UNTERWEGS

Juni 6, 2023 | | No Comments

CHF 15.00

Mai Koraiem
Philip Schaufelberger
Akshay Sethi
Harsho Mohan Chattoraj / Sourav Dutta
Rajiv Eipe / Nathaniel da Costa
Zhenya Oliinyk
Lukas Fuchs
Nacha Vollenweider
Zhang Xun
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Beschreibung

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EDITORIAL

«Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen», notierte sich der Stubenhocker Blaise Pascal im Jahr 1670 auf einem der Tausenden Zettel, die später unter dem Titel Pensées veröffentlicht wurden (als Buch, nicht als Comic, sorry). Als leidenschaftlicher Reisender gehe ich nicht ganz einig mit Pascal, aber angesichts der Tatsache, dass wir uns heutzutage von meist verbrennungsmotorisierten Kurier*innen alles bringen und holen lassen, sei es Essen, Abfall, Kleider, Wein, Wasser, Bücher (und Comics!), und dabei die drohende Klimakatastrophe möglichst verdrängen, wäre es durchaus angesagt, mehr Zeit ganz ruhig auf dem Sofa zu verbringen, an einer lokal gewachsenen Zwetschge lutschend.

Kurier*innen und andere Fahrer*in­nen wurden noch vor kurzem als Pandemie-Held*innen gefeiert, aber nun hat sie der Arbeitsalltag wieder eingeholt, die grosszügigen Trinkgelder gehören der Vergangenheit an, und es wird immer schwieriger, von der schlecht bezahlten Arbeit zu leben. Kurier­fahrer*innen sind gleich in zwei Beiträgen vertreten: Mai Koraiem, die in Alexandria, Ägypten, wohnhafte Zeich­nerin, beschäftigt sich mit Fahrer*innen eines im arabischen Raum bekannten Lieferdienstes, während Philip Schaufelberger sich die Mühe nahm, bei den Velo­ku­rier*innen in Bern mitzufahren; eine schweisstreibende Erfahrung, obwohl die Stadt nicht wirklich gebirgig ist. Noch flacher ist Neu-Delhi, wo nur noch wenige Rikscha-Fahrer in die Pedale treten, da sie als Verkehrshindernis gelten; einer der letzten hat Akshay Sethi die besten Tipps zur Pflege stark beanspruchter Waden und Füsse mitgeteilt. Um in Indien und bei den aussterbenden Berufen im Transport­gewerbe zu bleiben: Harsho Mohan Chattoraj (Zeichner), Sourav Dutta (Autor) und ­Sumit Surai (Recherche) erzählen von den leider sehr maroden Strassenbahnen in Kolkata.
Nathaniel da Costa (Autor) und Rajiv Eipe (Zeichner) haben sich zu ihrer Geschichte von einem Fährmann inspirieren lassen, der bis zum Bau einer Brücke vor ein paar Jahren noch in Corjuem, Goa, aktiv war. Ein sehr aktuelles Transportthema behandelt Zhenya Oliinyk, bei ihr geht es um Frauen in der Ukraine, die sich zum ersten Mal ans Steuer eines Autos setzen müssen, weil die Männer an der Front sind. In den USA beobachtete Lukas Fuchs mit dem kritischen Auge eines Schweizer Handwerkers, wie in North Carolina Häuser verschoben werden.
Nacha Vollenweider, Nachfahrin nach Argentinien ausgewanderter Schweizer*innen, teilt mit uns die Erinnerungen ihrer Nanny an Pferde­fuhrwerke; Zhang Xun und Umschlagillustration aus ­Nanjing freut sich ebenso wie sein Busfahrer darüber, dass in China die Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie endlich aufgehoben worden sind.
Und ­Wolfgang Bortlik lässt uns auch in dieser STRAPAZIN-Ausgabe an seinem unerschöpflichen literarischen Wissen teilhaben. Es geht, dem Thema entsprechend, um einen russischen Kurier, DUI in den USA, und um eine deutsche Botin.

Ich wünsche viel Vergnügen bei der Lektüre.
Christoph Schuler



DAS GESCHRIEBENE WORT

Kuriere, Fahrer, ­Schwarze Botinnen und ­andere literarische Transporte

Er hatte keine Pizza im Gepäck und brachte auch keine Shoyu-Ramen, er fuhr keine grossformatigen Pläne zur neuesten urbanen Verschandelung vom Architekturbüro zum Sitz des Baudepartements, nein, er überwand stolze 5523 Kilometer von Moskau nach Irkutsk, nur um einen Namen zu übermitteln. Den kannte er auswendig und für diese Botschaft brauchte er keine dieser unhandlichen Uber-Eats-Taschen. Keine Angst, der Reisende war auch kein «Putin-Versteher», sondern der Kurier des Zaren.
Aufständische Tatar*innen hatten so ums Jahr 1865 herum die telegraphische Verbindung in die Hauptstadt gekappt. Der Bruder des Zaren, der als Gouverneur in Sibirien herrschte, wurde von einem schurkischen Verräter in den eigenen Reihen bedroht und musste gewarnt werden. Deswegen startete der Kurier, ein junger Offizier namens Michael Strogoff, um das Reich zu retten und den Namen des Verräters ins weit entfernte Irkutsk zu bringen.
Michael Strogoff war der erste Kurier in der Literatur, der mir einfällt. Doch das war ein echter Scheissjob, der ihn bei einer glücklicherweise wegen schweren Tränenflusses misslungenen Blendung fast das Augenlicht gekostet hätte. Jedenfalls hatte sich das der berühmte französische Autor Jules Verne so ausgedacht und daraus den Roman Der Kurier des Zaren gemacht.

Werkzeug des Kosmos
Mit der Erfindung des Automobils und des Individualverkehrs, also auch der Ver­einzelung des Menschen, kam eine neue Geschwindigkeit und Beliebigkeit des Ziels ins Narrativ. Das relativ sinnlose Herumfahren her­rschte nunmehr literarisch vor, bestenfalls verkleidet als Suche nach etwas, von dem man nicht wusste ob es überhaupt existierte.
Im Sommer 1947 fuhr der einiger­massen erfolglose Schriftsteller Jack Kerouac los, von New York an die Westküste, mit einem Zwischenhalt in Denver, um dort seinen neuen Kumpel Neal Cassady zu besuchen. Ke­rouac reiste mit leichtem Gepäck, er suchte, nach eigener Aussage, «Mädchen und Visionen, einfach alles».
Aus seinen Reisen wurde der berühmte Roman On the Road, der allerdings erst zehn Jahre später als Buch erschien. Sein Held namens Dean Moriarty raste kreuz und quer durch die USA, immer hinter dem Leben her oder auf der Flucht vor ihm. Moriarty war eben jener Cassady, 1926 in Denver geboren, in ganz schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen, früh delinquent, wie es so unschön heisst, denn mit 14 Jahren stahl er zum ersten Mal ein Auto. Neal Cassady war eine faszinierende Figur, sein sexuelles Interesse war breit gestreut, aber er nahm eindeutig zu viele Drogen und während die anderen schrieben, redete er ununterbrochen.
Die so genannte Beat Generation war jedenfalls nun auf dem Kulturzettel, weil damals auch Allen Ginsberg das Gedicht Howl und William Burroughs die finstere Dystopie Naked Lunch veröffentlichten.
1947 fuhr ein Auto voll mit Marihuana aus Texas von Burroughs Ranch nach New York. Am Steuer sass Cassady, wer sonst. Zehn Jahre später wurde er für den Besitz von drei Marihuana-Zigaretten zu fünf Jahren bis lebenslänglich in St. Quentin eingelocht. Nach gut zwei Jahren war er wieder draussen, gerade rechtzeitig, um einen neuen Transporteur-Job zu übernehmen. Denn jetzt wurde die psychedelische Revolution ausgerufen: Das notorische Herumexperimentieren mit sogenannt bewusstseinserweiternden Drogen – der LSD-Konsum war damals noch straf­frei – trug seine zweifelhaften Früchte. Die zentrale Figur im Geschehen war Ken Kesey, charismatischer Ideenproduzent, Literat und Verfasser des wirklich gross­artigen Romans One flew over the Cuckoo’s Nest. Er war der Chefideologe der Merry Pranksters, einer Kommune aus Künstler*innen, LSD-Kon­sument*innen und Herumtrei­ber*in­nen, welche die Hippie-Szene in San Francisco initiierten.
Sie kauften 1964 einen dieser riesigen amerikanischen Schulbusse, Baujahr 1939, schnitten ein Loch ins Dach, installierten Lautsprecher, malten das Fahrzeug psychedelisch an und fuhren los. Am Steuer sass ganz selbstverständlich der mittlerweile schon etwas ältere Neal Cassady, der gerade den Spitznamen «Speed Limit» bekommen hatte. Im Juni 1964 ging es los. Ein grosses Happening, ein echter Trip quer durch die USA, von West nach Ost und zurück. In New York belästigten sie den langweiligen Timothy Leary und luden den schon ältlichen Jack Kerouac zu einer Party ein. Der kam mit einer Flasche Whisky und war über die ausgeflippten LSD-User*innen höchst befremdet.
Jerry Garcia, später Oberhaupt von Grateful Dead, damals bei den Merry Pranksters am Rande beteiligt, sagte den schönen Satz: «In seiner reinsten Form war Cassady ein Werkzeug des Kosmos».
Diesen Kurierdienst der amerikanischen Subkultur hat Tom Wolfe, Aushängeschild des Neuen Journalismus, in seinem Buch The Electric Kool-Aid Acid Test sehr unterhaltsam beschrieben.

Die schwarze Botin
So hiess eine Zeitschrift, die von 1976 bis 1980 in West-Berlin erschien. Es war die polemisch-satirische Gegenstimme zu den zu­gleich erschienenen, eher gefühligen Frau­enzeitschriften Emma und Courage und blieb dementsprechend unbekannt. Der Inhalt der Botin war erfrischend radikal und demystifizierend, eine Zeitschrift, die aus der Frauenbewegung kam und sich traute, diese zu kritisieren. Viele bekannte Autorinnen wie Elfriede Jelinek, Elisabeth Lenk, Rita Bischof oder Eva Meyer schrieben dort. Das Beste kann jetzt in einem Buch nachgelesen werden, etwa die Gedanken von Gabriele Goettle, einer der Herausgeberinnen, über mögliche Formen feministischer Anarchie:
«Ziel des Feminismus muss die Beseitigung sämtlicher patriarchaler Herrschaftsstrukturen und die Vernichtung der kapi­talistischen Produktionsformen sein. Ein Schritt dahin ist die Aufkündigung der Familie, der heterosexuellen Beziehung, und das ist ein gewaltiger Schritt, denn die Versorgung der Haushalte, des Reproduktionsbereichs, der gesamte Konsum, den die Familie mit sich bringt, fielen aus. Das wäre ein empfindlich verletzender Angriff auf die Funktion der Wirtschaft, von der Moral gar nicht zu reden.»
Goettle schrieb später als Journalistin sehr kluge und aufschlussreiche Reportagen über den Alltag gewöhnlicher Menschen in Deutschland. Nun gibt es eine klug zusammengestellte und kommentierte Auswahl aus der Schwarzen Botin. Die Polemik hat nichts an ihrer Schärfe und Berechtigung eingebüsst.

Ne travaillez jamais!
Einer der Buchverlage, die zu Beginn der 1970er-Jahre begründet wurden, um die Theorie des Aufruhrs unter das Volk zu bringen, war die Edition Nautilus in Hamburg. Ursprünglich hiess sie MaD-Verlag, Materialien und Dokumente, doch der deutsche Ableger der Nonsense-Zeitschrift Mad (Alfred E. Neumann!) drohte einen Prozess an, falls der Name nicht geändert würde.
Nautilus verdanken wir die «Entdeckung» des Situationismus (1957 – 1972) im deutschen Sprachraum. Jenen geheimnisvollen Kontinent der Praxis vom ziellosen Umherschweifen (Dérive) und der Zweckentfremdung (Detournement), dem Spiel, Marx zu überwinden, und der Rebellion gegen den Alltag und die Kunst.
Hanna Mittelstädt, Mitbegründerin, hat nun die Geschichte dieses Verlags geschrieben. 1973 entstand er, im Geist des Pariser Mai 1968, zur Verbreitung aufrührerischer Schriften und zur Anheizung der Revolution. Der Umsturz der alten Ordnung und die Umgestaltung hin zu einer freien Gesellschaft war jedoch nicht so einfach, der Kapitalismus zeigte sich als recht widerstandsfähig. So wurde statt der Revolution vor allem Lektorat, Werbung und Vertrieb gemacht, all das, was ein Verlag benötigt und ihn am Laufen hält. Das Geld war knapp und so kamen die fatalen Auswirkungen der Lohnarbeit wie Entfremdung und Konsumwahn gar nicht erst auf. Man konnte es selbstverständlich Selbstausbeutung nennen, aber es war vor allem auch Entdeckungslust, Leidenschaft, Lernen und Leben. Im Spannungsfeld zwischen politischem Wollen und realen Zwängen entstand über die Jahre ein erstaunliches Verlagsprogramm: Aussensei­ter*in­nen, Dada, Surrealismus, Anarchismus, der Subcomandante Marcos, Biographien der letzten Held*innen, radikale Ge­genwarts­literatur und Satire, Poesie, Franz Jung, Laurie Penny, Etel Adnan …
Hanna Mittelstädt erzählt sehr persönlich von einem kollektiven Projekt, vom Reichtum an Wissen, Lust und Autonomie, der einen beim Büchermachen überkommt, aber auch, wie man elegant die Armut umschifft.

Ich fahre, das ist alles was ich mache
Früher hiess es, dass einer «Benzin im Blut» habe. Der Driver hat keinen Namen, aber Fahren ist sein Geschäft und seine Bestimmung, er ist Stuntman in Hollywood. Wenn die Gage stimmt, dann bringt er auch Ganoven an den Tatort und fährt sie von dort wieder weg.
James Sallis, mittlerweile als Krimiautor etabliert, erzählt aus der Distanz und in raffiniert verschachtelten Rückblenden und Vorwärtsbewegungen die Geschichte des Drivers, in klassischer Noir-Manier, in kurzen Sätzen und Kapiteln, ohne Psychologie und Reflektion und solch Schmonzes. Der Driver fährt und fährt und dann geht ein Verbrechen schief und er liegt mit ein paar Leichen in einer Wohnung.
Der hochgelobte Kriminalroman von Sallis ist zwar schon länger erschienen, soll in diesem Rahmen aber die literarischen Hinweise auf Bot*innen und Kurier*innen blutrot beschliessen.


BOOKLIST

Jules Verne: «Der Kurier des Zaren».
Reclam Taschenbuch, 294 Seiten,
EUR 14 / CHF 16.-

Tom Wolfe: «The Electric Kool-Aid Acid Test.
Die legendäre Reise von Kesey und den Merry Pranksters».
Heyne Taschenbuch, 560 Seiten,
EUR 9,95 / CHF 14.90

«Die schwarze Botin. Ästhetik, Kritik, Polemik, Satire 1976-1980»,
herausgegeben von Vojin Saša Vukadinović.
Wallstein Verlag, 512 Seiten,
EUR 38 /CHF 52.90

Hanna Mittelstädt: «Arbeitet nie! Die Erfindung eines anderen Lebens».
Edition Nautilus, 360 Seiten,
EUR 28 / CHF 41.90

James Sallis: «Driver».
Verlag Liebeskind, 160 Seiten,
EUR 16,90 / CHF 23.90


PFLICHT LEKTüRE

Jan Bauer: «Unter rotem Staub»

Roter Staub


Jan Bauer erntete 2014 mit seinem Backpacker-Reisebericht Der salzige Fluss gute Kritiken. Darin erzählte er in schwarzweissen Bildern von seiner Wanderung über Hunderte Kilometer durch das australische Outback auf der Suche nach innerer Einkehr. Es ging damals um die Verarbeitung einer persönlichen Krise. Sein neuer Comic Unter rotem Staub führt wieder nach Australien, in die Wüstensiedlung Yuendumu, bewohnt von Warlpiri-Aborigines, dem Zielort der Wanderung am salzigen Fluss. Dieses Mal aber geht der Blick nach aussen, nimmt Menschen, Mythen und Geschichte des Ortes unter die Lupe. Detailreich zeichnet Bauer die Landschaften mit ihren Felsen, Bäumen und dem weiten Sternenhimmel, die Siedlung mit ihren Wohnhäusern, Zäunen, unbefestigten Wegen. Sich selbst stellt er wieder mit Knopfaugen, gestricheltem Bart und breitkrempigem Hut dar, eine sympathische Figur, die ihre Eindrücke und recherchiertes Wissen mit uns teilt.
Bauers Comic gliedert sich in zwei Teile: Der erste spielt in der Siedlung Yuendumu, wo Bauer nach seiner grossen Wanderung in einem Kunstzentrum als ehrenamtlicher Helfer unterkommt und erste Kontakte knüpft – unter anderem zu einem Warlpiri namens Phil, der ein Freund wird. Die Rückkehr nach Hamburg stellt eine jähe Zäsur dar – plötzlich entfalten sich auf den Seiten keine weiten Landschaften, keine dösenden Hunde, kein Laisser-faire mehr. In ein strenges Raster aus quadratischen Panels gepfercht sind jetzt die Hektik und die Zwänge des Alltags in Hamburg: Mehrspurige Strassen voller Autos mit jeweils einer Person darin, dazwischen winzig klein der Autor auf dem Fahrrad, eilende Menschen mit leeren Blicken, ein Tisch voller Briefe, die bearbeitet werden wollen. Doch das ist ein kurzes Intermezzo auf einer Doppelseite. Denn wie der rote Staub sich nicht aus den Klamotten waschen lässt, bleibt auch die Sehnsucht haften. Bauer kehrt im folgenden Jahr nach Yuendumu zurück – und erfährt, dass Phil nicht mehr lebt. Er begibt sich auf eine Spurensuche, um die letzten Stationen im Leben des Freundes nachzuvollziehen, der in Polizeigewahrsam an Herzversagen starb. Er recherchiert historische Begebenheiten, die bis in die Gegenwart der Aborigines wirken, und illustriert seine Erkenntnisse zum Beispiel in einem gezeichneten aufgeschlagenen Geschichtsbuch mit einfachen Zeichnungen und wenig Text. Am Ende wird Phil im Beisein seiner gesamten Community unter rotem Staub begraben. Jan Bauer hat eine sehr einnehmende Comic-Reportage geschaffen, die unterhaltsam informiert, auch dank der Dokumentation im Anhang.
Barbara Buchholz

Jan Bauer: «Unter rotem Staub»
Avant-Verlag, 256 S.
Softcover, s/w
CHF 31.90 / EUR 26

Tillie Walden: «Clementine 1»

Holzbein und Zombies

Tillie Walden überzeugte mit der anfangs im Netz veröffentlichten queeren Science-Fiction-Liebesgeschichte Auf einem Sonnenstrahl, dem Road-Comic West, West-Texas oder dem gezeichneten Entwicklungsroman Pirouetten. Nun hat Walden den Auftrag angenommen, eine Geschichte um eine Figur aus dem Universum der Serie The Walking Dead von Robert Kirkman zu entwickeln: Das Mädchen Clementine ist die Hauptfigur eines Computerspiels zur Serie. Sie verliert ihre Eltern in der Zombie-Apokalypse, wird von einem Mann namens Lee in Obhut genommen und bleibt, nachdem auch der von Zombies gebissen wird, alleine zurück.
In Tillie Waldens Comic Clementine 1 (die Serie ist auf drei Teile angelegt) stapft auf den ersten Seiten eine junge Frau mit finster-entschlossenem Blick an hölzernen Krücken durch einen Wald. Von schwarzen Schatten heben sich helle Baumstümpfe ab, aus dem Unterholz kriechen immer wieder untote Gestalten, denen Clementine umgehend eine Krücke über den Schädel zieht oder ein Messer in die Fratze rammt. Clementine ist mittlerweile 17 Jahre alt und stolpert durch postapokalyptische Gegenden der USA nach Norden. In gelegentlichen Flashbacks oder Träumen – grafisch kenntlich gemacht durch eine Art Wolke – tauchen das kleine Mädchen Clementine und ihr Beschützer Lee auf, so dass auch Leser*innen ohne Bezug zu The Walking Dead in etwa ins Bild gesetzt werden. Sehr schnell kommt sie nicht voran, denn unterhalb ihres linken Knies ist ein improvisiertes Holzbein angebracht – das schliesslich auch noch kaputtgeht. Unterwegs erhält Clementine nicht nur eine neue, bessere Prothese, sondern lernt auch den jungen Amos aus einem Amish-Clan kennen, der ebenfalls Richtung Norden will. Die beiden tun sich zusammen und landen in einem verlassenen Ski-Resort, das die Zwillingsschwestern Georgia und Olivia und eine junge Frau namens Ricca als zombie-freie Zuflucht wiederaufbauen wollen. Es bildet sich eine beklemmende Zweckgemeinschaft voller versteckter Bündnisse, gefährlicher Intrigen und Familiengeheimnisse.
Tillie Walden erzählt in Schwarzweiss und Grauschattierungen in kleinteiligen Zeichnungen und schräggestellten oder ineinandergeschobenen Panels, in denen es öfter mal schwerfällt, den Überblick zu behalten, Handlungen nachzuvollziehen oder die Personen voneinander zu unterscheiden. Die Figuren bleiben oberflächlich-undurchschaubar. Die Lust auf die Fortsetzung hält sich in Grenzen.
Barbara Buchholz

Tillie Walden: «Clementine 1»
Ãœbersetzt von Frank Neubauer
Cross Cult, 256 S.
Hardcover, s/w
CHF 39.90 / EUR 26

Igort: «Berichte aus der Ukraine (Tagebuch einer Invasion)»

Kriegstagebuch

«Meine Eltern waren grosse Verehrer der russischen Kultur, der russischen Literatur, der russischen Musik», erklärt der Italiener Igort zu Beginn seiner aktuellen Arbeit Berichte aus der Ukraine (Tagebuch einer Invasion) seine Faszination für Russland, dessen Kultur und Künstler*innen ihn zutiefst geprägt haben. «Ich hatte für ihre ernste oder ironische, ihre sanfte oder abgründige Sichtweise viel übrig, mit der sie einen dazu brachten, menschlichen Angelegenheiten mit Nachsicht und Verständnis zu begegnen.» Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine hat für Igort, der mit einer Ukrainerin verheiratet ist und in dem Land viele Freunde und Verwandte hat, alles verändert: «Heute donnern die Kanonen. Gebäude stürzen ein. Es bleibt kein Raum für Mehrdeutigkeit.» Der Krieg ist am 25. Februar auch in das Leben von Igort und seiner Familie eingebrochen und hat ihm die Lust an der Viel- und Mehrdeutigkeit der russischen Kultur genommen.
Dies bedeutet für Igort zunächst eine klare Parteinahme: Auch wenn er in seinem Comic sowohl politisch fragwürdige Tendenzen innerhalb der ukrainischen Armee als auch die Probleme einfacher russischer Soldaten thematisiert, benennt er den Aggressor und lässt die Opfer sprechen, gibt stets seine Haltung zu erkennen, ohne jede Mehrdeutigkeit. In seiner Ästhetik, der Frage danach, wie und ob das Grauen eines Krieges in Bilder zu fassen sei, lässt Igort jedoch Mehrdeutigkeiten zu, gibt Raum für Interpretationen, unterschiedliche Perspektiven und historische Ursachen des aktuellen Geschehens. Die Erzählungen, die er festhält sind jene, die in den westlichen Medien fehlen; nicht die Analysen der Militärstrategen und Politiker, sondern die Berichte derjenigen, die unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffen sind, interessieren ihn. Igort illustriert die Erfahrungen von Menschen, die Tag für Tag vor Ort dem Schrecken des Krieges ausgeliefert sind. Was sie berichten ist brutal, manchmal kaum zu ertragen, sie sprechen von Folter, Hinrichtungen und anderen Kriegsverbrechen. Ertragen kann man die Berichte einzig durch Igorts behutsamen Umgang mit den dazugehörigen Bildern, die in ihren gedeckten Farben und dunklen Brauntönen eine Ruhe in sich tragen, selbst wenn sie Leid und Tod zeigen. Diese Ästhetik ist Igorts Strategie gegen die Dynamik des Krieges, vor deren Hintergrund sich das vielstimmige Tagebuch einer Invasion entfaltet, das noch lange nachhallt.
Jonas Engelmann

Igort: «Berichte aus der Ukraine (Tagebuch einer Invasion)»
Reprodukt, 168 S.
Softcover, farbig
CHF 36.50 / EUR 26

Peter van Dongen: «Rampokan»

Doppelter Boden

«Schlussendlich sind die Personen wichtig, nicht der geschichtliche Hintergrund», hat der Niederländer Peter van Dongen seinen an historischen Ereignissen entlang erzählten Comic Rampokan erklärt. «Es war nie meine Absicht, ein Geschichtsbuch zu schreiben.» Und so erzählt der ursprünglich auf zwei Bände angelegte und nun erstmals als kolorierte Gesamtausgabe erschienene Comic eine persönliche Geschichte vor der historischen Folie des Jahres 1946, als sich die Niederlande mit dem Ende ihres ehemaligen Kolonialreiches nicht abfinden wollten und einen mehrere Jahre andauernden Krieg begannen. Im Zweiten Weltkrieg war Indonesien von den Japanern besetzt gewesen, die sich nach ihrer Kapitulation aus dem Land zurückziehen mussten, woraufhin indonesische Nationalist*innen eine unabhängige Republik ausriefen und die Niederlande Truppen in die Kolonie schickten.
Erzählt wird der Comic aus der Perspektive des Söldners Johan Knevel, der sich freiwillig gemeldet hat, um noch einmal in sein Geburtsland zurückzukehren und nach seinem ehemaligen Kindermädchen zu suchen. Dabei geht er mit kolonialer Arroganz und überzeugt von der Rechtschaffenheit seines Einsatzes vor, ist jedoch der einzige Niederländer im Comic, der als eine Identifikationsfigur angelegt ist. Er träumt von seiner Kindheit und projiziert auf diese Erinnerungen das Bild einer friedlichen Koexistenz von Niederländer*in­nen und Indonesier*in­nen. Rampokan liesse sich auch als klassische Abenteuergeschichte vor kolonialem Hintergrund lesen, so taucht sogar eine klischeehafte «schöne Wilde» auf, die dem Protagonisten ins Ohr flüstert: «Zeig du mir, was gut für mich ist.»
Gleichzeitig aber ist es gerade die vordergründig ausgestellte koloniale Ideologie, die Rampokan über diese persönliche Geschichte hinaushebt. Van Dongen, als Sohn eines Niederländers und einer Indonesierin zwischen den beiden Kulturen und mit beiden Erzählungen über die Kolonialzeit aufgewachsen, weist durch seine Ligne-claire-Ästhetik über den Inhalt hinaus. Neben expliziten Bildanspielungen auf den belgischen Kolonialcomic Tim im Kongo findet sich auch die Erzählperspektive Hergés in Rampokan wieder, die Kolonie als weisse Leinwand für die Projektionen der westlichen Kolonisator*innen zu betrachten. Indem van Dongen dieses Vorbild aufruft, erzählt er neben seiner Abenteuergeschichte, in die gleichzeitig zahlreiche Verweise auf indonesische Kultur und Tradition verwebt sind, auch die Geschichte der Verwicklungen des Mediums Comic in das Gelingen des kolonialen Projekts.
Jonas Engelmann

Peter van Dongen: «Rampokan»
avant-verlag, 176 S.
Hardcover, farbig
CHF 54.90 / EUR 39

Camille Jourdy: «Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück»

Die Farben des Alltäglichen

Camille Jourdy hat – zumindest im deutschen Sprachraum – ein Problem: Ihre Graphic Novels wirken zu unaufällig, inhaltlich zu alltäglich und visuell zu unspektakulär, um wirklich wahrgenommen zu werden. Dabei ist Camille Jourdy eine der subtilsten, genausten und letztlich auch schonungslosesten Erzählerinnen ihrer Generation. Rosalie Blum und Juliette sind ebenso tiefenscharfe wie berührende Chroniken des Alltags, der Familie, der Provinz.
Juliette, eine Wahl-Pariserin um die 30, ist zu Besuch in der namenlosen Kleinstadt, aus der sie einst aufgebrochen ist. Sie steckt offensichtlich in einer Krise, doch spricht sie ihre Probleme nicht an, und niemand scheint das zu kümmern – Juliette galt schon immer als hypochondrisches Sensibelchen. Sie bezieht ihr Jugendzimmer im Haus ihres abgelöscht und abwesend wirkenden Vaters. Sie trifft die Familie ihrer molligen und lebenslustigen Schwester Marylou, die sich tagsüber im Gewächshaus mit ihrem Liebhaber vergnügt. Sie trifft sich mit ihrer überspannten Mutter und deren männlichen Begleitern und mit ihrer dementen Grossmutter. Und sie lernt Polux kennen, Stammgast einer Quartierkneipe, verschroben, aber ganz nett. Zusammen retten sie ein Entenküken und taufen es Norbert.
Das sind ein paar Elemente aus Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück. Viel Alltag, Familienchronik, Milieuschilderung, Slice of Life. Camille Jourdys Talent ist es, diese Realität so einzufangen, dass sie sich zwar sehr authentisch anfühlt, aber nie banal wird. Subtil seziert sie die vielen Gefühle, vermeidet aber sogar in der Schilderung des sonntäglichen Mittagmahls der ganzen Sippe jegliches Pathos. Sie ist nahe am, aber nie im Klischee. Sie zeichnet ihre Figuren mit Empathie, aber mit einer Genauigkeit an der Grenze zur Karikatur, ohne diese Grenze zu überschreiten. Jourdys Blick entdeckt im Alltäglichen Farben, Schönheit und Tiefe.
Diese sich kreuzenden und verknäuelnden Beziehungen, Geschichten, Erinnerungen und Missverständnisse setzt Jourdy in kleinformatige, warm kolorierte Bilder um. Die Zeichnungen wirken schlicht, und doch erhält jede Geste, jeder Gesichtsausdruck, jeder Blick seinen Platz, seine Bedeutung; wichtige Szenen werden aufgeschlüsselt in viele Einzelbilder, die eine aufmerksame Lektüre einfordern – zumal Wichtiges auch mal zwischen den Bildern passiert.
Grossartig, da passend, ist auch das offene Ende. Was nimmt Juliette mit, als sie in den Zug nach Paris steigt? Hat sie gelernt, dass alle an ihren Geschichten und Problemen zu tragen haben? Und was ist mit Polux? Wird sie ihn wiedersehen?
Christian Gasser

Camille Jourdy: «Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück»
Aus dem Französischen von Lilian Pithan
Reprodukt, 240 S.
Hardcover, farbig
CHF 42.90 / EUR 29

Marcello Quintanilha: «Höre nur, schöne Márcia»

Bunt, fiebrig, laut und rasant

Hör nur, schöne Márcia hat alles, was es für eine mitreissende Geschichte braucht: den intensiven Konflikt zwischen einer Mutter und einer Tochter, eine Favela in Rio de Janeiro als explosives Setting, atemberaubende Dialoge, dynamische Zeichnungen. Kein Wunder, wurde die Graphic Novel des Brasilianers Marcello Quintanilha in An­goulême 2022 als bester Comic des Jahres ausgezeichnet.
Márcia, die Mutter, und ihre Tochter Jaqueline können schon lange nicht mehr vernünftig miteinander reden; jedes Gespräch endet mit Zank und Zoff. Auf den ersten Blick erstaunen diese Spannungen, denn äusserlich gleichen sich Márcia und Jaqueline: Sie sind beide übergewichtig, beide haben eine kraftvolle körperliche Präsenz; ausserdem sind beide leidenschaftlich, aufbrausend und sehr laut. Und doch sind sie ganz anders: Die Krankenschwester Márcia opfert sich gerne für die anderen auf. Jaqueline hingegen lässt sich treiben und hat eine Affäre mit einem Drogendealer aus der Nachbarschaft.
Als in der Favela ein Bandenkrieg ausbricht, weil korrupte Milizen das Drogengeschäft übernehmen wollen, gerät die leichtsinnige Jaqueline in Schwierigkeiten: Sie lässt sich als Drogenkurierin einspannen, wird verhaftet und landet im Knast. Aus Liebe zu ihrer Tochter mischt sich Márcia in den Bandenkrieg ein und gerät ihrerseits auf den Radar von Polizei und Kriminellen.
Es ist atemberaubend, wie geschickt Marcello Quintanilha das Mutter-Tochter-Drama mit dem Thriller verknüpft und zusätzlich um weitere Nebenfiguren und ­Subplots ergänzt. Und doch bleibt Hör nur, schöne Márcia immer klar, authentisch und glaubwürdig und vermittelt einen packenden Einblick in die Schattenseiten des heutigen Brasilien.
Auch visuell ist Hör nur, schöne Márcia ­ungewöhnlich. Besonders augenfällig ist
die expressive Farbpalette, die Quintanilha ­einsetzt. Sein Rio ist in exzessiv bunte und künstlich anmutende Farben getaucht. Am auffälligsten sind die Figuren, deren Haut in unterschiedlichen Violetttönen glühen.
Was auf den ersten Blick bizarr anmutet, entfaltet eine verblüffende Wirkung: Die unrealistischen Farben verleihen der Geschichte etwas Surreales, Fiebriges. Das wiederum passt zu Quintanilhas Strich, der ebenso lebendig ist wie seine Figuren und Dialoge. Seine Zeichnungen sind immer in Bewegung, sie wirken schnell hingeworfen, sind aber ungemein präzise.
Die Bildsprache intensiviert noch den Sog dieser Geschichte bis zu einem Ende, das – nach zahlreichen Brüchen, Wendungen und Überraschungen – ebenso rau wie versöhnlich ist. Christian Gasser

Marcello Quintanilha: «Höre nur, schöne Márcia»
Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Lea Hübner
Reprodukt, 128 S.
Hardcover, farbig
CHF 35.90 / EUR 24

Sammy Harkham: «Blood of the Virgin»

Der Bodensatz Hollywoods

14 Jahre lang hat Sammy Harkham an seinem grossen Wurf gearbeitet. Am Ende ist seine Erzählung „Blood of the Virgin“ über einen jungen Filmenthusiasten Anfang der 1970er-Jahre in L.A. gut 300 Seiten stark geworden. Als Kind irakischer Juden über Australien in die USA emigriert, versucht der 27-jährige Protagonist Seymour sein Glück in der Filmbranche Hollywoods. Er lebt aber nicht jenen schillernden und glänzenden Traum, den die Meisten mit dem Schriftzug in den Hollywood Hills verbinden. Seymour arbeitet für die schmutzige Variante der B-Movies. Hier werden Filme schnell runtergekurbelt, um Geld zu verdienen, nicht um künstlerisch wertvolle Filme oder Blockbusters für ein grosses Publikum zu landen. Inhaltlich zielen die Produktionen auf die niederen Instinkte des Publikums: Sex & Crime, gerne auch Horror mit Werwölfen oder – gerade der Renner: Biker-Filme mit einem Hippie-Touch.
Seymour kann den B-Movies durchaus etwas abgewinnen. Er arbeitet am Set als Produktionsassistent für den windigen Produzenten Val und hat sich damit arrangiert, dass seine Kunst nur bedingt gefragt ist, aber eigentlich schreibt er Drehbücher und träumt davon, selber Regie zu führen. Als Val dann doch eines seiner Drehbücher kauft, erhofft er sich direkt auch den ersehnten Job als Regisseur. Den bekommt aber der zwei Jahre jüngere Oswald. Von nun an muss er hilflos mitansehen, wie sein Drehbuch zu- und hingerichtet wird. Bis Oswald ausfällt und er doch noch eine Chance erhält, auf dem Regiestuhl platz zu nehmen. Aber die Regiearbeit ist gar nicht so einfach, zumal sich der junge Vater auch noch mit familiären Problemen herumschlagen muss.
Natürlich hat Sammy Harkham nicht kontinuierlich während der gesamten 14 Jahre an dem Projekt gearbeitet. Einige Kapitel wurden zwischendurch auch schon in seinem Comic-Magazin „Crickets“ veröffentlicht, das er neben der renommierten Anthologie „Kramers Ergot“, in der er in den letzten 20 Jahren das Who’s who der internationalen Comic-Szene publiziert hat, herausgibt. Und so ist der Kern der Geschichte zwar stilistisch kohärent in schnellen Schwarzweiss-Zeichnungen erzählt, es gibt aber auch erzähle­rische Einschübe, die sowohl inhaltlich als auch stilistisch neue Räume erschliessen
und den Kontext erweitern. Dass sich Harkham für die detailreiche Beschreibung der Figuren, der Orte und des Zeitgeistes sehr viel Zeit nimmt, unterscheidet seinen Comic sehr von den Filmen, die er thematisiert. Als Leser*in taucht man tief ein in die Hinterhöfe Hollywoods mit all seinen zwielichtigen Gestalten.
Christian Meyer-Proepstl

Sammy Harkham: «Blood of the Virgin»
Reprodukt, 296 S.
Hardcover, farbig und s/w
CHF 39.90 / EUR 29,99

Léa Murawiec: «Die grosse Leere»

Grosse Leere und totale Präsenz

Das Debütalbum von Léa Murawiec ist ein hochintensiver und die Sinne überwältigender grafischer Roman. Die französische Autorin wartet mit einem kreativ überschäumenden Einfallsreichtum auf und packt ihre Leser*innen von der ersten bis zur letzten Seite mit rasanten Bildfolgen, kühnen Schnitten und halsbrecherischen Perspektiven. Wer in die Lektüre einsteigt, wird unweigerlich von einem wahnwitzigen Lesefluss mitgerissen und auf eine berauschende Achterbahnfahrt durch atemberaubende Häuserschluchten, irre Schauplätze und verstörende Dialoge entführt. In seiner Wirkung löst Die grosse Leere ein vergleichbar ungewohntes Leseerlebnis aus, wie seinerzeit die allerersten Mangas, die um 1990 herum die europäischen Märkte erfassten.
Wer vergessen geht, ist gleichsam tot. Das ist der Gedanke, von dem aus Murawiec eine Geschichte entfaltet, die sich wie eine Reflexion auf die Logik sozialer Medien liest. An mich wird gedacht, also bin ich, und werde ich «gelikt», bin ich noch mehr. Das ist die Devise von Manel Naher, der Protagonistin in Die grosse Leere. Nur wer berühmt sei, könne ein normales Leben führen, erklärt sie ihrem überrumpelten Freund. Dabei scheint es, als habe sie keine Wahl, sondern folge einem Zwang. Die hektische Welt der Manel Naher funktioniert wie virtuelle soziale Netzwerke. Sie ist den Gesetzen der Aufmerksamkeit unterworfen. Selbst Gewalt ist in dieser Welt ein probates Mittel, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Berühmtwerden ist eine Überlebensstrategie.
Wer jemand sein will, muss Präsenz markieren und maximale Aufmerksamkeit erzielen. Präsenz lässt sich in dieser massenmedial geprägten Welt nach Punkten bewerten. Viele Punkte erlangt, wer ein grosses Netzwerk hat und dieses pflegt. Ausserhalb der Netzwerke ist die gefürchtete grosse Leere, die nichts anderes ist als die freie Natur.
Als Manel Naher endlich realisiert, wie allein sie trotz aller Vernetzung ist, und dass sie ihre Freunde und Verwandten längst verloren hat, wagt sie den Ausbruch in die grosse Leere. Letztlich zielt Léa Murawiec auf die Frage, ob es sich wirklich lohnt, sein Leben ganz darauf auszurichten, den eigenen Namen medial zu verewigen, wenn dabei der Kontakt zu den echten Menschen zerbricht.
Florian Meyer

Léa Murawiec: «Die grosse Leere»
Aus dem Französischen von Christoph Schuler.
Edition Moderne, 208 S.
Hardcover, farbig
CHF 39.- / EUR 34.-


AUTORTITELXXXXXXXXXX

Tod in Südfrankreich

So unvermittelt hat noch kaum ein Comic angefangen: Drei liebreizende Seiten zum Einstieg, dann ein Paukenschlag. Was wie eine nette Urlaubsgeschichte beginnt, wandelt sich aus heiterem Himmel zu einem vertieften Nachdenken über den Tod und Verlust eines geliebten Menschen und darüber, wie die hinterbliebene Person mit ihrer Trauer zurechtkommt und in ihr Leben zurückfindet. Damit befassen sich Lewis Trondheim (Szenario) und Hubert Chevillard (Zeichnungen) in ihrer Graphic Novel Ich bleibe.
Die Leidtragende ist Fabienne, deren Partner Roland bei einem tragischen Unfall im Ferienziel in Südfrankreich umkommt. Anstatt den Urlaub abzubrechen und sich um die ganzen Formalitäten zu kümmern, die bei einem Todesfall anstehen, geht Fabienne ihren eigenen Weg. Sie nimmt das Notizbuch, in dem Roland für jeden Tag das Ferienprogramm notierte, und zieht es Schritt für Schritt allein durch. Sie meidet den Kontakt zu Rolands Bruder und geht auch nicht zur Beerdigung. Am Ende hat sie ihre Trauer verarbeitet und fährt befreit nach Hause.
Besonders behutsam an Ich bleibe ist die Erzählweise. Trondheim und Chevillard wälzen keine inneren Monologe und verzichten auf überschwängliche emotionelle Darstellungen. Stattdessen wahren sie respektvoll die Distanz. Fabiennes Schmerz erschliesst sich aus ihren Gesten, wenn sie etwa nachts zusammengezogen im Bett liegt und nicht einschläft. Als sie zuletzt ins Meer eintaucht, deutet ihr Lächeln an, dass sie sich von der ersten Bestürzung gelöst hat.
So konsequent wie ungewöhnlich Fabiennes Weg auch ist, beim Lesen löst er unwillkürlich eine Reaktion aus: Wie handelte ich in dieser Situation? Ich bleibe gibt eine deutliche Antwort: Mein Leben endet nicht, wenn mein Partner, meine Partnerin stirbt. Ich muss mich zwar neu einrichten, aber ich bin noch da! Dabei trägt Fabiennes Verhalten sowohl Züge eines jugendlichen Aufbegehrens gegen gesellschaftliche Konventionen als auch jenes anarchistischen Schalks, der für Trondheim seit seinem frühesten Lapinot-Album typisch ist (Lapinot et les Carottes de Patagonie, 1992 bei L’Association). Streckenweise wirkt Ich bleibe allerdings wie Eskapismus. Schliesslich kann sich im Todesfall niemand so einfach wie in diesem Album seinen Pflichten entziehen. Und doch ist es just dieser Kontrapunkt zur gelebten Wirklichkeit, zusammen mit der sorgsamen Schilderung, die Ich bleibe im Endeffekt lesenswert macht und einen zum Nachdenken über den eigenen Umgang mit Sterben und Tod anregt.
Florian Meyer

Lewis Trondheim, Hubert Chevillard: «Ich bleibe»
Avant Verlag, 128 S.
Hardcover, farbig
CHF 35.90 / EUR 24

Jordan Crane: «Zwei bleiben»

Das Leben, das Universum und Jordan Crane

Ich gebe zu, dass ich Jordan Crane vor fast zwei Jahrzehnten völlig aus den Augen verloren hatte. Er war 1996 auf der legendä­ren SPX (Small Press Expo) in die amerikanische Independent-Comic-Szene gestürmt, ein Enfant terrible, das Exemplare seiner im Selbstverlag erschienenen Anthologie Non verhökerte, die zweifellos zu den schönsten «Kunst-Comics» gehörte, die die Anwesenden je gesehen hatten. (Ein paar Jahre später bestand die fünfte und letzte Ausgabe von Non aus drei einzelnen Büchern, die in einer wunderschönen, aufwändig bedruckten Faltschachtel verpackt waren, in der jedes Buch sein eigenes Plätzchen hatte. Die Verpackung würde sich auch im MoMA Design Shop gut machen.)
Später nahm ich an, dass Crane sich wie viele andere unabhängige Cartoonist*in­nen seiner Generation dem Kinderbuch, der Illustration, dem Grafikdesign oder dem ­Unterrichten zugewandt – oder aber die Branche ganz verlassen hätte. Comics sind schliesslich eine schwierige Geliebte. Doch dann widmete Smoke Signal, eine brillante Boulevard-Comic-Anthologie, die regelmässig vom Desert Island Comic Shop in Brooklyn herausgegeben wird, letztes Jahr ihre 37. Ausgabe voll und ganz Crane und seinen magischen Illustrationen in extrem satten Farben, die fast durch das dicke Zeitungspapier zu sickern scheinen. Normalerweise gebe ich meine Smoke-Signal-Ausgaben an meine College-Bibliothek weiter, aber diese behielt ich, um sie mir immer wieder anzuschauen, weil mir klar wurde, dass Crane einer der talentiertesten Koloristen (in der Terminologie der Kunsttheorie) sein muss, der jemals Comics gemacht hat. 
Glücklicherweise führte mich diese Ausgabe von Smoke Signal zu Cranes neuester Graphic Novel Keeping Two, einem Buch, das schwer zu besprechen ist, ohne zu viel zu verraten. Oberflächlich betrachtet, ist es ein Einblick in das ganz gewöhnliche Leben von Connie und Will, einem normalen jungen Paar, das reist, liest, trinkt, träumt, streitet und daran denkt, eine Familie zu gründen. Doch hinter dieser Geschichte verbergen sich andere Geschichten und mögliche Geschichten, Ereignisse, die nie stattgefunden haben bzw. abgewendet wurden – gewissermassen wie alternative Realitäten, die aus Fiktionen (einem Roman, den Connie und Will lesen), Telefongesprächen, vergangenen Erfahrungen, Träumen, zufälligen Gesprächen und quälenden Ängsten zusammengesetzt sind. Keeping Two ist ein Buch, das einfach scheint, aber sorgfältig gelesen werden muss. Mit einem Ende, das mich an eine Zeile aus Yann Martels Life of Pi erinnerte: «Es ist eine Geschichte, die dich an Gott glauben lässt.» (Oder, wenn man nicht an Gott glaubt, einem zumindest dazu bringt, intensiv darüber nachzudenken.)
Die Zeichnungen in Keeping Two sind ein grossartiges Beispiel dafür, wie eine ernste Geschichte in einem leichten und beinahe karikaturistischen Stil erzählt werden kann (wie es z. B. Dupuy-Berberian, Doucet oder Spiegelman tun). Jede*r wird die fünfseitige Sequenz, in der eine Figur das Geschirr spült, mindestens zweimal lesen, und die letzten paar Dutzend Seiten des Buches sind schlicht eine visuelle Symphonie. Und auch hier zeigt sich erneut Cranes Können als Kolorist. Fantagraphics wird dem Designer Crane gerecht, das Buch ist wunderschön produziert, aussen ein mattfarbiges Hardcover mit abgerundeten Ecken, innen schweres Papier.
Während ich diese Rezension schrieb, erfuhr ich, dass in Keeping Two 20 Jahre Arbeit stecken. Ob das Buch Cranes Opus Magnum ist, bleibt abzuwarten, aber Keeping Two ist ein emotional starkes und virtuoses Comic-Meisterwerk. 
Mark Nevins

Jordan Crane: «Zwei bleiben»
aus dem Englischen von Conny Lösch
Suhrkamp 2022, 320 S.
Hardcover, farbig
CHF 36.90 / 26 Euro

Auf Englisch: Jordan Crane «Keeping Two»
Fantagraphics, 2022

Tom King, Greg Smallwood: «Human Target», Band 1 (Teil 1-6)

Die menschliche Zielscheibe

Gute Autor*innen zeichnen sich dadurch aus, mit einer noch so uninteressanten Nebenfigur eine packende Geschichte erzählen zu können. Ein solcher Autor ist Tom King. Mag sein, dass er – laut gewissen Fans – Batman ruiniert hat, aber der ehemalige CIA-Mitarbeiter hat in den letzten Jahren sowohl für DC als auch Marvel erfolgreiche Bücher mit Randfiguren wie Adam Strange, Mister Miracle oder The Vision veröffentlicht.
Eine weitere solche Figur ist Human Target («die menschliche Zielscheibe»). Sie erschien erstmals 1953 auf den Seiten von Detective Comics, auferstand in den 1970ern und 2000ern, blieb aber meistens im Hintergrund. Der Privatermittler und Bodyguard Christopher Chance stellt sich gegen Bezahlung als Zielschreibe für Attentate zur Verfügung. In der aktuellen Geschichte wird Chance vergiftet, als er sich für Supermans Erzfeind Lex Luthor in die Schusslinie begibt. Zwölf Tage bleiben ihm zu leben, die der hartgesottene Detektiv damit verbringt, seinen letzten Fall zu lösen. Offenbar sind die Täter*innen Mitglieder der berühmten Su­per­­held*innengruppe Justice League und Chance knöpft sich in jedem der zwölf Kapitel eine oder einen davon vor. Nebst viel Alkohol und Faustkämpfen hat es auch Platz für eine Liebesromanze, und Greg Smallwoods sehr ansehnlicher und kontrastreicher Retro-Stil macht aus Human Target einen frühen James Bond und erinnert an die illustrierten Groschenromane der 1950er.
Human Target ist bei DC unter dem Black Label erschienen, wo düsterere Geschichten für ein erwachseneres Publikum publiziert werden. Der Comic ist auch für Neueinsteiger*in­nen interessant, oder für solche, die nicht viel mit Superheld*innen am Hut haben.
Giovanni Peduto

Tom King, Greg Smallwood: «Human Target», Band 1 (Teil 1-6)
Panini Comics, Hamburg 2022, 196 S.
Softcover, farbig
CHF 36.90 / EUR 24

Rachel Smythe: «Lore Olympus»

Göttliche Seifenoper

Friedrich Nietzsche konstatierte mit dem Satz «Gott ist tot» eine Krise in der wertentleerten Gesellschaft seiner Zeit, in der Gott nicht mehr oberster Garant für Werte war. Griechische Götter und Göttinnen waren bestimmt auch zu ihrer Zeit keine Werteträger, vor allem in Rachel Smythes Lore Olympus. Da verhalten sie sich wie schnöde Neureiche und verbringen ihre Tage mit Parties, Shopping, Chatten und natürlich intrigieren. Die Webcomic-Serie der neuseeländischen Autorin Rachel Smythe läuft seit 2018 auf der südkoreanischen Plattform Webtoon. Webtoons bezeichnen in Südkorea Comics, die für die Lektüre auf dem Handy gedacht sind. Lore Olympus ist mit über sechs Millionen Abon­nent*innen und über einer Milliarde Views sehr erfolgreich und hat unter anderem einen Eisner und einen Harvey Award gewonnen. Smythe hat für Lore Olympus die Geschichte über den Raub der Persephone für die heutige Zeit adaptiert. Die Fruchtbarkeitsgöttin Persephone ist ein junges Mädchen, das im Olymp ein Uni-Studium beginnt. Auf einer Party von Zeus zieht sie die Aufmerksamkeit von Hades, Herrscher der Unterwelt, auf sich, der ihre Schönheit mit jener der Aphrodite vergleicht. Die Göttin der Liebe lässt sich die Bemerkung nicht gefallen und beauftragt ihren Sohn Eros, Persephone abzufüllen, damit das Mädchen sich vor Hades blamiere. Doch daraus wird nichts. Hades’ Wertschätzung für die junge Göttin wächst dank der Intrige nur noch mehr und es entsteht eine komplizierte Beziehungsgeschichte. Klingt alles nach Seifenoper, und ist es auch. Webtoon ist unter anderem auf romantische Comics für junge Erwachsene spezialisiert. Das Genre scheint beim jungen Publikum äusserst beliebt zu sein. Lore Olympus liest sich sehr süffig, die zahlreichen mit Situationskomik und Jugendsprache gespickten Dialoge, können mit der Zeit (vielleicht nur die erwachsenen Leser*innen) nerven. Doch Smythes Epos ist nicht nur eine seichte Beziehungsgeschichte wie die romantischen Comics von Marvel der 1960er-Jahre. Wie in der griechischen Vorlage geht es in der modernen Umsetzung um toxische Beziehungen und sexualisierte Gewalt. Smythe verharmlost diese Themen jedoch nicht, wie man vielleicht wegen ihres attraktiven Zeichnungsstils und ihrer sexualisierten weiblichen Pin-Up-Figuren meinen könnte. Die Protagonist*in­nen setzen sich mit diesen Themen auseinander, die weiblichen Figuren emanzipieren sich im Verlauf der bereits über 200 Episoden. Zudem bietet die Plattform den Leser*innen die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und sich darüber auszutauschen. Rachel Smythes Webcomic fördert durchaus die Diskussion über heikle Themen.
Giovanni Peduto

Rachel Smythe: «Lore Olympus»
Auf Englisch kostenlos auf www.webtoon.com und der Webtoon-App.
Die ersten 75 Episoden wurden von Hannah Brosch ins Deutsche übersetzt und erschienen in drei Bänden bei Lyx.
Je CHF 36.90 / EUR 24


Alexander Braun, Tim Eckhorst: «Katzenjammer. The Katzenjammer Kids. Der älteste Comic der Welt»

Katzenjammer Blues

1897 erschufen Rudolph und Gus Dirks den Comic-Strip The Katzenjammer Kids, in Anlehnung an Wilhelm Buschs Max und Moritz. Frisch in die USA eingewandert, hatten die knapp 20jährigen Brüder aus Deutschland im florierenden Zeitungsgeschäft einen durschlagenden Erfolg mit ihren Figuren, die ein deutsch-englisches Kauderwelsch sprachen und in ihrem Umfeld für Chaos und Anarchie sorgten. Derweil sich die Comic-Forschung bisher mit den Katzenjammer Kids und ihren Schöpfern kaum befasst hatte, erhalten sie mit dem nun vorliegenden Katalog eine längst überfällige Würdigung. Mit drei Kilo Gewicht und knapp 500 Seiten eignet sich der Katalog nicht unbedingt als Bettlektüre, lädt aber als Coffee-Table-Buch zum kurzweiligen Betrachten der zahlreichen Fotos und Comicseiten ein, wie auch zum Lesen der Texte. Zusammengestellt und -getragen haben die Materialien Alexander Braun und Tim Eckhorst, die, wie es scheint, den Dirks-Brüdern ein Monument in der Comic-Geschichte errichten wollen. Genauso gewichtig lautet auch der Untertitel des Katalogs über die Katzenjammer Kids, «Der älteste Comic der Welt», und die Autoren versichern eingangs im Text, dass die Dirks-Forschung mit diesem Buch «fast schon einen Abschluss (findet), weil bedeutende neue Erkenntnisse kaum zu erwarten sind.» Zwei steile Thesen. Denn die Diskussion um den «ältesten Comic» ist ermüdend, da ein jedes Land einen nationalen Favoriten hat, von Höhlenmalereien bis zu Yellow Kid. Warum nun Katzenjammer Kids der älteste Comic der Welt sein sollte, wird im Katalog nicht beantwortet, stattdessen beschränkt man sich auf Hinweise darauf, zu welcher Zeit Comic-Kriterien – wie z.B. Sprechblasen – in den Strips auftauchten. Interessanter wäre gewesen, die bestehenden Ur-Comic-Thesen einander gegenüberzustellen und dann zu ergründen, wodurch sich die Katzenjammer Kids davon abheben. Stattdessen verlieren sich die Autoren auf den ersten 100 Seiten in allzu bildhaften Formulierungen der Auswandererschicksale, wie z.B.: «Ein scharfer Wind rötete Johannes Dirks‘ Wangen, als er an diesem Morgen mit seiner Frau und einem seiner Söhne am Gleis des Bahnhofs von Heide stand.» Sicherlich haben Braun und Eckhorst mit dieser Publikation ein Standardwerk über die Katzenjammer Kids geschaffen. Doch die eigentliche Forschung könnte aufgrund dieses umfangreichen Quellenmaterials erst richtig in Fahrt kommen, weswegen man nicht von einem Abschluss, sondern von einem Beginn sprechen sollte. 
Matthias Schneider

Alexander Braun, Tim Eckhorst: «Katzenjammer. The Katzenjammer Kids. Der älteste Comic der Welt»
Avant-Verlag, 472 S.
Hardcover, farbig
CHF 74.90 / EUR 59

Walter Trier: «Nazi-Deutsch in 22 Lektionen. Nazi-German in 22 Lessons»

Walter Trier und die Nazis

Seine Bilder sind allgemein bekannt, sein Name weniger, sein Gesamtwerk fast gar nicht. Seine Buchumschläge kann man als Ikonen der Kinderbuchillustration bezeichnen, insbesondere seine Arbeiten für die Werke Erich Kästners. Bücher wie Emil und die Detektive und Pünktchen und Anton haben sich nicht zuletzt aufgrund der Zeichnungen und der bildstarken und zugleich minimalistischen Umschlagszeichnungen bei den Le­ser*innen eingeprägt. Die Rede ist von Walter Trier, dessen Leben und Werk die Berliner Favoritenpresse in drei bemerkenswerten und längst überfälligen Publikationen und einem bewegenden Nachdruck würdigt. 1890 in Prag geboren, studierte Trier in jungen Jahren in München an der Kunstakademie und ging 1910 nach Berlin, um als Illustrator zu arbeiten. Trier veröffentlichte im Simplicissimus, gestaltete erste Buchcovers und Reklamebilder und wurde Teil der Berliner Kunst- und Kulturszene um Kurt Tucholsky, George Grosz und Erich Kästner. Er war Mitglied der Berliner Secession und zur Eröffnung des Kabaretts Schall und Rauch wurde sein Karikaturenfilm Ein Tag des Reichspräsidenten gezeigt. Denn Trier war auch politisch aktiv und Pinsel und Feder wurden seine Waffe gegen den Nationalsozialismus. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung musste Trier 1936 fliehen; in London fasste er schnell Fuss, die Engländer*innen liebten seinen Zeichenstil und seinen Humor. Berühmt wurde Triers Arbeit für das englische Magazin Lilliput, für das er über 12 Jahre lang die Cover zeichnete, immer mit derselben Figurenkonstellation, einem Mann, einer Frau und ihrem Hund, in den unterschiedlichsten Situationen. 1942 gestaltete er im Auftrag des britischen Informationsministeriums eine satirische Flugschrift mit dem Titel Nazi-German in 22 Lessons, die nun erstmals wiederveröffentlicht vorliegt. Das Flugblatt wurde über dem besetzten Europa abgeworfen, und in den satirischen Zeichnungen und Texten über Hitler und seine Gefolgsleute sahen die Nazis eine solche Gefahr, dass sie den Besitz dieser Schriften mit dem Tode bestraften, denn die Flugschrift bot jenen, die in im gleichgeschalteten Deutschland lebten, eine andere Lesart von Nazi-Begriffen und -Propaganda. Gerade im Zeitalter von Fake-News und Kriegspropaganda erhält diese Wiederveröffentlichung einen extrem aktuellen Bezug. Politische Karikatur, Malerei, Werbegrafik, Bühnenbildgestaltung, Kinderbuchillustration und Zeichentrick, kaum ein anderer Illustrator war derart vielfältig tätig und zog gleichzeitig aus all diesen Tätigkeiten seine Inspirationen. Trier war ein begnadeter Zeichner, was man allein an seiner Linienführung erkennen kann. Vergleicht man ihn mit dem Zeichner, der den Begriff Ligne claire geprägt hat, fällt ein krasser Unterschied auf. Während Hergé am Ende aus unzähligen Skizzenlinien seine finalen Zeichnungen generierte, zeichnete Trier frei Hand in einem Fluss. Hergés Tim und Struppi wirken in ihren Bewegungen wie eingefroren, während Triers Figuren noch mitten in der Bewegung sind. Es lohnt sich in Triers Bilderwelt einzutauchen und sie in all ihrer Vielfalt und Lebendigkeit zu entdecken.
Matthias Schneider

Walter Trier: «Nazi-Deutsch in 22 Lektionen. Nazi-German in 22 Lessons»
Favoritenpresse, 80 S.
Hardcover, farbig
CHF 19.90 / EUR 14

Antje M. Warthorst: «Die Bilderwelt des Walter Trier»
Favoritenpresse, 224 S.
Hardcover, farbig
CHF 53.90 / EUR 38

Antje M. Warthorst: «Walter Trier. Die Biografie. Eine Bilderbuch-Karriere»
Favoritenpresse, 354 S.
Hardcover, farbig
CHF 37.90 / EUR 25

Kurz und Gut

von Christian Meyer Pröpstl

Die junge, alleinerziehende Maja nennt sich M.o.M. – Mother of Madness. Nach dem Tod der Adoptiveltern landet sie im Trailerpark, bekommt mit 19 einen Sohn und erkennt, dass ihre Periode bzw. die damit einhergehenden hormonellen Veränderungen nicht zu Scham, sondern zu Superkräften führen. Die braucht sie auch, um gegen eine Sekte von Menschenhändlern zu kämpfen … und als Feministin gegen den Machismo in der Gesellschaft. Emilia Clarke, bekannt als Darstellerin der Daenerys Targaryen in Game of Thrones, hat zusammen mit der Autorin Marguerite Bennett (Batwoman) M.o.M. geschrieben, quietschbunt gezeichnet hat den chaotischen, überbordenden, poppigen Superheldinnen-Comic Leila Leiz.

Emilia Clarke / Marguerite Bennet / Leila Leiz: «M.o.M. – Mother of Madness»
Carlsen, 160 S.
Hardcover, farbig
CHF 34.90 / EUR 23

Ganz klassisch im dezenten Ligne-claire-­Stil Hergès hat Erik Varekamp Ich werde Präsident, den ersten Band der Trilogie Die Akte Kennedy gezeichnet. Das passt auch zeitlich zu der Familienbiografie, die die Kennedys von den 1930er- bis in die 1960er-Jahre – Hergés produktivste Jahre – ins Visier nimmt und die der Autor Mick Peet mittels Übertreibung und leichten Verkürzungen in ein nicht immer ganz schmeichelhaftes Licht rückt. Dass Joseph P. Kennedy, Vater des zukünftigen Präsidenten John F., den Nazis gegenüber gar nicht so abgeneigt war, zeigt das Originalcover mit Hakenkreuzen, die in der deutschen Ausgabe allerdings eliminiert wurden.

Mick Peet / Erik Varekamp: «Die Akte Kennedy: Ich werde Präsident»
Carlsen, 176 S.
Hardcover, farbig
CHR 37.90 / EUR 24






1976, in Ansätzen eigentlich sogar schon 1974, hat Jacques Tardi seine Serie Adeles ungewöhnliche Abenteuer gestartet. Es erschienen bis Mitte der 80er-Jahre sieben Bände, in den 90er-Jahren folgten zwei weitere und 2007 erschien ein zehnter Band mit offenem Ende. 15 Jahre später kommt nun endlich der Abschluss der Reihe um die resolute Autorin Adele, die sich widerwillig mit allen möglichen Gaunern und Monstern herumschlagen muss. Die Handlung von Das Baby im Park Buttes-Chaumont in Worte zu fassen erscheint indes fast unmöglich, bei all dem Irrsinn, der sich hier im Jahr 1923 ereignet. Vielleicht gar kein Zufall, dass der letzte Band genau jetzt erscheint, 100 Jahre nach der Handlungszeit. Alle Adele Blanc-Sec-Geschichten sind ausserdem gerade in drei Sammelbänden im Verlag Schreiber & Leser erschienen. Auch bei Der lachende Vampir von Suehiro Maruo hat es etwas gedauert; der erste Band erschien 1998 in Japan und 2003 in Deutschland, der zweite 2004 in Japan, auf Deutsch allerdings bislang nicht. Erst mit der Neuauflage von Band 1 kommen nun, 20 Jahre später, die deutschsprachigen Leser*innen in den Genuss der ganzen Geschichte. Wobei Genuss in Anführungszeichen stehen sollte, da die Geister-Vampir-Gewürm-Splatter-Sex-Orgie auf dieser Ebene alles Bisherige in den Schatten stellt, z.B. wenn eine Dämonin einen Mittelschüler zum Vampir macht, der eine Mitschülerin infiziert und die dann gemeinsam auf Rachefeldzug gehen. Vielleicht die japanische Teenage-Angst-Version von Charles Burns Black Hole?

Jacques Tardi: «Adeles ungewöhnliche Abenteuer: Das Baby im Park Buttes-Chaumont». Schreiber & Leser, 60 S.
Hardcover, farbig
CHF 31.90 / EUR 19,80

Suehiro Maruo: «Der lachende Vampir 2»
Reprodukt, 192 S.
Softcover, s/w,
CHF 36.90 / EUR 24

Étienne Davodeau geht es in Das Recht der Erde trotz brisantem Thema recht gelassen an. Nicht nur als Comic-Zeichner fasziniert von den Höhlenmalereien in Pech Merle, wandert Davodeau quer durch Frankreich bis nach Bure. Denn dort wird gerade ein Endlager für radioaktiven Müll gebaut. Davodeau lässt die Frage nicht los: Wie kann dieselbe Spezies uns solch tolle Kunst hinterlassen und nun den folgenden Generationen so etwas Heikles wie Radioaktivität? Davodeau flicht in seine Wanderung dramaturgisch raffiniert Interviews mit vielen Expert*innen zum Thema ein.

Étienne Davodeau: «Das Recht der Erde»
Carlsen, 216 S.
Hardcover, s/w,
CHF 39.90 / EUR 27

Zwei Filmthemen: Der Autor Arnaud Delalande und der Zeichner Éric Liberge (Unter Knochen) erzählen, wie Fritz Lang zum Film kommt, die Autorin Thea von Harbou lieben lernt und mit ihr seine grossen Erfolge der 1920er-Jahre wie Dr. Mabuse, Die Nibelungen, Metropolis, M und andere realisiert. Zeitgleich hat Hitler zunehmend Einfluss mit der NSDAP, zu der sich Langs Frau hingezogen fühlt. In aufwändigen, realistischen, teils auch expressiv-surrealen Zeichnungen erzählt der Band in einer Parallelmontage von den 15 Jahren der Weimarer Republik und dem Spannungsfeld zwischen Langs künstlerischem und Hitlers politischem Aufstieg.
Das Konzept der Ghibliothek von Michael Leader und Jake Cunningham ist schnell erklärt: Chronologisch werden alle 24 Langfilme des bahnbrechenden japanischen Animationsstudios Ghibli, 1985 nach dem Erfolg des Mitbegründers Hayao Miyazaki mit „Nausicaä“ gegründet, beleuchtet – jeweils der Entstehungsprozess und die Gestaltung – und anschliessend kritisch analysiert. Der 200-seitige Band ist ausserdem reichlich bebildert und sicher ein Fest für alle Animé-, Ghibli-und Miyazaki-Fans

Éric Liberge / Arnaud Delalande: «Fritz Lang – Die Comicbiografie»
Knesebeck, 112 S.
Hardcover, farbig
CHF 37.90 / EUR 25

Michael Leader / Jake Cunningham: «Ghibliothek – Der inofizielle Guide zu den Filmen von Studio Ghibli»
Panini, 192 S.
Hardcover, farbig
CHF 44.90 / EUR 30






Der Kanadier Michel Rabagliati hat je nach Zählweise ca. acht Graphic Novels mit mehr oder weniger autobiografischem Hintergrund gezeichnet. Der Protagonist heisst allerdings nicht Michel, sondern Paul. Vor vielen Jahren hat der Wuppertaler Verlag Edition 52 Pauls Ferienjob veröffentlicht. Bis jetzt war es leider der einzige Paul-Band, der auf Deutsch in Druck ging. Dabei erzählt Rabagliati, der als Grafikdesigner und Illustrator arbeitet und erst mit 40 Jahren zum Comic kam, nicht nur stilsicher, sondern auch sehr emotional. Vor allem in dem neuen Band Paul zu Hause, der den Protagonisten mit seiner Scheidung, dem Tod seiner Mutter und dem Umzug seiner Tochter konfrontiert, geht einem die Geschichte, die Rabagliati mit wahnwitzigen Einschüben von Arztbesuchen und Attacken des Nachbars sowie selbstironischem Humor gegenüber seinem neurotischen Protagonisten würzt, sehr zu Herzen. Auch Lewis Trondheim erzählt – wenn auch nicht autobiografisch – in seiner langjährigen Serie Herr Hase von den Nöten des Erwachsenseins zwischen Beruf, Freunden und Liebschaften. Der neue Band Schluss mit Lustig ist nach einigen Genre-Stories wieder bestes Dialog-Kino – klug, unterhaltsam, lustig, schnell und sogar topaktuell mit ein wenig Klimaterrorismus.

Michel Rabagliati: «Paul zu Hause»
Edition 52, 208 S.
Softcover, s/w
CHF 37.90 / EUR 25

Lewis Trondheim: «Die neuen Abenteuer von Herrn Hase 7: Schluss mit Lustig»
Reprodukt, 48 S.
Softcover, farbig
CHF 19.90 / EUR 13

Eva Müllers Scheiblettenkind ist als Autofiktion der Kindheit und Jugend der Autorin angelegt, die geprägt war vom Klassismus: Hier die Freunde und Freundinnen mit Geld, dort sie als Arbeiterkind in latenter Armut, aus der sie sich langsam mit ihrem kreativen Talent, das ihrer Familie wiederum nichts bedeutet, befreit. In einfachen Bleistiftzeichnungen entführt uns Eva Müller in eine schwere, schambesetzte und traumatisierende Biografie, die sie trotz aller Abnabelung und anerkannter Leistung bis heute auch als Künstlerin mit akademischer Ausbildung prägt.

Eva Müller: «Scheiblettenkind»
Suhrkamp, 279 S.
Softcover, s/w,
CHF 36.90 / EUR 28

 
 

Biografien

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Harsho Mohan Chattoraj
ist Graphic-Novel-Autor und Illustrator und lebt in Kolkata, Indien. Er zeichnet seit 20 Jahren Comics – eigene Projekte, aber auch Auftragswerke für Kund*innen in Europa, Australien und den USA. Zu seinen kürzlich veröffentlichten Büchern gehören Ghosts of Kingdoms Past, Chakrapurer Chakkare, Operation Decay, Kolkata Kaleidoscope, Hyderabad Graphic Novel und Destiny Awakes. Seit er mit fünf Jahren sein erstes Asterix-Album bekommen hatte, ist er Fan von Comics. Werke von ihm erschienen auch schon in STRAPAZIN Nr. 112, Nr. 115, Nr. 122 und Nr. 127.
facebook/harsho
@harsho_chattoraj
 
 
Sumit Surai
lebt in Kolkata, Indien, und arbeitet als Schriftsteller und Fotograf. Er bezeichnet sich als grossen Liebhaber des kulturellen Erbes Indiens. Seine bevorzugten Themen, über die er für verschiedene bengalische Zeitschriften und Anthologien schreibt, sind Geschichte, Reisen und Essen. In den letzten zehn Jahren hat er aktiv zu ­Wikimedia Commons beigetragen und Foto­dokumentationen mehrerer indischer Kulturstätten verfasst. Seine Bilder wurden in Grossbritannien und Indien mehrfach ausgezeichnet.
sumitsurai.com
@sumitsurai
 
 
Sourav Dutta
hat in den letzten 25 Jahren für einige der führenden indischen Verlags- und Medienhäuser gearbeitet, zuletzt war er Chefredakteur bei Campfire Graphic Novels, einem in Delhi ansässigen Verlag für Comics und Graphic Novels, die sowohl in Indien als auch im Ausland Anerkennung gefunden haben.
facebook/sourav.dutta.505960
 
 
Zhenya Oliinyk
geboren in Kiew, ist Illustratorin und Karikaturistin. Sie erwarb ihren Bachelor-Abschluss am Kiewer Institut für Journalismus und ihren MA in Kulturwissenschaften an der Nationalen Universität Kiew-­Mohyla-Akademie (NaUKMA). Ihre Diplomarbeit war eine fotografische Beschreibung der russischen Invasion der Ostukraine. Zhenya arbeitete über fünf Jahre lang als Journalistin, politische Karikaturistin und Kulturkritikerin. Gleichzeitig studierte sie Illustration an der Projector School of Design in Kiew. Seit 2018 arbeitet sie als freiberufliche Illustratorin. Ihre häufigsten Themen sind Menschenrechte, Gleichberechtigung, Fe­minismus, Geschichte, Traumata, psychische Gesundheit und andere aktuelle soziale Fragen. Eine Geschichte von ihr erschien in STRAPAZIN Nr. 148.
zhenyaoliinyk.com
@evilpinkpics
 
 
Zhang Xun
*1978, Dozent an der Nanjing Art University, Mitarbeiter beim ­Special Comix-Magazin.
@zhangxunbox
facebook/zhangxunbox
 
 
Lukas Fuchs
ist Illustrator, Comic-Zeichner, Sänger und Songwriter, zudem ist er Teilzeit-Zimmermann. Den März 2023 verbrachte er in den USA, um am neuen Album seiner Band Prince Jelleh zu arbeiten. In dieser Zeit wohnte er bei Freund*innen, die gerade ihr Haus umbauen. Er war immer wieder überrascht, wie sehr sich handwerkliches Arbeiten in den USA von Schweizer Standards unterscheidet. Für den hier abgedruckten Comic begleitete er einen Handwerker, der beruflich Garden sheds (Gartenschuppen) verschiebt.
lukasfuchs.ch
@lukasfuchs
 
 
Nacha Vollenweider
*1983 in Río Cuarto, Argentinien, hat einen Abschluss in Malerei an der Universität von Córdoba bzw. in Kunst mit Schwerpunkt Illustration und Design an der HAW Hamburg. Im Jahr 2013 erhielt sie ein Stipendium für Künstler*innen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). 2017 veröffentlichte sie ihre Graphic Novel Fussnoten (Avant-Verlag), Notas al Pie (Maten al Mensajero, 2018) und Notes de bas de page (Editions Ilatina, 2019). Sie war Finalistin im deutschen Graphic-Novel-Wettbewerb der Berthold Leibinger Stiftung (2016 und 2020). 2021 stellte sie in der Gruppenausstellung Acciones, sistemas y afectos und Surfiando en Lava-Cuna im Emilio Caraffa Museum aus und nahm mit ihrem Werk Islamiento an der National Drawing Biennial im Franklin Rawson Museum in San Juan, Argentinien, teil. 2022 stellte sie dort ihr Werk divagues.typo.gráficos aus und veröffentlichte ihre neue Graphic Novel Zurück in die Heimat im avant-verlag. Comics von ihr erschienen auch in STRAPAZIN Nr. 138, 139 und 145.
www.nacha-vollenweider.de
@nacha_vollenweider
 
 
Philip Schaufelberger
ist freischaffender Illustrator in Bern. Er illustriert für verschiedene Medien Editorials und zeichnet nebenbei an seinen grafischen Sequenzen, aus denen dereinst grafische Novellen entstehen sollen. Arbeiten von ihm wurden in Strapazin Nr. 124 und Nr. 134 veröffentlicht.
schaufelberger-illustration.ch
@das_lip
 
 
Akshay Sethi
lebt in Neu-Delhi, er untersucht in seinen Arbeiten die komplexe Beziehung zwischen dem Persönlichen und dem Politischen auf eine Art, die sich auf das «Gewöhnliche» konzentriert. In seinen Zeichnungen, Zines, Comics und Installationen erforscht er das riesige Reservoir an normalerweise unbemerkten, trivialen, sich wiederholenden Handlungen, an ereignislosen und übersehenen Aspekten des Alltags. Er hat einen Abschluss in Malerei am College of Art in Neu-Delhi. Ausstellungen am Serendipity Art Festival, Goa, 2019; 1Shanthiroad, Bangalore, und Clark House Initiative, Mumbai. Seine Zeichnungen wurden u.a. in awham magazine, Berlin, Reliable Copy, Blue Jackal und in Strapazin Nr. 127 veröffentlicht.
@akshay_sethi92
 
 
Mai Koraiem
*1980 in Alexandria, Ägypten. Nach ihrem Studium der Malerei begann sie 2013, Comics zu zeichnen und veröffentlichte 2015 ihre erste Graphic Novel mit dem Titel When the Gods Gave Up on Kavafis, die am Cairo Comix Festival ausgezeichnet wurde, ebenso wie 2017 ihre Kurzgeschichte. 2018 konnte sie ein Kinderbuch und ein Lehrbuch beim Aphorisma Verlag in Berlin publizieren, 2020 erschien eine zweite Graphic Novel mit dem Titel Case 43 Labban, mit dem sie den Kahil Award für die beste Graphic Novel im Nahen Osten gewann. Letztes Jahr zeichnete sie die Comics West Bank und The City’s Key.
@mai_koraiem
facebook/mai.koraiem.58
 
 
Rajiv Eipe
*1983 in Trivandrum, Kerala, Indien. Er wuchs in Chennai und Mumbai auf, wo er seine Schulausbildung absolvierte. Anschliessend studierte er Malerei an der JJ School of Art in Mumbai und anschliessend Animation und Filmdesign am National Institute of Design in Ahmedabad. Seine Familie förderte seine künstlerische Begabung, was ihm den Weg zum Illustrator ebnete. Rajivs erste Veröffentlichung war Dinosaur Long as 127 Kids, 2010. Neben seiner Tätigkeit als Illustrator betreibt Rajiv zusammen mit zwei Freunden ein kleines Animationsstudio namens Plankton Collective in Bangalore. Er verbringt gerne viel Zeit zu Hause mit seiner Frau und all den Tieren, die sie mitbringt, zurzeit drei Katzen und ein Hund. In seiner Freizeit geht er Vögel beobachten oder liest, z.B. Michael Ondaatje, Graham Greene, Margaret Atwood und Amitav Ghosh. Rajiv Eipe lebt in Bengaluru und arbeitet an Animations- und Illustrationsprojekten. Er kritzelt gerne in sein Skizzenbuch, trinkt mehr Kaffee als gut für ihn ist, pflegt einen unaufgeräumten Arbeitsbereich und starrt in kurzen Abständen ins Leere. Der hier abgedruckte Comic von Rajiv Eipe und Nathaniel da Costa erschien im Januar 2023 im indischen Magazin Comixense Vol. 2, No. 4.
www.comixense.com
 
 
Nathaniel da Costa
wuchs in einem Dorf in Goa, Indien, auf und lässt sich stark von alten Volksgeschichten, der Natur, Mythologie und Fantasie inspirieren. Er schreibt Kurzcomics und Belletristik, und seine Geschichten wurden in mehreren Ausgaben von Comixense und Outside / In, einer Anthologie mit Geschichten von Schriftstellern aus Goa, veröffentlicht. Nathaniel da Costa jongliert momentan seine Zeit zwischen Fussball­training, dem Betrieb einer Bar und dem Versuch, Schlaf zu finden. Nebenbei sammelt er Comics, Flusskiesel und schlechte Ideen. 
@athan.da.costa
facebook/nathan.dcosta