die Beziehungen sind distanziert oder zerbrochen, und das eigentliche Leben findet in der digitalen Welt statt. Sabrina ist ein aufrüttelnder Comic, der mit einer solchen Vehemenz den Blick auf aktuelle gesellschaftliche Tendenzen legt, dass er bei der Leserschaft lange nachhallt.
Matthias Schneider

Nick Drnaso: «Sabrina».
Blumenbar, 204 S., Hardcover, farbig,
EUR 26 / CHF 30.–

P.Bulling/A.König: «Bruchlinien. Drei Episoden zum NSU»

Gedenken

«Heute hat ein Herr Yozgat aus Kassel hier angerufen», erklärt Gamze Kubasık 2006 ihrer Mutter, «sein Sohn Halit ist zwei Tage nach Papa ermordet worden. Mit der gleichen Waffe.» Jahre vor den deutschen Behörden haben die Familien der Opfer des NSU solche Zusammenhänge erkannt, haben unter dem Motto «Kein 10. Opfer» gemeinsam gegen einen gesellschaftlichen Rassismus demonstriert, der Opfer zu Tätern machte. Von dem Skandal, dass die Ermittlungsbehörden den Opfern kriminelle Verbindungen zugeschrieben haben, die Medien von «Dönermorden» schrieben und Zeugenaussagen und Akten verschwunden sind, erzählt der Comic Bruchlinien. Drei Episoden zum NSU von Zeichnerin Paula Bulling und Autorin Anne König.
Während Bullings warme Zeichnungen von Familie Kubasık in der Episode Dortmund eine klare Parteinahme verdeutlichen, zeichnet sich eine andere Episode durch das Gegenteil aus: Zur ehemaligen Verwaltungsbeamtin Sibylle, die im Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Auffliegen des NSU für das Schreddern von Akten zuständig war, geht der Comic auf Distanz, indem er der gezeichneten Figur eine Maske aufsetzt. Sibylle trinkt Kaffee mit einem ehemaligen Kollegen und erinnert sich an die Zeit unmittelbar nach der Selbstenttarnung des NSU-Trios. Trotz innerer Zweifel hatte sie damals die Anweisung ausgeführt, Akten zu V-Männern, die mit dem Trio in Kontakt waren, zu vernichten. «Ich habe überhaupt nichts falsch gemacht. Aber egal, ist vorbei», redet sie sich selbst ein. Dass es für die Opfer eben nicht vorbei ist, machen die den Comic-Episoden zur Seite gestellten umfangreichen Gespräche deutlich, die Bulling und König mit Vertretern der Anklage, Journalisten und Angehörigen geführt haben. «Ich habe zugesehen, wie er nach dem Anschlag langsam kaputt gegangen ist», erinnert sich etwa Candan Özer-Yılmaz an ihren 2017 verstorbenen Mann Atilla Özer, der beim Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstrasse schwer verletzt wurde.
In den von Sibylle vernichteten Akten wäre womöglich auch die Protagonistin der dritten Episode aufgetaucht: Susanne Eminger, eine Freundin von Beate Zschäpe, die für ihre Unterstützung des Trios nie belangt wurde, während ihr Mann André Eminger beim NSU-Prozess in München zweieinhalb Jahre Haft erhielt.
Die drei Episoden haben nicht den Anspruch, den NSU-Komplex in Gänze zu dokumentieren, sie bieten jedoch drei unterschiedliche Zugänge zum Thema, die in den Gesprächen vertieft werden. «Ganz ehrlich, ich halte nicht viel von Denkmälern», bemerkt Cancan Özer-Yılmaz auf die Frage Paula Bullings nach dem Geplanten Denkmal für die Opfer des Keup-strassen-Anschlags. «Meine Vorstellung von Gedenken und Respekt ist, dass es dieses Eingeständnis gibt: Ja, wir haben versagt.» Wie auch immer man zur Frage von Denkmälern steht, Bruchlinien leistet einen wichtigen Beitrag für das Gedenken und dazu, dass den Opfern endlich Gehör geschenkt wird.
Jonas Engelmann

Paula Bulling / Anne König: «Bruchlinien. Drei Episoden zum NSU».
Spector Books, 96 S., Hardcover, farbig,
EUR 24 / CHF 27.90

Max Baitinger: «Happy Place»

Ausbalanciert

Unter dem Titel Happy Place versammelt der Leipziger Comic-Zeichner und -Autor Max Baitinger 18 Kurzcomics aus den vergangenen zwei Jahren, die sich auf inhaltlicher wie grafischer Ebene mit dem Thema des (inneren) Gleichgewichts befassen.
Jede Geschichte erzählt Anekdoten aus dem Alltag ein und desselben Protagonisten, eines schwarz gekleideten, schmalen Mannes, dessen Gliedmassen sich gelegentlich wie Schläuche verziehen und biegen. In der ersten Geschichte, Bobo, nehmen Rumpf, Arme und Beine des Mannes den Schwung der Schlaufen eines Handyladekabels am Boden auf. «Ich beginne meinen Tag im Baum», steht unter dem Bild, auf der Doppelseite gegenüber sehen wir das Bild eines lässig auf einem Ast liegenden Affen. Hier wird erklärt, dass der Mann das Bild an der Wand fixiere, was dem Halten des Gleichgewichts in der Yogahaltung «Baum» dienen dürfte. Aber auch formal ist diese Doppelseite perfekt ausbalanciert: Der Kopf der Figur im Zentrum des einen Panels korrespondiert mit der runden Deckenlampe im tiefer gesetzten Panel gegenüber, die Armhaltung des Yogaübenden führt den Schwung nach rechts oben, die Form des Astes mit dem Affen darauf leitet ihn wieder abwärts.
Dieses Prinzip des Ausbalancierens findet sich in allen Geschichten, so unterschiedlich sie auch sind. Leserinnen und Leser von Baitingers Comics Röhner oder Birgit erkennen seine grafische Handschrift ebenso wie den gewählten, sachlichen Ton der Bildtexte in Druckschrift, die einen Gegenpol bilden zu den bei aller Strenge formal doch sehr spielerischen und inhaltlich ins Absurde gezogenen Zeichnungen.
Die Abschlussgeschichte Neu und viel besser bringt nicht nur die Figuren der übrigen Erzählungen zusammen, die sich auf die Suche nach einem Ort begeben, «der uns alle glücklich macht», sie bildet auch den poetisch-ironischen Höhepunkt dieses grafischen Selbstfindungstrips: Auf dem Rücken eines Schwans in rosa Gummistiefeln sitzt der schwarz gekleidete Protagonist mit Kaffeetasse in einem weissen Plastikstuhl, auf dem Flug in Richtung Happy Place.
Barbara Buchholz

Max Baitinger: «Happy Place».
Rotopol Press, 160 S., Softcover, farbig,
EUR 18 / CHF 21.50

 

Kurz und Gut

Von Christian Meyer-Pröpstl


Stephane Heuet hat sich wohl entschieden: Sein Lebenswerk wird eine Comic-Adaption von Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit sein, da Heuet nicht Nicolas Mahler ist, sondern im farbigen Ligne-claire-Stil und dennoch unglaublich detailreich die Geschichten in Szene setzt. Das dauert, aber so wird man trotz langer Textpassagen auch visuell in das sehr emotionale Geschehen hineingezogen. Gerade ist der siebte (aber nummeriert als fünfter) Band Im Umkreis von Madame Swann, Teil 1 aus dem Buch Im Schatten junger Mädchenblüte erschienen.

Stephane Heuet, Marcel Proust:
«Im Umkreis von Madame Swann, Teil 1».
Knesebeck, 48 S., Hardcover, farbig,
EUR 20 / CHF 31.90

Kathrin Klingner verarbeitet in ihrem Debüt Über Spanien lacht die Sonne semiautobiografisch ihr Leben mit McJobs, allen voran das Moderieren von Internet-Kommentaren. Mit niedlichen Tierfiguren erzählt sie von nicht so niedlichen Arbeitsbedingungen und Hass und Hetze im Netz. Trotz Tierprotagonisten überrascht die realistische Erzählweise.

Kathrin Klingner: «Über Spanien lacht die Sonne».
Reprodukt, 128 S. Softcover, s/w,
EUR 20 / CHF 31.90
In wenigen Panels lässt Birgit Weyhe ein ganzes Leben auferstehen. Zwischen 2017 und 2019 hat die Künstlerin für den Tagesspiegel die Serie Lebenslinien produziert. Um jeweils zwei Panels ergänzt, versammelt der beim avant-verlag erschienene gleichnamige Band diese Biografien, plus drei bislang unveröffentlichte. Allen Geschichten ist gemeinsam, dass die Porträtierten den Begriff Heimat ganz unterschiedlich füllen, aufgrund ihrer Geschichte nicht jedoch als etwas Statisches, von Geburt an Vorgegebenes. Die Geschichten wurden zum Teil neu arrangiert und ergänzt.

Birgit Weyhe: «Lebenslinien».
avant-verlag, 120 S., Softcover, farbig,
EUR 20 / CHF 31.90
In den frühen 90er-Jahren machte die in New York lebende Zeichnerin Julie Doucet mit ihren rohen, von jeglicher Scham befreiten blutrünstigen Comics auf sich aufmerksam. Reprodukt hat seinerzeit einige ihrer Arbeiten veröffentlicht, mit Julie Doucets allerschönste Comicstrips erscheint nun ein umfangreicher Sammelband mit den Arbeiten aus den 90ern der Künstlerin, die sich inzwischen vor allem mit Collagen beschäftigt. Mit ihren Themen Menstruation, Sex, Gewalt, Selbstzweifel u.a., die sie den Leser*innen in ihren kleinteiligen Schwarzweisszeichnungen entgegenschleudert, hat sie eine Vielzahl an jungen Künstler*innen beeinflusst, nicht zuletzt Liv Strömquist …

Julie Doucet: «Julie Doucets allerschönste Comicstrips».
Reprodukt, 176 S., Hardcover, s/w,
EUR 20 / CHF 31.90
Charles Burns hat sich immer wieder mit der sogenannten Teenage-Angst auseinandergesetzt, nicht zuletzt in seinem Epos Black Hole. Sein neuestes Werk ist ebenfalls grösser angelegt, in Deutschland und Frankreich erscheint mit Daidalos 1 nun vorab der erste Teil als Einzelband: Was für eine Freude, Burns Alter Ego Brian und Laurie zu begleiten, wie sie sich kennenlernen! Obwohl – freuen ist vielleicht das falsche Wort, denn die Annäherung ist holprig und voller Unsicherheiten, Brians Aktionen gleiten immer wieder in albtraumhafte Szenarien ab, die an David Lynch erinnern … Nerd trifft Schönheit könnte die Überschrift dieser in satten Farben und klarem Strich gezeichneten Story lauten.

Charles Burns: «Daidalos 1».
Reprodukt, 64 S., Hardcover, farbig,
20 EUR / CHF 31.90

Büke Schwarz erzählt in ihrem semi-autobiografischen Debüt Jein von Elâ, einer deutsch-türkischen Künstlerin, die an einer Gruppenausstellung arbeitet. Eigentlich sieht sie sich nicht als explizit politische Künstlerin, und ihre türkischen Wurzeln sind ihr auch nicht sonderlich wichtig. Aber als die Vernissage näher rückt und zugleich ein Referendum in der Türkei Erdogan viel mehr Macht und seinen Anhängern Auftrieb gibt, kommt Elâ nicht darum herum, Position zu beziehen. Schwungvoll und mit Humor erzählt Schwarz vom alltäglichen Künstlerleben, schildert in surrealen Szenarien aber auch Zweifel und Ängste. Ein sehr emotionales und überraschend elegant erzähltes Debüt.

Büke Schwarz: «Jein». Jaja Verlag,
232 S., Softcover, s/w,
EUR 24 / CHF 31.90
Shane Simmons erzählt in seinem grossangelegten Epos Das lange ungelernte Leben des Roland Gerthes von einem Bergarbeitersohn, der sich als Lehrling, Soldat, Grubenarbeiter und später Kriegsversehrter durch das Leben schlägt. 1860 geboren, Ende der 1940er-Jahre gestorben, erlebt er die Klassenunterschiede mit ihren sozialen Ungerechtigkeiten, den Krieg mit seinen Grausamkeiten, die Religion mit ihren Absurditäten und das Familienleben mit allen Turbulenzen. Simmons setzte diesen grafischen Gesellschaftsroman um, indem er die sprechenden Figuren nur als Punkte auf weisser Fläche zeichnete, mit bissig-ironischen Dialogen. Das funktioniert bei aller Abstraktion ausgesprochen gut. Es ist zu hoffen, dass der avant-verlag auch die beiden anderen sogenannten Longshots von Simmons, mit den Biografien eines Enkels und eines Grossvaters von Roland Gerthes, veröffentlicht.

Shane Simmons: «Das lange ungelernte Leben des Roland Gerthes».
avant-verlag, 52 S., Hardcover, s/w,
EUR 20 / CHF 31.90
Die neue Reihe Bug des französischen Altmeisters Enki Bilal ist beim zweiten Band angelangt: In der hochdigitalisierten Zukunft wird plötzlich alles Digitale verschluckt – Internet, Verkehrssteuerung, Kommunikation, Implantate. Aus unbekannten Gründen scheint ein Astronaut im All zur gleichen Zeit alles Digitale in sich aufgenommen zu haben. Während die Welt im Chaos versinkt, versuchen unterschiedliche Kräfte, diesen Mann zu finden. Bilal hat das dystopische Szenarium in eine Familiengeschichte eingebettet.

Enki Bilal: «Bug – Buch 2».
Carlsen, 80 S., Hardcover, farbig,
EUR 24 / CHF 37.90
In der von Isabel Kreitz herausgegebenen kleinformatigen, aber sehr liebevoll gestalteten Reihe Die Unheimlichen erzählt uns Olivia Vieweg im sechsten Band von Antigone, die sie als willensstarke Frau mit moralischen Prinzipien zeigt. Mit starken Mädchen hat uns auch die Serie Paper Girls beglückt, die nun mit dem sechsten Band ein furioses Finale erfährt. Brian K. Vaughn und Cliff Chiang haben ein humorvolles Zeitreise-Spektakel mit grossartigen Role-Models erschaffen. Anna Haifisch widmet sich in ihrem farbenprächtigen Kurzgeschichtenband Schappi Künstlern und Sammlern, Politikern und anderen Gruppen und Einzelgängern – stets liebevoll in ihrem dann doch abgründigen Humor: Narrative Illustration in ganzseitigen, grellfarbigen Seiten mit Textunterschriften. Fil, vor allem bekannt vor allem für sein Lebenswerk Didi & Stulle, versammelt in Stups & Krümel – Mega Sammelband einige Kleinstveröffentlichungen der 90er-Jahre und präsentiert auch neues Material über das ungleiche, in Hassliebe verbundene Paar. Fil-Humor vom Feinsten!

Olivia Vieweg: «Antigone».
Carlsen, 64 S., Hardcover, farbig,
EUR 12 / CHF 18.90

Brian K. Vaughn, Cliff Chiang: «Paper Girls 6».
Cross Cult, 128 S., Hardcover, farbig,
EUR 22 / CHF 34.90

Anna Haifisch: «Schlappi».
Rotopol, 92 S., Softcover, farbig,
EUR 20 / CHF 31.90

Fil: «Stups & Krümel – Mega Sammelband».
Reprodukt, 288 S., Hardcover, s/w,
EUR 10 / CHF 15.90
Posy Simmonds hat mit ihrer eigenen Form aus Fliesstextpassagen und Comic-Panels bereits die zwei erfolgreichen Frauen-Porträts Tamara Drewe und Gemma Bovery (beide verfilmt) realisiert, die eigentlich eher von dem Mängelwesen Mann handeln. Ihr neues Buch Cassandra Darke reiht sich ebenfalls dort ein, nur ist die Hauptfigur kein junges hübsches Mädchen, sondern eine alte misanthropische Galeristin, die über ihre arroganten Betrügereien stolpert. Ein sehr genaues Psychogramm, aber auch ein detailliertes Gesellschaftsporträt und nicht zuletzt ein spannender Krimi.

Posy Simmonds: «Cassandra Darke».
Reprodukt, 96 S., Hardcover, farbig,
EUR 24 / CHF 37.90

Mit Age of Doom – Buch 2 hat Jeff Lemire den Hauptstrang seiner Black-Hammer-Serie abgeschlossen. Zusammen mit den Zeichnern Dean Ormston und und Rich Tommaso vollendet er damit ein hoch psychologisches, existentialistisches Superhelden-Epos, das tief emotional berührt, aber auch die Action nicht missen lässt. Weitere Spin-Offs und Add-ons kündigen sich allerdings schon an … Bereits in den Nullerjahren hatte der Musiker und Autor Gerard Way mit dem Zeichner Gabriel Ba das Superhelden-Thema emotionalisiert. Zwei Bände von The Umbrella Academy erschienen 2007 bzw. 2008, erst jetzt – inzwischen gibt es eine Serie auf Netflix – folgt der dritte Band Hotel Oblivion um die Superkinder eines verrückten Wissenschaftlers, die vielleicht die Welt retten, aber vor allem ihre eigenen psychischen Defekte in den Griff bekommen sollten. Nicht nur grafisch tollkühn!

Jeff Lemire, Dean Ormston, Rich Tommaso: «Black Hammer: Age of Doom – Buch 2».
Splitter, 192 S., Hardcover, farbig,
EUR 24 / CHF 36.90

Gerard Way, Gabriel Ba: «The Umbrella Academy 3 – Hotel Oblivion».
Cross Cult, 160 S., Hardcover, farbig,
EUR 22 / CHF 33.90

 

Biografien

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Nacha Vollenweider
*1983 in Rio Cuarto, Argentinien. Nach ihrem Abschluss in Malerei an der Universidad Nacional de Cordoba kam sie 2013 nach Hamburg an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW. Bereits während des Studiums begann sie den Masterstudiengang Design mit Schwerpunkt Illustration und Comics. Ihre Abschlussarbeit Fussnoten (2016) schaffte es auf die Liste der Finalisten des Comic-Buchpreises der Berthold-Leibinger-Stiftung. Das Buch erschien 2017 im Avant-Verlag, 2018 bei Maten al Mensajero (Argentinien) und 2019 bei ILatina Editions (Frankreich). 2020 ist Nacha wieder unter den Finalisten mit ihrem neuen Comic-Projekt Zurück in die Heimat. Seit August 2018 wieder in Argentinien, betrachtet sie ihre jetzige Situation als eher schwierig, fügt aber an: «Haha!».
www.nacha-vollenweider.de

Celine Künzle
wohnt in Thun und studiert Visuelle Kommunikation an der Hochschule der Künste Bern. Nebst dem Animieren und grafischen Gestalten gilt ihre Leidenschaft dem zeichnerischen Festhalten von Charakteren – sei es beim Gerichtszeichnen, beim Illustrieren von Interviews, beim Aktzeichnen oder beim Skizzieren im Café oder Zug. Die hier abgedruckte Reportage ist ein Ausschnitt ihrer Abschlussarbeit an der HKB, für die Celine eine ganze Reihe von Menschen zu ihrem Umgang mit der aktuellen Corona-Pandemie befragte.
www.celinekuenzle.ch

Huang You
*1981 in Wuhan, China, arbeitet als Zeichner und Herausgeber eines Comic-Magazins. Er veröffentlicht hier unter einem Pseudonym, da er Repressionen seitens der chinesischen Regierung befürchtet.

Esther Janssen
*1976 in Maastricht, Niederlande. Esther Janssen nennt sich selbst Malerin ohne Farbe. Sie verwendet Kunstleder, um handgenähte Bilder von erdrückenden und zerrütteten Umgebungen zu schaffen, von düsteren Häusern, immergrünen Flächen, aufgeräumten Vorgärten oder zerstörten Villen. Wiederkehrende Themen in ihrem Werk sind die Grenzen zwischen Authentizität und Reproduktion, Kontrolle und Chaos, Humor und Hässlichkeit, Profanem und Heiligem. www.estherjanssen.com
instagram@estherjanssen_

Augusto Paim
ist Journalist und entwickelt Comic-Reportagen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Zeichner*innen. Er studierte Journalismus an der Universidade Federal de Santa Maria und Literatur in Porto Alegre, Brasilien. Mit dem dortigen Goethe-Institut kuratierte er das brasilianisch-deutsche Projekt Osmose. 2019 schloss er seine Promotion an der Bauhaus Universität Weimar mit dem Titel Ästhetik der Comicreportage – Theorie und Praxis der journalistischen Erzählung in Comicform ab. Derzeit arbeitet er am Literarischen Colloquium Berlin und betreut dort das literarisch-journalistische Projekt LCB diplomatique (www.lcb-diplomatique.net).
www.issuu.com/augustomachadopaim

Alexandra Rügler
*1988 in Athen, aufgewachsen in Berlin. Sie studierte in Halle, an der Seoul National University in Südkorea und arbeitet derzeit an ihrem Master-Abschluss. Ihr Comic The Ballad of the Barefoot Bandit ist im Jaja Verlag Berlin erschienen, und mehrere Bücher mit ihren Zeichnungen wurden in der Büchergilde Gutenberg veröffentlicht. 2019 erhielt sie den German Independent Comic Preis für den besten experimentellen Comic und ein von ihr für das italienische Magazin Internazionale gezeichneter Comic wurde für die World Illustration Awards 2019 nominiert. Alexandra Rügler lebt in Berlin.
www.alexandraruegler.de

Stipan Tadi
*Zagreb, Kroatien, arbeitet als Maler und Comic-Künstler. 2011 machte er seinen Master in Malerei an der Kunstakademie in Zagreb und studiert zurzeit an der Columbia University in New York. Mit seinem Comic Goalkeeper, basierend auf einer Kurzgeschichte des kroatischen Schriftstellers Andrija kare, gewann er 2018 den ersten Preis am International Comic Book Festival in Lodz, Polen. Seine Comics erscheinen regelmässig in den Fanzines Komikaze (Kroatien) und Stripburger (Slowenien).
instagram@stipan.tadic
www.facebook.com/stipan.tadic.9

Silvain Monney
*1993 in Fribourg, studierte an der Hochschule Luzern HSLU, seitdem arbeitet er als selbstständig Erwerbender in den Sparten Animation und Illustration.
www.silvainmonney.ch

Paul Yvan
*1997 in Mbalmayo, Kamerun, zeichnete schon seit seiner Kindheit und besuchte später drei Jahre lang das Artistic Formation Institute in Mbalmayo. Die Universität liess er links liegen und begann gleich, Bücher zu zeichnen: Miss Quoquette und Cameroon Tour in Ten Tales blieben leider in der Schublade wegen Problemen mit Verlegern und fehlender finanzieller Unterstützung. Paul lebt allein in Kameruns Hauptstadt Yaounde.

Sandro Hagen
*1981, wohnt am Schweizer Ufer des Bodensees und arbeitet als Grafiker und Art Director. Im Kindergarten zeichnete er so viel, dass speziell für ihn die Drei-Blatt-pro-Tag-Regel eingeführt wurde. 2007 erschien sein Buch Schattenhalb – sieben schlimme Toggenburger Geschichten, 2017 besuchte er im Auftrag von MSF Médecins sans Frontières MSF ein Kinderkrankenhaus in Magaria, Niger, und verfasste darüber eine Comic-Reportage, die auch am Fumetto in Luzern ausgestellt wurde.
hagentoon@gmx.ch

Othman Selmi
arbeitet als Illustrator, Karikaturist und Art Director in Tunis. Nach einem Studium in Tunis und einem Abschluss in Kunst und Kommunikation widmete er sich Zeichentrickfilmen, illustrierte verschiedene Jugendbücher und Comicstrips in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv Lab619 in Tunesien und arbeitete für Publikationen im Ausland wie Samandal und F/I/M/P (Libanon), Actes Sud und Alifbata editions (Frankreich), Correspondants in Deutschland, The Nib (USA) und Internazionale (Italien). Derzeit arbeitet er als künstlerischer Leiter und Illustrator für die Zeitschrift Légal Agenda. 2016 gewann er den prestigeträchtigen Mahmoud-Kahil-Preis für den besten Comic-Strip im Libanon. Sein jüngstes Werk ist Migrazione, erschienen bei Fortepresse (Italien).
instagram@kidsmokk
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