UMSTURZ

Dezember 5, 2025 | | No Comments

CHF 20.00

COMICS:
Marlena Synchyshyn
Līva Kandevica
Varya Yakovleva
Daniel Lima
Roope Eronen
Jules Spinatsch
Tim Iso Wey
Katharina Kulenkampff
Lukas Verstraete
Zsófia Rumi
Alex Treskman
Open Call: Roman Klug
TEXTE:
Joakim Drescher
Alice Britschgi
Lorik Visoka
David Jäger
Sandra Künzi
Tabea Steiner
Paul Poser
Patrick Spät
Anatole Fleck


Beschreibung

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EDITORIAL

Als wir uns Anfang März 2025 zum ersten Mal trafen, um über mögliche Themen dieses Heftes zu sprechen, war – nebst Kriegen und diversen
anderen Grotesken und Ungeheuerlichkeiten – die zweite Amtszeit von DJT gerade etwa ein Monat alt und er hatte so richtig losgelegt. Und was war die Reaktion von Geldadel und Politik? Sie schienen es hinzunehmen oder waren gerade dabei, ihm so tief in den Arsch zu kriechen, dass er sie wieder ausspeien konnte.
Anstatt uns unsere Ideen zum Heft zu erzählen, versuchten wir, un­sere Ohnmacht, unsere Wut und unsere Gefühle der Machtlosigkeit zu sortieren:
Wie gehen wir damit um? Sollen wir uns unserer Trauer, unserer Angst hingeben? Gelangen wir damit in eine Abwärtsspirale, aus der wir keinen Ausweg mehr finden? Wie können wir die Form wahren? Ist Positivität angesichts der Weltlage nicht extrem naiv, dumm, gefährlich? Und falls nicht, woher nehmen wir sie? Was können wir mit der Wut anstellen, die uns beinahe erstickt? Gegen wen sollen wir sie richten?
Wir fanden an diesem Nachmittag keine Antworten, aber das Artikulieren unserer Fassungslosigkeit war ein Anfang, und so verabschiedeten wir uns, nachdem wir uns auf den Arbeitstitel «Rage Against the Machine» geeinigt hatten, mit dem Vorsatz, zu recherchieren, wie konstruktive Wut aussehen könnte.
Bei der Recherche stiessen wir unter anderem auf die Forschung des Stanford-Neurowissenschaftlers Dr. Robert Sapolsky. Er zeigt in seiner Forschung, dass Testosteron keine Aggression erzeugt, sondern bereits vorhandene soziale Muster verstärkt. In einem Umfeld, in dem Freundlichkeit belohnt wird, fördert Testosteron Grosszügigkeit, aber in einem Umfeld, in dem Dominanz glorifiziert wird, verstärkt es Aggressionen. Daraus folgt die Erkenntnis, dass unsere sozialen Werte problematisch sind, da sie Aggression mit Status und sozialem Aufstieg belohnen.
Das sollte – ausser Sozialdarwinisten – Menschen mit verschiedensten politischen Haltungen stutzig machen. Wir jedenfalls hatten gefunden, was uns eigentlich eh schon klar war: Der Kapitalismus mit seiner Aggressionsverherrlichung ist ein Scheissdreck! Er muss weg.
Trotz Skrupeln – genährt durch Anständigkeit, Zweifel über die Richtigkeit unserer Schlussfolgerungen und durch das Paradox, ein aggressives System mit Aggression bekämpfen zu wollen – schrieben wir einen flammenden Text,1 mit dem wir Autor*innen anfragten, ob sie bei diesem Heft mitmachen möchten.
Was zurückkam, hat uns verblüfft und vor allem berührt.
Schmerz, Angst und Wut mit Aggression zu begegnen, scheint nicht die Stärke unseres Umfelds zu sein. Spoiler alert: Die Welt wird ziemlich sicher nicht durch uns in Brand gesetzt werden. Aber die Erkenntnis, von Menschen umgeben zu sein, die selbst in ihrer Wut mit Humor und Zärtlichkeit agieren, ist wirklich schön und spendet Trost. Wenn der Umsturz kommt, sind wir vielleicht tatsächlich in der Lage, ein System einzuführen, in dem Güte, Liebe und Grosszügigkeit mehr Platz finden.

Die Revolution ist tot. Lang lebe die Revolution!

Wir bedanken uns herzlich bei allen Beteiligten und wünschen euch eine gute Lektüre.

Nando & Claudio