MIXTAPE
CHF 15.00
Frank Schmolke
Lea Gross
Fabio Viscogliosi
Xenia Landolf
Janne Marie Dauer
Tommi Parrish
Christina Baeriswyl
Wyclef Jean
Amythyst Kiah
Sarah Böttcher & Lina Ehrentraut
Jan Bachmann
Luca Schenardi
Simone Baumann
Beschreibung
No:157
FRANK SCHMOLKE
Talk Talk «I Believe in You»
LEA GROSS
Gojira «Magma»
FABIO VISCOGLIOSI
The Beatles «I’m Only Sleeping»
XENIA LANDOLF
Lab’s Cloud «A Bright Sunrise»
JANNE MARIE DAUER
Meyer, Meier & Maier «Zwei Strassen weiter»
TOMMI PARRISH
ASMR «The Sounds of Living»
CHRISTINA BAERISWYL
Nirvana «The Man Who Sold the World»
WYCLEF JEAN
«Wish You Were Here»
AMYTHYST KIAH
«Love Will Tear Us Apart»
SARAH BÖTTCHER & LINA EHRENTRAUT
Nelly Furtado «Maneater»
JAN BACHMANN
Jimmy Smith «For Everyone Under the Sun»
LUCA SCHENARDI
The Beatles «Lucy in the Sky with Diamonds»
SIMONE BAUMANN
The Verve «Bitter Sweet Symphony»
–
EDITORIAL
Menschliches Tun – vom selbst angebauten Garten bis zum Design der Nippel auf Joel Schumachers Batman-Anzügen – basiert auf der Fähigkeit, Wahrgenommenes zu verarbeiten, zu transformieren und als eine Art von Amalgam wiederzugeben. Diese «Produkte» nehmen wir wiederum wahr und manche regen uns an. Diese Inputs miteinbeziehend, spucken wir dann wieder etwas Neues aus …
und so weiter und so fort. Wir alle haben also unsere Inspirationen und Einflüsse, die in unserem Tun (manchmal mehr, manchmal weniger offensichtlich) auffindbar sind.
Eine Form, die diesen Aspekt transparent macht, ist die Adaption. Sie scheut sich nicht vor der Tatsache, dass sie sich von schon Existierendem inspirieren lässt, sondern streicht dies heraus. Für uns macht das die Adaption spannend, denn wir als Betrachter*innen können vergleichen und werden somit in den Prozess einbezogen. Dieses Heft will versuchen, einen Scheinwerfer auf diese Art von Interaktion zu richten.
Den Ausgangspunkt bilden Songs: Wir haben die hier versammelten Autor*innen gebeten, sich ein Musikstück auszusuchen und dieses auf irgendeine Art in narrative Zeichnungen zu übersetzen.
Im Vergleich zu Wort und Bild scheint Musik weniger klar. Bei einer Geschichte folgt der Ausdruck einer Syntax oder Semiotik, die einen Ablauf von Geschehnissen produzieren. Musik erzeugt ein abstraktes Gebilde aus Klang und Rhythmus. Das macht das Interpretieren des Werkes offener. Was hier entsteht, kann oft nicht aus dem Ablauf der Geschichte oder den Handlungen der CharakÂtere herausgelesen werden, sondern muss intuitiv aus den vom Lied ausgelösten Emotionen und den Bildern im Kopf gezogen werden. Beide Kunstformen nehmen uns mit auf Reisen, doch während Geschichten häufig mit Figuren als Vermittler*innen arbeiten, führt uns Musik direkter zu einer Introspektion.
Vergleichen wir nun beide Quellen – Track und Adaption –, stellen wir uns unweigerlich die Frage: Worin stimme ich mit der Adaption überein und was lese ich anders in den Song hinein? Die InterfeÂrenz bzw. Dissonanz zwischen Dar- und Vorgestelltem eröffnet uns neue Räume in Bezug zum Song, und umgekehrt natürlich auch zur Geschichte.
Wir freuen uns berichten zu können, dass wir immer wieder über-rascht wurden. Viel Spass beim Lesen und Hören unseres Mixtapes!
Manuel Baer & Claudio Barandun
PLAYLIST:
Talk Talk / I Believe in You
Komponist*innen: Mark Hollis, Tim Friese-Greene
Produzent*innen: Tim Friese-Greene
Länge: 6:15 (Albumversion), 3:40 (Singleversion)
Album: Spirit of Eden
Veröffentlichung: 1988
Label: Parlophone, EMI Records
—
Gojira / Magma
Komponist*innen: GOJIRA, Joseph Duplantier, Mario Duplantier
Produzent*innen: Joe Duplantier
Länge: 6:42
Album: Magma
Veröffentlichung: 2016
Label: Roadrunner Records
—
The Beatles / I’m Only Sleeping
Komponist*innen: John Lennon, Paul McCartney
Produzent*innen: George Martin
Länge: 3:00
Album: Revolver
Veröffentlichung: 1966
Label: Parlophone, Capitol, EMI Records, Universal Music Group
—
Lab’s Cloud / A Bright Sunrise
Komponist*innen: Raul Jordan
Produzent*innen: —
Länge: 8:01
Album: —
Veröffentlichung: 2016
Label: BMSS Records
—
Meyer, Meier & Maier / Zwei Strassen weiter
Komponist*innen: PD Dauer
Produzent*innen: Tom Ruhstorfer
Länge: 4:14
Album: —
Veröffentlichung: 1989
Label: —
—
ASMR / The Sounds of Living
Komponist*innen: —
Produzent*innen: —
Länge: —
Album: —
Veröffentlichung: —
Label: —
—
Nirvana / The Man Who Sold the World
Komponist*innen: David Bowie
Produzent*innen: Nirvana, Scott Litt
Länge: 4:21
Album: MTV Unplugged in New York
Veröffentlichung: 1994
Label: DGC
—
Wyclef Jean / Wish You Were Here
Komponist*innen: David Gilmour, Roger Waters
Produzent*innen: Wyclef Jean, Jerry «Wonda», Duplessis
Länge: 4:06
Album: The Ecleftic: 2 Sides II a Book
Veröffentlichung: 2000
Label: Columbia
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Amythyst Kiah / Love Will Tear Us Apart
Komponist*innen: Bernard Sumner, Ian Curtis, Peter Hook, Stephen Morris
Produzent*innen: Amythyst Kiah
Länge: 2:48
Album: Sugar
Veröffentlichung: 2022
Label: Rounder
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Nelly Furtado / Maneater
Komponist*innen: Nelly Furtado, Nate Hills, Tim Mosley, J. D. Washington
Produzent*innen: Timbaland, Danja
Länge: 4:18
Album: Loose
Veröffentlichung: 2006
Label: Geffen Records
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Jimmy Smith / For Everyone Under the Sun
Komponist*innen: Peter Chase
Produzent*innen: Eric Miller
Länge: 3:01
Album: Root Down
Veröffentlichung: 1972
Label: Verve
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The Beatles / Lucy in the Sky with Diamonds
Komponist*innen: John Lennon, Paul McCartney
Produzent*innen: George Martin
Länge: 3:28
Album: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band
Veröffentlichung: 1967
Label: Parlophone, Capitol, EMI Records, Universal Music Group
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The Verve / Bitter Sweet Symphony
Komponist*innen: Richard Ashcroft
Produzent*innen: Chris Potter, Martin «Youth» Glover
Länge: 5:57
Album: Urban Hymns
Veröffentlichung: 1997
Label: Hut Records, Virgin
—
ALL SONGS ON:
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DAS GESCHRIEBENE WORT
VON WOLFGANG BORTLIK
Wenn man Songtexte verfasst, dann ist man schon mal Dichter*in, das ist klar. Be-Bop-A-Lula von Gene Vincent oder Pappa-Oo-Mao-Mao von Mick Farren sind Lyrik. Und hat nicht Bob Dylan für seine Songtexte 2016 den Literatur-Nobelpreis für «poetische Neuschöpfungen in der grossen amerikanischen Songtradition» bekommen?
Dylan hat schon einmal das Medium gewechselt, wenig bekannt ist sein Roman Tarantula, den er 1966 geschrieben hat und der im Prinzip ein einziges langes Gedicht voller Anspielungen und Bilder ist, sperrig zu lesen, aber eine Art Bergwerk von Ideen für Songtexte. Für Tarantula hat Dylan den Nobelpreis nicht bekommen. Dafür hat er später sein Leben aufgeschrieben. 2004 erschien Chronicles. Volume One, seine Autobiografie. Aufs Volume Zwei warten wir noch.
Die Nobelpreisfeier 2016 konnte der Maestro selbstverständlich nicht mit seiner Anwesenheit beehren, weil er auf seiner Never Ending Tour unterwegs war. So war Patti Smith auserkoren, eines von Dylans Gedichten, A Hard Rain’s A-Gonna Fall, vorzusingen. Sie musste den Song jedoch unterbrechen, weil sie so nervös war, dass sie den Text vergass. Das erinnerte mich an einen Rockpalast-Auftritt von ihr, Mitte 1970er-Jahre, wo sie so zugedröhnt war, dass sie gleich alles vergass. Eine Sternstunde der angewandten Poesie!
Patti Smith ist ein gutes Beispiel dafür, immer beim Schreiben zu bleiben und ab und zu Musik zu machen. Sie wollte immer eine Dichterin sein, was ihr auch glänzend gelungen ist.
Aber gleichzeitig hatte sie so eine verdammt gute Stimme. Und im Vorflimmern des Punkrock begann sie Musik zu machen: «Vielmehr stürmt sie kühn und entflammt die testosterondurchsetzte Bastion des Rock’n’Roll und zerschlägt die Träger ihrer heiligen Hallen, um aus ihren Trümmern neue Gebilde zu formen.» So heisst es etwas pathetisch aber doch zutreffend, in einem umfangreichen Streifzug durch die feministische Musikgeschichte mit dem Titel These Girls.
Eines der letzten Prosawerke von Patti Smith heisst M Train (wie Memory Train) und ist ein schönes Zeugnis ihres Lebens zwischen Poesie und Musik, zwischen Melancholie und Wohlergehen. Literarisch kommt auch Patti Smith von den Beatniks her, aber mir scheint fast so, dass sie die Wörter besser im Zaum halten kann als der preisgekrönte Bob Dylan.
Der allseits beliebte Barde Leonard Cohen hatte lange vor seiner musikalischen Karriere schon einen Roman geschrieben: The Favourite Game (Das Lieblingsspiel), der 1963 bei einem ordentlichen englischen Verlag erschien. Hauptfigur ist Lawrence Breavman, wohl das Alter Ego Cohens im Roman, er kommt aus einer jüdischen Sippe in Montreal und verliebt sich in New York in eine junge Frau namens Shell, die aus gutem Hause stammt, sich aber in zweifelhaften Kreisen herumtreibt. Es geht um die Totalität der Liebe, wie auch bei fast allen Liedern vom alten Schmachtfetzen Cohen.
Wen haben wir da noch? Unser Lieblings-Beatle John Lennon schrieb zur Zeit seiner Superstar-Werdung zwei Bücher, die 1964 und 1965 erschienen: In His Own Write (mit Zeichnungen des Autors) und A Spaniard In The Works. Während die Beatles noch Herz auf Schmerz reimten, wütete Lennon schon durch den Blumengarten der Worte, vergewaltigte und verblödsinnigte sie, machte sie sozusagen zu scharfen Waffen.
Die Liste der zwischen Lied und Gedicht als kreativem Ausdruck Wechselnden ist lang: Lou Reed, Joni Mitchell, Jim Morrison, alles grossartige Songtexter*innen, alle mit mindestens einer Buchveröffentlichung, die im Untertitel Complete Songs and Lyrics genannt werden.
Von meinen absoluten Lieblingen haben Ray Davies von den Kinks und Mark E. Smith von The Fall herausragende Autobiographien geschrieben.
In der Schweiz könnte man sich vielleicht fragen: Was war Mani Matter eher, ein Dichter oder ein Musiker?
Und als Vertretung für Deutschland sei noch Sven Regener erwähnt, Mastermind der Band Element of Crime, der im Gefolge seines Erstlings Herr Lehmann ein paar weitere, sehr unterhaltsame Romane geschrieben hat.
Auch der Punk hat nach seiner rhythmischen Explosion noch Worte gefunden: Viv Albertine war eine Jugendfreundin von Sid Vicious von den Sex Pistols und Mick Jones von The Clash. Weil auch Frauen im Punkrock eine Rolle spielen sollten, wurde sie Gitarristin der Slits, der subversivsten Frauenband überhaupt. Darüber hat sie 2014 ein grossartiges Buch mit ihren Erinnerungen an Punk geschrieben: Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Boys, Boys, auf Deutsch erschienen als A Typical Girl. Vier Jahre später erschien To Throw Away Unopened, wo sie über ihr restliches Leben schreibt: «Brutal and funny and heartrending and shocking about love, ageing and relationships», heisst es in einer Kritik.
Und Taylor Swift, hat sie nicht Gullivers Reisen geschrieben?
Umgekehrt gab es selbstverständlich auch Dichter und Schriftsteller, die einfach aus Spass eine Rockband gründeten, lange vor Punk, aber genau in diesem Geiste. The Fugs zum Beispiel mit den beiden Beat-Literaten Naphtali Tuli Kupferberg und Ed Sanders als frühe Rapper, die während des Übergangs vom Beatnik zur Flower Power ihre hohe Zeit hatten. Musik ist einfach, der Rhythmus siegt, und die Fugs schreckten vor keinem noch so schrägen Thema zurück. Ed Sanders hat viele Stories über die damalige Bohème geschrieben, vor allem aber eine Geschichte der Family von Charles Manson, die mit ihren Morden den «Sommer der Liebe» 1969 offiziell beendeten. Und als die Fugs 2003 ihre letzte CD veröffentlichten, konnte sich der damals 80jährige Kupferberg als ältesten lebenden Rockstar der Welt feiern lassen.
Einen exklusiven Medientransfer gibt es selten zwischen Rockmusik und Literatur. Vielleicht der oben schon erwähnte Mick Farren (1943–2013), der aus dem englischen Underground der späten 60er- und frühen 70er-Jahre kam. Er war der Kopf der Band The Deviants und wir verdanken ihm so geniale Songs wie die Hymne Let’s loot the Supermarket as we did last Summer. Farren stieg aus der Rockmusik aus und begann Science-Fiction-Romane zu schreiben. Der Erste mit dem Titel The Texts of Festival bezieht sich noch stark auf die Musik: Festival ist eine postapokalyptische Stadt, in der Textfetzen von Bob Dylan oder Mick Jagger als religiöse Offenbarungen und Gesetze gelten. Daneben hat Farren in seinen Romanen schon früh Virtual Reality und Cyberpunk vorweggenommen. Als literarische Schande kann gelten, dass – meines Wissens nach – nie einer seiner Romane auf Deutsch übersetzt wurde.
1978 stieg Farren wieder in die Rockmusik ein, damals erschien sein Solo-Album mit dem schönen Titel Vampires Stole My Lunchmomey. Da war ihm aber kein öffentliches Interesse hold, weil sich der Musikmarkt und seine wohlfeilen Zuträger gerade auf Punk konzentrieren mussten.
Einer der die Klampfe nach einer frühen Musikkarriere (HP Zinker, Goldene Zitronen) vorübergehend weggelegt hat, ist Hans Platzgumer, 1969 in Innsbruck geboren. Er beschreibt das so: «Im letzten Jahrhundert war ich ausschliesslich Musiker. 1999 schrieb ich im Auftrag eines Radiosenders einen Text für ein Hörstück, daraus wurde fünf Jahre später mein erster Roman. In diesem Prozess erwachte meine Leidenschaft fürs Schreiben. Ich nannte mich noch lange nicht Schriftsteller, das wäre mir vermessen vorgekommen. Aber ich liess nicht mehr davon ab. Irgendwann war ich dann ‹Musiker und Autor›, und ab den 2010er-Jahren wurde ein ‹Autor und Musiker› daraus. Die Prioritäten haben sich gewandelt, bis heute, da ich hauptsächlich Schriftsteller bin. Es gab keine bewusste Entscheidung zum Medientransfer, vielmehr ein ungeplantes Hinüberrutschen. Anders könnte ich es mir auch nicht vorstellen. Man sagt ja nicht plötzlich: Von nun an will ich kein Musiker, sondern Schriftsteller sein. So etwas würde sicher nicht gut gehen. Ich wechsle vielleicht wieder die Prioritäten, aber ich muss mich ja zum Glück nicht für das eine oder andere entscheiden. Beides ergänzt,
befeuert sich. Ich folge grundsätzlich immer meinem Instinkt. Wenn mich eine Idee in ihren Bann zieht, kann ich nicht anders, als ihr nachzujagen. Vielleicht schlägt es eines Tages wieder mehr in Richtung Musik aus, warum nicht? Aktuelle Popmusik zu hören, ist meist kein Vergnügen. Es langweilt mich, Neues hören zu müssen, das nicht neu, sondern höchstens professioneller als früher gemacht ist. Ich höre generell sehr wenig Musik. Wenn, dann höre ich gezielt und ohne Ablenkung. Nebenbei oder als Berieselung, das ertrage ich nicht. Bei mir daheim läuft nie einfach so Musik. Lustigerweise haben Bowie und Prince fast dasselbe in Interviews gesagt. Eine musikalische Revolution ist heute kaum mehr möglich, weil Musik zum kostenlosen, stets frei verfügbaren Berieselungs-Tool und zur Gebrauchsmusik degradiert worden ist. Sie muss immer da sein, auch in schlimmster Soundqualität über Handylautsprecher, aber sie hat keine Aussagekraft mehr und darf keine Forderungen stellen. Vielleicht ändert sich das eines Tages wieder, hoffentlich!»
Platzgumers neuster Roman handelt von einem Wiener Nachttaxifahrer, der in den Pausen Franz Kafkas gesammelte Tagebuchnotizen von 1910 bis 1923 liest und McCoy Tyner hört. Plötzlich sitzt die Eduardowa auf dem Rücksitz seines Taxis,
direkt aus Kafkas Tagebüchern gestiegen.
PLAYLIST:
Leider sind einige Titel in dieser Playlist nicht mehr erhältlich, aber dafür gibt es ja Bibliotheken:
Hans Platzgumer:
«Die ungeheure Welt in meinem Kopf».
Elster & Salis, Wien 2024, 180 Seiten,
CHF 32 / € 25
Viv Albertine:
«A Typical Girl».
Suhrkamp Nova,
Berlin 2016, 480 Seiten,
CHF 26.50 / € 18
Bob Dylan:
«Chronicles Volume One».
Hoffmann & Campe, Hamburg 2004, 310 Seiten.
CHF 15 / € 10
Patti Smith: «M Train». Erinnerungen».
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016, 330 Seiten.
CHF 19 / € 14
John Lennon: «In seiner eigenen Schreibe».
Blumenbar Verlag, München 2010, 88 Seiten.
(Antiquarisch ab € 1,47 auf ZVAB)
Leonard Cohen: «Das Lieblingsspiel».
Blumenbar Verlag, München 2009, 320 Seiten.
(Antiquarisch, versch. Anbieter*innen)
Ed Sanders: «The Family. Die Geschichte von Charles Manson und seiner Strand-Buggy-Streitmacht».
Rowohlt TB, Reinbek 1972, 530 Seiten.
(Antiquarisch, versch. Anbieter*innen)
Juliane Streich (Hg.): «These Girls».
Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte».
Ventil Verlag, Mainz 2019, 340 Seiten,
CHF 26.80 / € 20
PFLICHT LEKTüRE
Ines Korth: «Das Regelwerk»
Blutige Tage
Barbara Buchholz: Glücklich sieht sie nicht aus, die rothaarige Emmi, wie sie auf dem Rücksitz im Auto ihres Vaters hockt und mit beiden Armen ein Buch umfasst hält. Das Mädchen ist neun Jahre alt und auf dem Weg zu ihrem ersten Aufenthalt in einem Ferienlager, dem sie skeptisch entgegenblickt. Im Kastanienbruch, einem idyllischen Ort, erwartet sie aber eine nette Truppe um Jugendmitarbeiterin Malin, die ganz aus dem Häuschen ist, als sie das Buch in Emmis Händen sieht: Das Regelwerk, eine RollenspielÂanÂleitung – denn eine, die sich damit auskennt, fehlt in Malins Gruppe. Das Regelwerk lautet auch der Titel des neuen Comics der deutschen Comic-Künstlerin und Illustratorin Ines Korth (2018 ist ihre Fantasy-Geschichte Massu, Schmiedstochter erschienen). Ein gelungenes Wortspiel, denn hier geht es darum, jungen Menschen ab acht Jahren zu erklären, was es mit der Regel, der Periode, dem weiblichen Zyklus auf sich hat.
Ines Korth verpackt ihren Erklär-Comic sehr geschickt in eine Ferienabenteuer-Geschichte. Sie zeichnet ihn in klaren, schwungvollen Linien und nutzt meist helle, freundliche Farben, dann aber auch blaugraue Tönungen für eine gruselige Nachtwanderung im Wald. Die Figuren sind überwiegend sympathisch angelegt – ein guter Ausgleich zu dem für Emmi und ihresgleichen verunsichernden Thema.
Emmi mit dem kecken Pferdeschwanz hat sich also im Kastanienbruch schnell in der kleinen Rollenspieltruppe unter Malins Anleitung eingefunden. In einem Zimmer mit Stockbetten hocken sie mit Keksen und Limo beieinander und schlüpfen in ihre jeweiligen Fantasie-Charaktere. Aber dann spürt Emmi plötzlich ein Ziehen im Bauch – sie bekommt zum ersten Mal ihre Tage. Ratlos und verunsichert hockt sie auf dem Klo, bis Malin nach ihr schaut. Die lässig-empathische Betreuerin mit blauen Haaren und Piercings im Ohr beantwortet geduldig alle Fragen, die Emmi und die anderen zu dem Thema auf dem Herzen haben, klärt sie über den Zyklus auf, über den ersten Besuch bei Frauenarzt oder -ärztin, über Wärmflasche und Menstruationstasse. Malins Kolleg*innen steuern ihre Erfahrungen in Unterhaltungen miteinander bei. So wird Das Regelwerk zu einem unaufgeregten, sympathischen und unterhaltsamen Aufklärungscomic. Und für Emmi ist der Spuk mit dem Blut am Ende des Ferienlagers erst einmal wieder vorbei.
Ines Korth: «Das Regelwerk».
Kibitz Verlag, 128 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 27.90 / € 18
Jens Cornils: «Zeter und Mordio»
Mörderjagd
Jonas Engelmann: «Ich schreibe euch dieses nicht zur Belehrung, sondern um mir in den langen Nächten die melancholischen Gedanken zu vertreiben», notierte Glikl bas Judah Leib, auch bekannt als Glückel von Hameln, in ihrer Autobiografie, die sie zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes 1689 für ihre zwölf Kinder zu verfassen begonnen hatte. In den ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmten Aufzeichnungen schrieb Glikl über ihre Kindheit und Jugend in Hamburg, ihr Elternhaus, ihre Heirat mit dem Goldhändler Chaim von Hameln, die Geburt und den Lebensweg ihrer Kinder, die Übernahme des Geschäfts nach dem Tod ihres Mannes, ihre Handels- und Familienbeziehungen, die sich über ganz Europa erstreckten, und die Gefahren ihres Geschäfts, nämlich Betrug und Überfälle und die antijüdischen Ressentiments ihrer Zeit. Und sie schrieb über das jüdische Leben in ihrer Heimatstadt Hamburg, unter anderem über einen Kriminalfall, der sich dort in den Achtzigerjahren des 17. Jahrhunderts ereignete. Diesen Mord hat sich der Zeichner Jens Cornils in Zeter und Mordio genauer angeschaut: Ein jüdischer Händler wird mutmasslich vom Sohn eines angesehenen Hamburger Bürgers ermordet, die jüdische Gemeinde ist daraufhin in Angst, dass Ermittlungen gegen den Mörder antisemitische Ressentiments schüren könnten – eine Befürchtung, die sich als gerechtfertigt herausstellt. Ein wütender Mob rottet sich vor dem Haus des Mörders zusammen, als die ermittelnden Repräsentanten von Stadt und jüdischer Gemeinde dort Spuren sichern, und skandiert: «Juden raus aus Hamburg!» Die Gemeindemitglieder Rebekka Lipmann und ihr Mann Schmuel ermitteln zunächst heimlich, können aber schliesslich dazu beitragen, den Täter dieses und eines weiteren Mordes zu überführen.
Jens Cornils gelingt es, dem düsteren Thema der antisemitischen Ausgrenzung – die Juden sind lediglich geduldet, weil sie vermeintlich Geld in die Stadt bringen, müssen aber stets mit ihrer Ausweisung rechnen – mit viel Humor in Wort und Bild zu begegnen und trotzdem den hinter den Bildern liegenden Ressentiments, mit denen Juden bis in die Gegenwart zu kämpfen haben, gerecht zu werden. Es gibt für die Hamburger Juden des 17. Jahrhunderts keine Sicherheit, niemanden auf den sie sich verlassen können, und so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihren Schutz und ihre Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen. Zeter und Mordio ist als Projekt des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden entstanden und ist Teil des Bildungsprojekts Geschichtomat. Ihm sind viele weitere Leser*innen zu wünschen.
Jens Cornils: «Zeter und Mordio»,
avant-verlag, 224 S.,
Softcover, farbig,
CHF 37.90 / € 25
Daniel Clowes: «Monica»
Gegenkulturelle Kollateralschäden
Christian Gasser: Nach dem Tod ihrer Grosseltern macht sich Monica auf die Suche nach ihrer Mutter Penny. Diese hat sie, als sie noch klein war, in den frühen 1970er-Jahren ihren Eltern anvertraut, um sich, nun ja, «selbst zu verwirklichen». Sie strandete, wie Monica herausfindet, in einer höchst bizarren, kranken Sekte – ein Kollateralschaden der post-68er Hippieszene.
Gleichzeitig erzählt Daniel Clowes in Monica die Lebensgeschichte der Titelheldin: Das Aufwachsen bei den liebevollen Grosseltern, eine erfolgreiche Karriere als Geschäftsfrau, der Ausstieg und die Suche nach der Mutter und schliesslich, mittlerweile grauhaarig und verschroben, ihre postpandemische Neuerfindung als Kerzenzieherin und Töpferin.
Daniel Clowes wäre aber nicht Daniel Clowes, wenn er Monicas Geschichte(n) linear erzählen würde. Clowes vermittelt ihre Biografie in neun Kapiteln, jedes erzählerisch wie zeichnerisch in einem anderen Stil und Genre: Gangsterstory, Teen-Romanze, Kriegsdrama, Gespenstergeschichte, okkulter Thriller, Detektivrätsel etc. Dass er das Spiel mit Genres und Stilen liebt und beherrscht, hat er in Büchern wie Ice Haven, aber auch schon in seiner Heftreihe Eightball hinlänglich bewiesen – und bringt es in Monica zu neuer Meisterschaft.
Die inhaltlichen, aber auch zeitlichen Zusammenhänge zwischen den Kapiteln und Monicas Lebensphasen erschliessen sich nicht immer sofort, Clowes führt uns immer wieder in die Irre, überspringt Jahrzehnte, um später wieder zurückzukehren – und schafft es doch, die verschiedenen Stränge und Stories zu einer fesselnden Geschichte zu verknüpfen.
Die fragmentierte Erzählweise ist Teil der tieferen Aussage von Monica. Zum einen entwirft Clowes ein düsteres und pessimistisches, ziemlich hoffnungsloses, mit schwarzem Humor geschärftes Kaleidoskop der USA seit den späten 1960er-Jahren und nutzt dabei Stilelemente, die die jeweiligen Epochen und Zeitgeister am besten verkörpern.
Zum anderen erlaubt es ihm auch, eine Geschichte zu erzählen, die hoch komplex und bis zum Schluss spannend ist – und doch nicht ganz aufgeht. Zwischen den Kapiteln klaffen Lücken, die nie gefüllt werden, auch die übersinnlichen Elemente – die Stimmen der Toten im mysteriösen Radioempfänger – werden nicht erklärt. Was wirklich geschehen ist, erfahren wir nicht mit abschliessender Gewissheit. Wie es in Monica keinen einheitlichen Stil gibt, gibt es keine eindeutige Wahrheit und keinen alle Fragen beantwortenden Schluss, es gibt keine Auf- und keine Erlösung. So lädt Monica dazu ein, immer wieder zurückzublättern und nach Indizien und Antworten zu suchen – und dabei entdeckt man immer wieder neue, bei früheren Lektüren übersehene Details.
Monica sei seine persönlichste Geschichte, betont Daniel Clowes in Gesprächen, und basiere auf eigenen Erfahrungen. Diese vermittelt er allerdings sehr verschlüsselt, ohne direkte Rückschlüsse auf sich zu erlauben. Das ist womöglich der Grund, warum Monica weniger kühl und deutlich emotionaler wirkt als seine anderen Graphic Novels.
Daniel Clowes: «Monica».
Aus dem Amerikanischen von Matthias Wieland,
Reprodukt Verlag, 106 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 37.90 / € 24
Andreas Kiener: «Allmacht» & «Unvermögen»
Machtspiele
Florian Meyer:Der Schweizer Comic-Zeichner Andreas Kiener hat etwas Ungewöhnliches geschafft: Seine Science-Fiction-Comics Unvermögen und Allmacht sind gleichermassen spannend, reflektiert, liebenswürdig und ausbaÂlanciert. Ihr Thema ist nicht trivial, geht es doch um das Leistungsvermögen künstlicher Intelligenz bei knapper werdenden Ressourcen – und um die Frage, wie sich Computer-Power in einer sich klimatisch schnell verändernden Welt gerecht nutzen und verteilen lässt. Diese Welt trägt dystopische Züge, die Erde ist eine Wüste, die Säugetiere sind ausgestorben, und nur wenige Menschen hausen in turmartigen Städten, die Reichen wie immer zuoberst. Unterstützt werden sie von sogenannten Shiemen, hochintelligenten Robotern, die zahlreiche Städte beherrschen, da sich die politische Elite in eine virtuelle Traumwelt zurückgezogen hat. Nur die Technologen und das politische Oberhaupt sind noch wach. Unter ihnen ist ein Richtungsstreit entbrannt, wie weit das Denk- und Prognosevermögen der Shiemen gehen darf – und ob ihnen eine Schranke zu setzen sei, bevor sie Allmacht erlangen.
Von alledem erfahren die Leser*innen wie nebenbei. Kiener ist ein eleganter Zeichner, der die Leser*innen mit leichter Feder und ohne schwere Worte führt. Atemberaubende ganzseitige Bilder geben Einblick in die Lebensumstände. Kiener setzt milde Farben und leicht schwebende Hintergründe ein, um die Aufmerksamkeit auf die pfiffigen Protagonist*innen zu lenken: Ali ist ein sechsjähriges Mädchen, das seine Mutter sucht, unterstützt wird sie von Rob, ihrem Shiemen, der aussieht wie ein übergrosser Teddybär. Die Menschen und Shiemen, die sie unterwegs treffen, sind ambivalent und in ihren Absichten kaum zu durchschauen. Schliesslich finden sie Alis Mutter. Das Wiedersehen währt nicht lange, da sie sich als Widersacherin des Chefwissenschaftlers entpuppt und sich der Machtkampf um die Zukunft von Shiemen und Menschen zuspitzt.
Die Liebenswürdigkeit der Hauptfiguren kontrastiert mit der Verbissenheit der Kämpfe um Macht und Ressourcen. Zugleich sind Ali und Rob der Grund, weshalb Unvermögen und Allmacht so viel Vergnügen bereiten. Zum Glück ist ihre Geschichte noch nicht zu Ende, und es bleibt auch abzuwarten, ob sich das Geheimnis um die unkonventionelle Seitenpaginierung löst. Eines hat Andreas
Kiener jedoch schon gezeigt: der Science-Fiction-Comic hat auch im deutschsprachigen Raum eine gute Zukunft.
Andreas Kiener: «Allmacht».
Edition Moderne, 160 S.,
Hardcover.
CHF 39 / € 34
Andreas Kiener: «Unvermögen».
Edition Moderne, 160 S.,
Hardcover,
CHF 39 / € 32
1 – New York, 1938»
Illusionen und Depressionen
Christian Meyer-Pröpstl: Manch einer denkt bei dem Titel Die grosse Illusion an Jean Renoirs Antikriegsdrama von 1937; aber Parallelen zu Alessandro Totas gleichnamigem Comic müsste man an den Haaren herbeiziehen, ausser dass er zur selben Zeit spielt, an dem Renoirs Weltkriegsdrama realisiert wurde. Der Untertitel des ersten Bandes – New York, 1938 – klärt dann aber auf, dass wir an einem ganz anderen Ort und auch in einer komplett anderen Szenerie sind: Roberta, die eigentlich Diana heisst, lebt unter ärmsten Bedingungen zur Zeit der Grossen Depression (aha, Depression – Illusion) im sogenannten Dust Bowl in Kansas. Der Vater ist längst abgehauen, und auch Diana, die sich mit ihren Comics in eine andere Welt flüchtet, hält hier nichts mehr – sie will raus in die grosse und hoffentlich bessere Welt – New York! Dort mit neuem Namen angekommen, wird ihr das Geld geklaut, dass sie ihrer Mutter geklaut hatte. Mit etwas Glück landet sie bei den Kommunisten. Sie kommt bei einer jungen Frau unter, die bald eine Freundin wird, und arbeitet unentgeltlich für das politische Blatt The Rise of the Masses. Sie lernt tippen und schreibt auch bald eine erste Pulp-Story, was in den politischen Kreisen, in denen sie verkehrt, nicht sonderlich gut ankommt, aber als sie auf einen mittellosen Maler trifft, der für schnelles Geld Comics zeichnet und einen Szenaristen sucht, ist Roberta trotz dessen Zweifel, ob sie als Frau so etwas kann, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sie lernt schnell, lernt auch schnell Gleichgesinnte kennen, bis hin zum Comic-Star Bob Kane, dem Erfinder von Batman.
Wie bereits Michael Chabon in seinem Roman Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay (2000) über zwei junge jüdische Comic-Künstler im New York der späten 1930er-Jahre, widmet sich Alessandro Tota der frühen Comic-Industrie, die mit dem Aufkommen der Superhelden noch einmal stark an Fahrt gewinnt. Eine weitere Parallele ist die Homosexualität der Protagonist*innen. Da Tota seine Geschichte als Comic erzählt, kann er visuell auf die Metaebene klettern, indem Robertas Superheldinnen ihre Geschichte erzählen und er so auch immer wieder in die Story eingreifen lässt. Neben den vielen Einblicken in die oft korrupte und ausbeuterische Comic-Industrie zeigt Totas Comic auch die Anziehungskraft der Superhelden, die vielen Halt und Hoffnung in schwierigen Zeiten versprachen – den Leser*innen wie auch den Künstler*innen. Ein sehr lebendiger Blick ins quirlige, krisengeschüttelte New York – man darf gespannt sein auf die Fortsetzung!
Alessandro Tota: «Die grosse Illusion.
1 – New York, 1938».
Reprodukt, 248 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 42.90 / € 29
Julia Wertz: «Impossible People: A Completely Average Recovery Story»
Unmögliche Leute
Mark David Nevins: Ich gebe nur ungern zu, dass ich die Lektüre von Impossible People: A Completely Average Recovery Story lange aufgeschoben habe, trotz der positiven Besprechungen, die das Buch erhalten hat, und zwar darum, weil mir die Art und Weise, wie die Autorin Julia Wertz sich selbst als Hauptfigur des Buches zeichnet, nicht gefiel.
Eines der zahlreichen anderen Bücher von Wertz, Tenements, Towers & Trash: An Unconventional Illustrated History of New York City, hatte mich ursprünglich zu ihrem Werk geführt. Es ist eine Art visuelle Tour, ein Liebesbrief an New York City, gezeichnet in einem fast obsessiv detaillierten Stil, den man chaotisch oder klaustrophobisch nennen könnte, wenn er nicht so schön wäre. TT&T habe ich in mein Regal der Lieblingsbücher über meine Wahlheimatstadt aus drei Jahrzehnten eingereiht, neben Klassikern wie Michael Henry Adams’ Harlem: Lost and Found, Lowlife von Luc Sante und Kafka Was the Rage von Anatole Broyard.
Also nahm ich einen neuen Anlauf und machte mich an Impossible People, gezeichnet in demselben wunderbar unübersichtlichen Stil, der mich an Hergé oder Jason Lutes erinnert. Diese Graphic Novel ist ein 300-seitiger Hardcover-Ziegelstein, aber hier ist Wertz’ Stil viel einfacher als in TT&T – meist zeigt sie Gespräche vor ganz einfachen oder sogar leeren Hintergründen, gelegentlich aber zeichnet sie auch virtuose Bilder von Strassensituationen, darunter ganzseitige Darstellungen, die als perfekte visuelle Dokumentationen der gezeigten Stadtteile dienen könnten.
Aber NYC ist nicht das Thema von Impossible People – die Hauptperson ist vielmehr eine einzelne «unmögliche Person», nämlich die Autorin selbst. In ihren grafischen Memoiren hält Wertz eine fünfjährige Reise durch Alkoholismus und Unglücklichsein bis hin zu Nüchternheit und vorsichtigem Optimismus fest. Das Buch ist schonungslos ehrlich und manchmal zum Brüllen komisch. Es ist voll von peinlichen Entgleisungen, noch peinlicheren Beziehungen, beruflichen Frustrationen und unangenehm vertrauten familiären Dysfunktionalitäten. Es ist eine der fesselndsten und wirkungsvollsten Memoiren, die ich je gelesen habe, ob als Comic oder in einer anderen Form. Ich würde es sogar auf eine Stufe mit den Bekanntesten im Graphic-Novel-Bereich stellen: David B., Pekar, Satrapi, Spiegelman. Und im Gegensatz zu vielen Sucht-Memoiren, die einen klaren Weg von der Katastrophe zur Genesung aufzeigen, fühlt sich Impossible People eher wie das wirkliche Leben an, nämlich nicht-linear, chaotisch und voller unerwarteter Wendungen und zweifelhafter Entscheidungen.
Die Kritikerin Gertrude Stein riet Ernest Hemingway: «Schreibe über das, was du weisst» – ein Ratschlag, der zu einer Handvoll Romane führte, die den Lauf der amerikanischen Literatur veränderten. Mit Impossible People hat Wertz eine Autobiografie geschaffen, die auf dem basiert, was sie weiss, und es ist um Längen besser als das meiste aus dem weiten Feld der autobiografischen Comics, weil sie Interessantes und Aufschlussreiches zu sagen hat und es uns mit einem ausgereiften Gespür für das Erzählen von Geschichten vermitteln kann.
Seit der Lektüre von Impossible People habe ich mir einige Videointerviews mit Julia Wertz angesehen. Sie kommt viel sympathischer, attraktiver und redegewandter rüber, als sie sich in diesem Buch darstellt. Nichts an ihr oder ihrer Geschichte ist «completely average», und genau das macht dieses Buch so gut.
Julia Wertz: «Impossible People:
A Completely Average Recovery Story»
Running Book Press, in englischer Sprache, 320 S.,
Hardcover s/w,
US $ 30
José Luis GarcÃa-López, Paul Levitz, DC Comics Inc.: «1982 DC Comics Style Guide»
Der Heilige Gral, zweite Auflage
Giovanni Peduto: Zu Beginn ein Disclaimer: Entgegen den Rezensionsregeln halte ich während des Schreibens dieses Textes das besprochene Buch noch nicht in den Händen, die geplante Veröffentlichung im Sommer wurde auf Dezember verschoben. Aber was sind ein paar Monate Verspätung für ein Buch, das Superhelden-Aficionados als Heiligen Gral verehren und das seit dessen Entstehung vor über 40 Jahren auf eine Neuveröffentlichung wartet. Die Rede ist vom 1982 DC Comics Style Guide, einer Loseblattsammlung, die Lizenznehmern als Vorlage für Merchandising-Produkte dienen sollte. DC-Charaktere wie Superman, Batman, Wonder Woman und weitere Helden und Schurken, sowie weniger bekannte Nebenfiguren sollten einheitlich und – wie auf den über 200 Seiten abgebildet – auf Lunchboxen, Tassen, T-Shirts oder Action-Figuren erscheinen. Das Handbuch leuchtet die Superhelden von allen Seiten aus und gibt die Pantone-Farbpalette für die bunten Elastan-Kostüme an. Das Handbuch entstand in einer Zeit, in der die DC-Charaktere entstaubt und modernisiert werden sollten, um dem erfolgreichen Rivalen Marvel den Platz streitig zu machen. Ein paar Jahre zuvor hatte Jenette Kahn für das Rebranding des Verlages den Platz als Verlegerin eingenommen. Sie beauftragte den spanisch-argentinischen Zeichner José Luis GarcÃa-López, zusammen mit dem Inker Dick Giordano, die Bilder für den Style Guide zu erschaffen. Dank seines dynamischen, sauberen Zeichenstils und den klaren Linien gilt GarcÃa-López seither als Homer der 1980er-Superhelden-Mythologie. Der Style Guide ist mit ein Grund, warum der sonst weniger bekannte Zeichner von vielen Fans heute noch verehrt wird. Auch wem der Name nichts sagt, comiclesende Kinder der 1980er werden unbewusst seine Ästhetik wiedererkennen und einen Hauch von Super-Nostalgie spüren.
Schon bald bekam die Fangemeinschaft Wind von diesem Dokument. Sammler ergatterten sich Kopien (die angeblich online für viel Geld versteigert werden) und der Wunsch nach einer offiziellen Neuveröffentlichung nahm über die Jahre stetig zu. Und nun hat sich der Verlag also entschlossen, ein Faksimile des Style Guides herauszugeben. Die dafür beauftragte Firma Standard Manuals hat die Fans bezüglich der Verspätung damit vertröstet, dass sie qualitativ das Beste herausholen möchten und darum noch einen extra Aufwand betreiben will. Die Fans warten geduldig …
José Luis GarcÃa-López, Paul Levitz,
DC Comics Inc.: «1982 DC Comics Style Guide».
Standards Manual, in englischer Sprache,
New York 2024. 384 S.,
Hardcover, farbig und s/w,
US $ 95
Walter Moers: «Edward Gorey – Grossmeister des Kuriosen»
Zwei Grossmeister des Kuriosen
Matthias Schneider: Kurz nach dem Ableben von Edward Gorey kursierte unter seinen Freund*innen und Fans folgender Witz: «Edward Gorey ist Engländer. Edward Gorey lebte zu Zeiten von Queen Victoria. Edward Gorey ist tot. Eine der drei Behauptungen ist zutreffend.» Wer mit Goreys Werken erstmals in Berührung kommt, verortet sie und den Schöpfer tatsächlich im viktorianischen Zeitalter. Es sind der makabre Humor, die absurd-fantastischen Geschichten, das egozentrische Figurenkabinett, das Setting der Jahrhundertwende sowie sein Zeichenstil, die dies vermuten lassen. Denn Gorey war ein Meister der Kreuzschraffur, und wie Walter Moers, der Autor des hier besprochenen Buches, ein grosser Verehrer von Gustave Doré. Im Vorwort stellt Moers eine aufschlussreiche Frage: «Haben wir es mit einem freien Künstler oder mit einem Illustrator, mit einem Schriftsteller oder einem Zeichner, einem Nonsense-Dichter, einem Gothic-, Horror- oder einem Kinderbuchautor, einem Surrealisten oder einem Humoristen zu tun?» Ganz klar eine Frage, die man Moers ebenso stellen könnte, die Verwandtschaft der beiden Zeichner ist durchaus sichtbar. Im Buch Edward Gorey – Grossmeister des Kuriosen erzählt Moers, wie sich Edward Gorey, 1925 in Chicago geboren, in New York zunächst als Illustrator verdingt und Covers für literarische Klassiker gestaltet; am Ende seines Lebens werden es über 500 sein, für die er zum Teil auch spezielle Schriften entwickelt und einzelne Zeichnungen beigesteuert hat. Er ist über 30 Jahre lang Dauergast des New York City Ballets, und so findet man in seinem Nachlass um die 5000 Eintrittskarten. Betrachtet man Goreys Figuren, so wohnt ihnen allen etwas Tänzerisches inne, ob in Körperhaltung oder Ausdruck. Und die Hintergründe erinnern oft an Kulissen, Gegenstände sind wie Requisiten arrangiert. Um Goreys Welt besser erfahrbar zu machen, bedient sich Moers bei seinem Buch eines Kunstgriffs, einem Gorey-Alphabet. Denn Gorey liebte Alphabetbücher, er besass nicht nur eine umfangreiche Abecedarien-Sammlung, sondern verfasste und gestaltete selbst sechs solche Bücher. Moers versammelt im Buch die folgenden Geschichten: Eine Harfe ohne Saiten, Der fragwürdige Gast, Die Kleinen von Gashlycrumb, Der Westflügel, Die Stimmgabel und Der Wackelhump. In seinen Zeichnungen als auch seinem Leben hat sich Gorey eine eigene Welt erschaffen. Ab 1985 lebte er zurückgezogen ausserhalb von New York in seinem Elephant House, umgeben von Unmengen von Dingen aus vergangenen Epochen, auf Flohmärkten gesammelt. Und um auf den Eingangswitz zurückzukommen. Wahrscheinlich lebte Gorey tatsächlich im viktorianischen Zeitalter, und er war mehr Engländer als mancher Engländer, wenn er sich exzentrisch in Pelzmantel und Turnschuhe kleidete und dazu auffälligen Schmuck trug. Und wahrscheinlich ist er gar nicht gestorben, denn seine Kunst, fantastische Welten zu erschaffen, lebt im Werk von Walter Moers weiter. Eine schönere Referenz konnte Walter Moers seinem zeichnerischen Vorbild zum bevorstehenden 100. Geburtstag nicht machen, als mit diesem wunderbaren Buch.
Walter Moers: «Edward Gorey – Grossmeister des Kuriosen»,
Aufbau Verlag, Die andere Bibliothek, 408 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 79.90 / € 68
Sandro Ramseier: «Shantiland»
Neongreller Seifenspender-Buddha
Christoph Schuler: Sandro Ramseiers Erstling Shantiland sticht schon auf zwanzig Meter Distanz wegen der irren Leuchtfarben ins Auge, und grellbunt in jeder Beziehung ist auch der Inhalt. Vermutlich deshalb wird auf den Vorsatzblättern für «Sonnenbrillen für das Dritte Auge» geworben, nebst allerlei esoterischen Artikeln. Da gibt’s «Delfin-Brunstgesänge mit Walgeschrei und Ententanz», UFO-Bücher von «Erich von Diarrhö» oder seifenspendenden Buddha-Figuren «für innere und äussere Reinheit». All das sind «Special Offers» von Shanti Vision Enterprise, dem Unternehmen, das Arno, der Protagonist in Shantiland, von seinem Vater übernommen hat und dem er eher widerwillig vorsteht. Die Figur des Arno erinnert stark an den 2020 verstorbenen Mike Shiva, der einst mit kostenpflichtigen «Wahrsage-Sendungen» auf einem Schweizer TV-Privatsender die Leute abzockte und sich damit ein angenehmes Leben leistete. Ramseiers kettenrauchender Arno hingegen hat den Luxus, mit dem er sich umgibt, längst über. Irgendwie möchte er aus seinem goldenen Käfig ausbrechen, sich von seinem untoten Vater lösen, dessen auf immer und ewig konservierter Kopf unter einem Glassturz weiterlebt und stets zur Stelle ist, um Arno als Verlierer und Schlappschwanz fertigzuÂmachen. Als Arnos jüngste Attraktion im Shantiland-Vergnügungspark, die Virtual Reality Near Death Experience, schon bei der Première nicht nur grandios scheitert, sondern auch in einem Blutbad endet, will Arno endgültig aussteigen, doch seine Mutter, eine Art laszive blonde Windhündin, hat andere Pläne mit ihrem labilen Sohnemann; sie bringt ihn zum Shin Shoyu Healing Resort, wo er, zusammen mit anderen Figuren wie Ronald McDonald, Globi oder Lisa Simpson, sein Ich ablegen und mit dem Universum verschmelzen soll. Arnos Kommentar zum ganzen Hokuspokus: «Verdammte Fickscheisse». Statt mit allem eins zu werden, zwängt er sich in einem Akt ödipaler Verzweiflung zurück in die Eierstöcke seiner Mutter und von dort aus weiter in einen von freudianischen Symbolen und Figuren wimmelnden Neon-Dschungel, immer verfolgt von riesigen Vulven und Schwänzen …
Ramseiers Buch, das stilistisch an die Pop-Art-Comics der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre, speziell auch an Heinz Edelmanns Beatles-Trickfilm Yellow Submarine erinnert, besticht mit seiner Fülle an originellen Ideen, mit wunderbar detailversessenen Wimmelbildern, mit der meisterlichen Gestaltung der Panels und Seiten. Die Geschichte selbst dürfte etwas straffer erzählt sein und den Texten hätte ein Lektorat nicht geschadet, aber ich hoffe sehr, dass Ramseier sehr bald ein weiteres Album vorlegen wird.
Sandro Ramseier: «Shantiland».
Luftschacht Verlag, 104 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 33.90 / € 22 –
Das Buch kann auch direkt beim Autor bestellt werden:
www.sandroramseier.ch/shantiland
Noëlle Kröger: «Meute»
Ein Werwolf namens Versailles
Barbara Buchholz: Das Geheimnis transformierender Körper beschäftigt eine Gruppe Gelehrter am Institut für Zeitgenössische Wissenschaften einer französischen Kleinstadt am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie haben einen lebenden Werwolf eingefangen und ihn zu Forschungszwecken in einen Käfig gesteckt. Nur traut sich keiner der Herren näher an die unbekannte Kreatur heran. Da trifft es sich gut, dass die Studentin Margo gerade ihr Praxissemester am Institut antritt. Ihre «weiblichen Instinkte», so die Professoren, qualifizierten sie von Natur aus nicht nur dafür, Tee zu kochen, sondern auch für die tägliche Pflege des Forschungsobjekts.
In ihrem Comic-Debüt Meute schildert die Hamburger Zeichnerin Noëlle Kröger Margos wissenschaftliche Ambitionen und ihre vorsichtige Annäherung an die Chimäre hinter Gittern. Kröger geht dabei grafisch kreativ vor und stellt die Zeichnungen in den Dienst der Erzählung. In schroffen Strichen jagt etwa die Meute der Werwölfe in Schattierungen von Grün und Grau durch den Wald oder flieht vor den Flinten der Jäger; dabei brechen die Linien aus den Panels aus, manchmal gibt es gar keine Begrenzung. Aus feinen Linien entsteht Margos Gesicht mit spitzer Nase und aufmerksamen Augen, das sich – in einer Abfolge kleiner quadratischer Panels und in zarten Rosé-Tönen – in einem breit grinsenden Strichgesicht auflöst, voll übermütiger Freude über die Aussicht, den Werwolf aus nächster Nähe studieren zu können.
Margo ist als einzige Frau am Institut eine Aussenseiterin, eine Exotin, ebenso wie der Werwolf namens Versailles; das schafft eine wenn auch ambivalente Verbindung zwischen den beiden – Margot möchte das Geheimnis der Transformation vom Wolf zum Menschen erforschen, Versailles will zum Rudel zurück, das sich vor den Menschen verstecken muss.
Meute ist eine unterhaltsame Geschichte um eine ehrgeizige junge Forscherin, die sich in einer Männerdomäne durchsetzen muss. Es stellt aber auch Rollen- und Körperbilder in Frage. Und obwohl es leicht gewesen wäre, dem Comic ein versöhnliches Happy End zu verpassen, lässt Kröger ihn stimmig auf einer zweifelnden Note enden.
Noëlle Kröger: «Meute».
Reprodukt, 232 S.,
Softcover, farbig,
CHF 38.90 / € 26
Gipi: «Geschichten aus der Provinz»
Endspiel
Jonas Engelmann: «Ist das Leben komisch? Vielleicht», erklärt der Erzähler Giuliano in Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte, der umfangreichsten Story aus Gipis Geschichten aus der Provinz. «In San Giuliano waren die Häuser intakt, die Geschäfte geöffnet. Es gab eine Kirche, einen Fussballplatz, eine Diskothek. Es schien, als gäbe es überhaupt keinen Krieg». Obwohl diese Geschichte schon 2004 entstanden ist, passt sie – leider – perfekt in die europäische Gegenwart, in die düstere, depressive Stimmung, die sich nach Covid, dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, dem politischen Rechtsruck und angesichts der allgemeinen Weltlage ausgebreitet hat.
In Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte müssen sich die drei Protagonisten in einem zeit- wie ortlosen Kontinuum zurechtfinden. Einzig einige Andeutungen weisen dem Comic die Gegenwart oder nahe Zukunft zu: «Damals war ich 17 und meine Hauptbeschäftigung waren Computerspiele. Mein Lieblingsspiel war Battlefield 1992». Vom Land, wo Dörfer über Nacht von der Landkarte gebombt werden, ohne dass man je erfahren würde, wer hier eigentlich wen bekämpft, verschlägt es die Protagonisten als Kleinkriminelle im Auftrag eines Söldners in die Grossstadt, die bisher von den Unruhen verschont geblieben ist. Doch auch in der Stadt begegnen die drei kaum einem Menschen, sie ist menschenleer und beschädigt, spiegelt den Zustand der Protagonisten, ebenso wie die in Grautönen angelegte Farbgebung der ursprünglich als Aquarelle umgesetzten Zeichnungen: «Ich hatte nie jemanden. Man hat mich immer von einer Familie zur nächsten geschoben. Mir ging’s immer beschissen». Lediglich der Erzähler Giuliano hat einen intakten familiären Hintergrund, zu dem er zurückkehren kann, während seine Freunde in den Krieg ziehen. Diese sozialen Unterschiede verfolgen den Erzähler bis in seine Träume.
Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte ist immer dann besonders stark, wenn Gipi die Erlebnisse der drei Protagonisten nicht erklärt oder Schuldige sucht. Weder die Ursachen des Krieges noch dessen Verlauf werden aufgeklärt. «Die Menschheit vegetiert kriechend fort nach Vorgängen, welche eigentlich auch die Überlebenden nicht überleben können, auf einem Trümmerhaufen, dem es noch die Selbstbesinnung auf die eigene Zerschlagenheit verschlagen hat», beschrieb Theodor W. Adorno einmal die Verstörung, die Becketts Theaterstücke bis heute ausüben – eine ähnliche Beklemmung stellt sich auch beim Lesen dieses Comics ein.
Im Sammelband enthalten sind ausserdem die kürzeren Comics Die Unschuldigen und Sie haben das Auto gefunden, die beide bereits an anderen Orten erschienen sind, sowie die unveröffentlichten Stories Zwei Pilze und Die tote Hand, die beide die Struktur des Mediums Comic aufbrechen und völlig neue Wege beschreiten.
Gipi: «Geschichten aus der Provinz»,
avant-verlag, 208 S.,
Hardcover, teilw. farbig,
CHF 32.90 / € 35
Katz & Goldt: «Iggy Pop hin, Iggy Pop her. Ich will Radieschen»
Mit einem sanften Plopp
Christian Gasser: Das Problem mit guten Freundinnen und Freunden ist ja, dass man sie für selbstverständlich hält und ihre Freundschaft, ihre Qualitäten, ihre Loyalität zu selten ausdrücklich würdigt. Bei Künstlerinnen und Künstlern ist das kaum anders. Seit wie vielen Jahren sind Katz & Goldt Teil meines Lebens? Wie viele Katz-&-Goldt-Alben stehen in meinem Regal? Alle zwei Jahre gesellt sich ein neuer Band mit kurzen Comics und Humorzeichnungen dazu, jeder Band ist mindestens so gut und erheiternd wie der vorhergehende, jeder löst beim Lesen Glücksgefühle aus. Wie gute Freunde aber wirkt ein neuer Katz & Goldt mittlerweile wie eine Selbstverständlichkeit – wann habe ich meine Begeisterung letztmals öffentlich geteilt?
Das soll hier nachgeholt werden, denn die Comics von Katz & Goldt sind alles andere als Selbstverständlichkeiten, sie bleiben auch im 17. Band Iggy Pop hin, Iggy Pop her. Ich will Radieschen Einmaligkeiten.
Max Goldts Geschichten und Betrachtungen leben von seinem eigenartigen, vorurteilsfreien Blick auf unsere Welt und unsere Zeit; sie leben von den unerwarteten, immer wieder verblüffenden, gerne ins Absurde abrutschenden Assoziationen, (Selbst-)Reflexionen und Brüchen. Was Goldt mit Begriffen wie Veganuary, Vertrauenskrise, Body Positivity und anderen Floskeln, mit Trendfirmen wie «Zeit für Brot» und ihren Zimtschnecken und mit dem Verschwinden von Telefonzellen anstellt – es lässt sich, wie alle guten Witze, nicht nacherzählen, es ist aber, glaubt mir, «atemberaubend unwoke» (so der selbstironische «Pseudosticker» auf dem Cover) und vor allem richtig komisch. Komisch allerdings auf die feine Max-Goldt-Art, subtil also, und lieber eine Langzeitwirkung anpeilend, denn zwanghaft eine Pointe oder einen Zeitkommentar ansteuernd. Die meisten der maximal zwei Seiten kurzen Comics enden ohne klassischen Gag, sie lösen sich mit einem sanften Plopp auf, und der Witz schwebt lange weiter.
Goldts Texte wären aber hilflos ohne die Bilder von Stephan Katz. Seine Zeichnungen verbinden den Charme des angejahrten klassischen und grob gerasterten Comicbilds mit der verfremdenden Kühle zeitgenössischer Gestaltung. Sie muten zeitlos an, und setzen nicht zuletzt deshalb Goldts Humor kongenial um.
Die Comics von Katz & Goldt gehen, wie sie kommen: leise, mehrdeutig und unprätentiös. Aber voller Hintersinn und Klugheit. Das hat sich in den bald dreissig Jahren ihrer Zusammenarbeit wenig verändert, höchstens verfeinert, und ähnlich wie diese hätte auch eine Rezension vor zwanzig Jahren klingen können. Der Titel ihres mittlerweile 17. gemeinsamen Bands ist allerdings neu und ein echter Ohrwurm: Iggy Pop hin, Iggy Pop her. Ich will Radieschen. Dieses Buch beschert mit der Zuverlässigkeit eines guten Freunds wunderbare Augenblicke, wie man sie nur mit echten Freundinnen und Freunden verbringt.
Katz & Goldt: «Iggy Pop hin, Iggy Pop her. Ich will Radieschen».
Edition Moderne, 88 S.,
Hardcover, farbig
CHF 29.80 / € 25
«Tsai Kun-lin. Eine Graphic Novel aus Taiwan»
Leben zwischen Repression und friedlicher Reform
Florian Meyer:Wie prägt politische Repression einen Menschen? Eindrücklich beantworten die Autorin Yu Pei-yun und der Zeichner Zhou Jian-xin dies in ihrer Graphic Novel über den taiwanesischen Comic-Verleger und Werber Tsai Kun-Lin (1930–2023). Dessen Biografie schildert berührend, wie ein junger Mann verhaftet wird, nur weil er politisch verpönte Literatur liest. Als Zwanzigjähriger wird Tsai Kun-Lin 1950 vom Kuomintang-Regime für zehn Jahre auf der Gefangeneninsel Lü Dao interniert. Täglich erlebt er Indoktrinierung, Gewalt und Zermürbung – die Ironie des Schicksals will es, dass er, obwohl als «kommunistischer Spion» verurteilt, Mao Zedongs Parolen erst durch die Umerziehung im Lager kennenlernt.
Nach seiner Entlassung steigt Tsai Kun-Lin in die Werbung und ins Verlagswesen. Trotz ständiger Überwachung der Polizei hat er Erfolg: Er entwirft das stilbildende Jugendmagazin Prinz, das didaktisch wertvolle Manga veröffentlicht, sowie die erste Autowerbung Taiwans. Als zwei Tsunamis die Prinz-Büros zerstören, geht er Konkurs – dabei verlieren auch Freunde und Verwandte viel Geld. Ihm und seiner Familie bleiben nur ein Zimmer mit Bett und Schrank. Doch das Gefängnis lehrte ihn, in der Not gelassen zu handeln, und wenn es sein muss, wieder von vorne anzufangen.
Sein Resümee brennt sich ins Gedächtnis wie die Narben in die Haut der Häftlinge: «Was zählt», sagt Tsai Kun-Lin am Ende seines Lebens, «ist nicht Revolution, sondern friedliche Reform. Friedliche Veränderung ist der einzig richtige Weg, ganz gleich, ob es sich um einen Staat oder um ein Unternehmen handelt.» Sein Leben spiegelt Taiwans Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg: Auf Japans Kolonialherrschaft folgte das autoritäre Regime der Kuomintang, das bis 1987 mittels Kriegsrecht regierte, bevor sich in den 1990er-Jahren die Demokratie etablierte.
Yu Pei-yun und Zhou Jian-xin schildern das individuelle Schicksal und die Entwicklung der Insel ruhig und sachlich, ohne zu verharmlosen. Grandios ist, wie Zhou Jian-xin seinen Stil den Lebensumständen angleicht und in jedem Band eine eigene Stimmung erzeugt. Mit dem zunehmenden Alter des Protagonisten und der politischen Wende werden die Zeichnungen realistischer und offener. Yus und Zhous Graphic Novel schliesst als Plädoyer für demokratische und individuelle Selbstbestimmung. In Taiwan erschien sie 2020. Auf Deutsch wird sie von Baobab Books verlegt, einem Schweizer Verein, der sich für Respekt und kulturelle Vielfalt in der Kinder- und Jugendliteratur einsetzt.
Yu, Pei-yun (Text), Zhou, Jian-xin (Illustration):
«Tsai Kun-lin. Eine Graphic Novel aus Taiwan».
4 Bände. Baobab Books, Softcover, farbig,
je CHF 28 / € 26
Band 1: «Der Junge, der gerne las», 168 S.
Band 2: «Die gestohlenen Jahre», 180 S.
Band 3: «Ein neues Leben», 176 S.
Band 4: «Was bleibt», 168 S.
Cecilia Vårhed: «Hohle Parole»
Darling, Zack, Action
Christian Meyer-Pröpstl: Die jungen Protagonist*innen heissen Darling, Zack, Action, Giraffa oder auch Love Warrior. Alle zum Freundeskreis Gehörenden werden zu Beginn des Comicdebüts Hohle Parole der schwedischen Zeichnerin Cecilia VÃ¥rhed einzeln vorgestellt. Und das ist gut, sonst könnte man bei diesem illustren Figurenarsenal leicht den Ãœberblick verlieren, ganz zu schweigen von den Beziehungen untereinander. Darling, die mit Trust Issues zu kämpfen hat, wohnt gratis bei Giraffa und kriegt den Arsch nicht hoch, bis sie rausgeschmissen wird und von da an bei Molligan wohnt. Molligan ist unsterblich in seine polyamore Freundin Ingrid verliebt, leidet aber unter deren anderen Liebschaften. Da hilft auch seine Affäre mit der AusserÂirdischen namens Love Warrior nicht. Zack funkt immer mit guten Ratschlägen dazwischen und der von seinen Eltern gut abgesicherte Alfons hat sich so gar nicht im Griff. Klingt alles ziemlich ungewöhnlich und gewöhnlich zu gleich. Genau so sind die Figuren gezeichnet: Irgendwie normal und zugleich wie eine psychedelische, dadaistische Zirkustruppe. Doch am Ende bewegen sie vor allem Alltagsprobleme: Liebe, Sex, Arbeit, Glück – wie bringt man das auf die Reihe? Cecilia VÃ¥rheds Generationsporträt begleitet eine Handvoll Neurotiker*innen, die versuchen, ihren Alltag zwischen Selbstzweifeln und Selbstüberschätzung, Einsamkeit und Sozialphobie, Prüderie und Kinkyness zu meistern. Das ist zwar stellenweise so traurig, wie man es sich zunächst vorstellt, oft aber auch quietschbunt und fantasievoll. Tatsächlich wird das Szenario immer absurder, und dabei überraschenderweise zugleich immer wahrhaftiger
Cecilia Vårhed: «Hohle Parole».
Edition Moderne, 232 S.,
Softcover, farbig,
CHF 29.80 / € 26
Nadine Redlich: «Doing the Work»
Durch den Alltag mit Ernie und Bert
Giovanni Peduto: Zugegeben, auch ich versuche mein Möglichstes beizutragen, damit unsere Welt eine bessere wird. Aber dann bleibe ich doch vor dem Bildschirm kleben, um noch eine weitere Folge der letzten Hit-Serie auf dem Streamingdienst zu schauen. Daher kann ich mich gut mit dem Wurm in Nadine Redlichs Doing the Work identifizieren, der sich schon irgendwann um die Zukunft der Menschheit kümmern wird, aber weiter in seinen Laptop glotzt. Dabei gibt es heute doch unzählige Ratgeberliteratur, wie man in der heutigen Welt sich selber zum unfehlbaren Menschen optimieren kann. Redlichs Cartoon-Sammlung nimmt mit Hilfe von knuddligen Figuren, anthropomorphen Esswaren oder leblosen Gegenständen Selbsthilfe-Bestseller wie How to Do the Work: Recognize your Patterns, Heal from Your Past, and Create Your Self auf die Schippe. Sie umarmt Prokrastination, Apathie, Faulheit und sinnlose Repetition. Doing the work hat sich in den letzten Jahren in den USA als Redewendung für Weltverbesserer und sogenannte «Selbstheiler» etabliert, wobei «work» etwas bezeichnet, das nicht von heute auf morgen erreicht wird, und obwohl es mit Freude und Optimismus angegangen werden soll, oft schwierige und schmerzhafte Arbeit bedeutet. Diese schmerzhafte Arbeit vermeiden Redlichs Charakteren in ihrem Buch bewusst. Sie geben auch mal einen Scheiss auf alles, was sehr erfrischend ist. Ein Ei schafft es nicht, aufrecht zu stehen und gibt, auf der Seite liegend, ein «I’m never confortable» von sich. Eine Sonne geht auf – wie jeden Tag – und zeigt den Finger. Eine Knuddelfigur zeigt sechs Panels lang das gleiche Lachen, in einem Strip mit dem Titel «Happy Forever». Redlichs Gestalten scheinen aus der Sesamstrasse zu stammen und wir können eine Menge von ihnen lernen: Wie man den Alltag anders anÂgehen und wie man sich weniger ernst nehmen könnte.
Nadine Redlich: «Doing the Work».
In englischer Sprache.
Rotopol, Kassel 2024. 96 S.,
Softcover, farbig.
CHF 27.90 / € 18
Tania Salvador aka La Rata: «Give it to me!»
Gunther Buskies und Jonas Engelmann (Hsg.): «Ab dafür. 10 Trio-Songcomics»
Voll in die Eier
Matthias Schneider: Was man als Erstes im Geschichtsstudium lernt, ist, dass Geschichte von den Gewinnern geschrieben wird und man deswegen die jeweiligen Quellen entsprechend kritisch betrachten muss. Wenn in den 100 besten Songs, die in den Medien veröffentlicht werden, nur drei Frauen gelistet werden, und davon zwei weisse, dann ist dies ein Beleg dafür, wie sehr auch die Geschichte der Popmusik von den Gewinnern geschrieben wird – nämlich von weissen Männern, die sie dominieren, ob als Interpreten, Musiker, Kritiker, Fans, Booker oder Konzertveranstalter. Big Mama Thornton wurde nicht reich, mit ihrem Hound Dog, sie starb verarmt. Elvis Presley mit seiner Weichspülversion verdiente dagegen um so mehr. Frauen werden in der sich gern als liberal und kulturell aufgeschlossen bezeichnenden Musikindustrie bevorzugt als Beiwerk gesehen, entweder als Groupies oder, wenn sie auf der Bühne stehen, sollen sie doch bitte schön und erotisch sein, aber keine eigene Persönlichkeit haben. Starke Frauen auf der Bühne, die sich für ihre Rechte und eine selbst definierte Sexualität einsetzen, die dominant und genial sind, stehen sofort auf der Abschussliste. Erst recht, wenn sie dazu noch schwarz sind, lesbisch, bisexuell oder nicht dem männlichen Schönheitsideal entsprechen. Gerne wird auch bei Frauen der Konsum von Drogen herausgekehrt. Doch während Männer dafür verehrt werden, dass sie vollgepumpt mit Heroin, Koks, Alkohol oder sonstigen Aufputschmitteln Konzerte bestreiten, wird es bei Frauen als eine Form von Schwäche ausgelegt. Tania Salvador aka La Rata ist eine spanische Tätowiererin und Illustratorin, die nun mit ihrem illustrierten Buch Give it to me eine Gegengeschichte der populären Musik veröffentlicht hat. Der Verlag preist es zwar als eine Graphic Novel an, doch es handelt sich tatsächlich nur um illustrierte Wortbeiträge. Diese aber schreiben die Popgeschichte neu, und zeigen wunderbar auf, dass Frauen die eigentlichen Rebellinnen der Musikkultur, Männer aber die eigentlichen Weicheier sind.
Der Ventil-Verlag hat eine besondere Comic-Reihe, in der Zeichnerinnen und Zeichner Songs interpretieren. Jede Ausgabe ist einer Band gewidmet, für die Künstler*innen eingeladen werden, zeichnerische Coverversionen zu schaffen. Die aktuelle Ausgabe beinhaltet 10 Songs der Band Trio, deren «Da, Da, Da»-Hit damals ziemlich enervierend in Dauerschleife lief. Aber nicht nur im deutschsprachigen Raum waren die drei erfolgreich, sie traten damit auch bei Top of the Pops auf und hatten in Kanada sogar Doppel-Platin-Status. Kaum zu glauben, bei einer Formation, die einen eigenwilligen Stil aus Minimalismus, Punk, Nonsens und berührenden Texten schufen, die man bei dem Hit zunächst nicht erwarten würde. Wie verstört wird mancher «Da-Da-Da»-Fan beim ersten Stück des Albums reagiert haben, wenn es mit dem Punkrock-Stück Los, Paul. Du musst ihm voll in die Eier hauen. losging. Jeder Trio-Song steht für sich selbst, textlich und musikalisch, und fügt sich doch in das Trio-Gesamtkonzept ein. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Comic-Versionen, die von Helena Baumeister, Klaus Cornfield, Jul Gordon, Nicolas Mahler, Mawil/Gregor Hinz, Amelie Persson, Nadine Redlich, Sandra Rummler, Jan Soeken und Dominik Wendland geschaffen wurden. Ab dafür ist ein grossartiges Comic-Mixtape, mit der sich die Vielfalt der Trio-Songs noch einmal neu entdecken lässt.
Tania Salvador aka La Rata: «Give it to me!».
Laurence King Verlag, 256 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 51.90 / € 36
Gunther Buskies und Jonas Engelmann (Hsg.): «Ab dafür. 10 Trio-Songcomics».
Ventil Verlag, 112 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 38.90 / € 25
KURZ UND GUT
von Christian Meyer-Pröpstl
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Théa Rojzman und Bernardo Muñoz: «Scum.
Die Tragödie von Valerie Solanas».
bahoe books, 120 S.,
HC, farbig,
CHF 34 / € 26
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Igor Kordej erzählt in Texas Kid, mein Bruder nach einer Kurzgeschichte von Darko Macan die Leiden eines Comic-Zeichners, der im Schatten seines berühmten Vaters steht. Doch nicht nur der Vater ist abweisend, auch dessen fiktiver Cowboy-Held Texas Kid, mit dem er berühmt geworden ist. Der steht plötzlich leibhaftig vor ihm und will ihm den Platz neben seinem Vater streitig machen. Mit Unterbrechungen hat Kordej fast 15 Jahre an der Geschichte gezeichnet, so dass sich – wie er selber im Nachwort anmerkt – der Stil seiner Schwarzweiss-Zeichnungen etwas verändert hat. Doch der ändert sich ebenso oft wie die absurde Story, die uns Leser*innen bis zum verrückten Plot-Twist am Ende in Atem hält.
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Igor Kordej & Darko Macan: «Texas Kid, mein Bruder».
avant verlag, 224 S.,
HC, s/w,
CHF 34 / € 26
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Seit Anfang der 90er-Jahre erforscht Marc-Antoine Mathieu in seiner Reihe um den Angestellten Julius Corentin Acquefacques und anderen Einzelbänden auf kafkaeske und
humorvolle Art das Leben, die Welt und den Comic in labyrinthischen Erzählungen. Mit dem komplett schwarz gehaltenen Deep me hat er sich zuletzt an das Thema KI gewagt, das komplett weiss gehaltene Deep it führt die existentialistische Fragestellung nach künstlichem Bewusstsein fort, und führt das Medium auf einmalige Art an die Grenzen seiner Abstraktionsmöglichkeiten.
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Marc-Antoine Mathieu: «Deep it».
Reprodukt, 120 S.,
HC, s/w + farbig,
CHF 32 / € 24
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In den frühen 1980er-Jahren hatte der Carlsen-Verlag Jacques Tardis Adèle-Abenteuer auf Deutsch verlegt. Dann hatte sich über Jahrzehnte der Schweizer Verlag Edition Moderne dem Werk des einflussreichen französischen Comic-Meisters angenommen, der zwischen historischen Stoffen zu den Weltkriegen oder der Pariser Kommune, Krimi-Adaptionen und seiner Fin-de-Siècle-Geschichte um die Detektivin Adèle wechselte. Tardis jüngstes Werk Elise und die neuen Partisanen, über bzw. mit der Sängerin und militanten politischen Aktivistin Dominique Grange, hätte wiederum bei Carlsen publiziert werden sollen. Doch das Nachwort von Grange, die seit den frühen 1980er-Jahren Tardis Lebensgefährtin ist, stiess den Hamburger Verlegern mit einer Bemerkung über Israel unangenehm auf. Nun hat der All-Verlag, eher bekannt für konventionellere Comics zwischen Genre und Funny, übernommen. Zeichnerisch ist es ein echter Tardi, und auch die Mischung aus Action, Humor und kritischer Zeitgeschichte kennt man so von ihm. Und so erhält man einen detaillierten, aber natürlich durch die beteiligte Autorin Grange, die hier aus unbekannten Gründen Elise heisst, sehr subjektiven und kaum revidierten Einblick in die zunehmende Politisierung um 1968 und die folgende Radikalisierung der Linken, inklusive Antizionismus.
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Jacques Tardi & Dominique Grange:
«Elise und die neuen Partisanen».
All-Verlag, 180 S.,
HC, teilweise farbig,
CHF 35 / € 29,80
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Ebenso widerständig wie Elise/Dominique ist Mafalda. Das quirlige und neugierige Mädchen aus der Feder von Jaoquin Salvador Lavado alias Quino wird 60 Jahre alt. Dies feiert Carlsen mit dem Album 60 Jahre Mafalda, das ca. 500 der knapp 2000 Strips versammelt, die zwischen 1964 und 1973 veröffentlicht und in bis zu 26 Sprachen übersetzt wurden. In der Serie, die deutlich von den Peanuts beeinflusst ist und sich immer klar für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit positioniert, philosophiert die kleine Mafalda über das Leben und bringt so immer wieder die scheinbar geordnete Welt der Erwachsenen durcheinander.
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Jaoquin Salvador Lavado: «60 Jahre Mafalda».
Carlsen, 168 S.,
HC, s/w,
CHF 24 / € 18
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Camille Jourdy macht Kinderbücher und Comics. Oberflächlich betrachtet, erscheint bei ihr beides ähnlich, weil der Zeichenstil etwas Naives, Kindliches und betont Freundliches hat. Wer aber ihre Graphic Novel Rosalie Blum gelesen hat, weiss, dass sich hinter den freundlichen Bildern auch tiefe menschliche Dramen abspielen können. Rosalie Blum wurde bereits verfilmt, und die Verfilmung ihrer gerade auf Deutsch erschienenen Graphic Novel Juliette – Gespenster kehren im Frühling zurück kam im Juli als Juliette im Frühling in die deutschen Kinos. Erzählt wird die Geschichte einer Pariser Zeichnerin, die in ihre Heimat, eine Kleinstadt, zurückkehrt, in der ihre getrennten Eltern sowie ihre Schwester mit Familie leben. Sie alle tragen ihre Päcklein, die im Laufe des Besuchs entpackt werden. Jourdy beobachtet auch in ihrem neuen Buch die kleinen Eigenarten und Ticks ihrer Protagonist*innen mit viel Zuneigung und Verständnis.
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Camille Jourdy: «Juliette – Gespenster kehren im Frühling zurück».
Reprodukt, 240 S.,
HC, farbig,
CHF 38 / € 29
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Mit Die Kälte liegt nun der vierte und somit vorletzte Band von Lukas Kummers Adaption von Thomas Bernhards fünf autobiografischen Erzählungen vor. In Die Kälte kommt der kränkliche junge Thomas Bernhard in die Lungenheilanstalt, wo er trotz oder wegen der extremen Erfahrungen, die er dort in kühler Isolation erlebt, zu seinem Weg als Schriftsteller findet. Zeichner Kummer gelingt es abermals, in seinen oft repetitiven Bilderstrecken für Bernhards stoischen Schreibstil ein visuelles Äquivalent zu finden.
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Lukas Kummer & Thomas Bernhard: «Die Kälte».
Residenz Verlag, 112 S.,
HC, s/w,
CHF 34.90 / € 22
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Am Comic-Salon Erlangen war Seek You – Eine Reise in die Einsamkeit zwar für den besten Sachcomic nominiert, ging aber leer aus. In dem viel beachteten Werk beschäftigt sich Kristen Radke mit der Einsamkeit auf kultureller, philosophischer und soziologischer Ebene in einem mäandernden Fluss zwischen Dokumentation, Essay und persönlicher Erfahrung. Ein aktuelles Thema, das die Bundesregierung ja inzwischen auch mit einer eigenen Strategie zu bekämpfen versucht.
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Kristen Radke: «Seek you – Eine Reise in die Einsamkeit».
bahoe Books, 352 S.,
HC, farbig,
CHF 39 / € 29,90
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Wie kam es eigentlich zum Krieg der Sterne? Die Frage richtet sich nicht an die Prequel-Trilogie, welche die Vorgeschichte der Science-Fiction-Story erzählt, sondern an die Entstehungsgeschichte des ersten Star-Wars-Films in den Jahren 1973 bis 1977. Autor Laurent Hopman und Zeichner Renaud Roche gelingt mit George Lucas: Der lange Weg zu Star Wars die Schilderung einer Reise, die von seinem zweiten Film American Graffiti, über das Projekt einer Flash- Gordon-Verfilmung bis zum überwältigenden Erfolg der SF-Saga reicht. Dabei beleuchten sie detailreich den mühsamen, aber spannenden Weg, den Lucas als Produzent, Drehbuchschreiber und Regisseur durch alle filmischen Gewerke hindurch bis zur Postproduktion geht. Das ist nicht nur für Star-Wars-Nerds spannend.
Eine weitere Filmbiografie haben William Roy und Sylvain Dorange mit Hedy Lamarr realisiert. Die Schauspielerin, als Hedwig Kiesler 1914 in Wien geboren, als noch Minderjährige in einen Nacktszenen-Skandal um den Film Extase (1933) verwickelt, heiratet im selben Jahr den Waffenfabrikanten Fritz Mandl, der sie wie eine Gefangene hält, erst 1937 gelingt ihr die Flucht. In London und später Hollywood, wo sie zwischen 1938 und 1958 in zahlreichen Filmen spielt, wird sie als «schönste Frau der Welt» ein Star. 1940 erfindet sie eine Funksteuerung für Torpedos, die sie patentieren lässt. Der Comic begleitet das abenteuerliche Leben dieser ungewöhnlichen und modernen Frau.
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Laurent Hopmann & Renaud Roche: «George Lucas:
Der lange Weg zu Star Wars».
Splitter, 208 S.,
HC, farbig + s/w,
CHF 43.90 / € 29,80
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William Roy & Sylvain Dorange: «Hedy Lamarr».
bahoe books, 144 S.,
HC, farbig,
CHF 38 / € 28
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Private Venus ist eine Adaption von Giorgio Scerbanencos Venere Privata von 1966, der Auftakt von vier Duca-Lamberti-Krimis, mit denen der Autor kurz vor seinem Tod 1969 grossen Erfolg feiern konnte. Private Venus, 1970 auch verfilmt, erzählt von dem Arzt Lamberti, der wegen Sterbehilfe drei Jahre einsass und nun einem Industriellen-Sohn beim Entzug helfen soll. Hinter dessen Sucht und Depression verbirgt sich aber das Geheimnis um einen Mord an einer jungen Frau, den Lamberti nun aufklären will. Brutal, wie üblich für einen italienischen Giallo-Krimi, konfrontiert uns auch Paolo Bacilieris Adaption mit einem traurigen, schmutzigen und brutalen Italien jenseits der Urlaubspostkarten. Ein bisschen fühlt man sich vielleicht an Jacques Tardis lakonische Nestor-Burma-Adaptionen erinnert – vor allem der Zeichenstil weckt Assoziationen zum französischen Meister. Nur dessen Humor fehlt hier komplett.
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Giorgio Scerbanenco & Paolo Bacilieri: «Private Venus».
avant verlag, 160 S.,
HC, s/w,
CHF 34 / € 25
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Die ehemalige Charlie-Hebdo-Zeichnerin Catherine Meurisse entführt uns in Allzumenschliches mit 46 Philosoph*innen auf eine Reise durch die Philosophiegeschichte. Ihre Version ist aber nicht nur von einer entwaffnenden feministischen Sichtweise geprägt, sondern auch urkomisch, wenn sie sich auf jeweils einer Doppelseite Denker*innen von Sokrates bis Deleuze widmet und diese auf umwerfend komische Art säkularisiert, indem deren bedeutendsten Aussagen in ein Alltagsszenario übertragen werden.
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Catherine Meurisse: «Allzumenschliches».
Carlsen, 96 S.,
HC, farbig,
CHF 34 / € 25
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Ein Norweger auf dem Jakobsweg – der Titel des neuen Comics des international erfolgreichen Zeichners Jason sagt eigentlich schon alles. Mit seinem feinen Strich und seinem ebenso feinen Humor erzählt er autobiografisch von seiner säkularen Pilgerreise auf dem Jakobsweg. Weder die bekannten anthropomorphen Tierfiguren als Protagonist*innen noch der zeichnerische Minimalismus stören die Einfühlung in Jasons ganz unreligiöse Beobachtungen und Selbstbeobachtungen.
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Jason: «Ein Norweger auf dem Jakobsweg».
Reprodukt, 192 S.,
SC, s/w,
CHF 28 / € 20
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Elisabeth Pich, die Zeichnerin aus Saarbrücken, ist mit ihrem Web-Comic War and Peas, den sie seit über zehn Jahren mit Jonathan Kurz wöchentlich in Englisch veröffentlicht, ein internationaler Star geworden. Und auch ihre eigene Reihe Fungirl ist längst in mehrere Sprachen übersetzt. Aber erst jetzt kommt vom Schweizer Verlag Edition Moderne eine deutsche Ausgabe mit den Geschichten um die vulgäre, aggressive, triebgesteuerte Chaos-Queen Fungirl, die mit ihrer Ex Becky und deren neuem Freund, dem Softie Peter, zusammenlebt. Dank Fungirl wird ihrer aller Leben nie langweilig, zum Leidwesen ihrer Mitmenschen. Farbig, wild, und eine grosse Freude für Leser*innen mit einer Vorliebe für Fremdscham.
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Elisabeth Pich: «Fungirl».
Edition Moderne, 256 S.,
SC, farbig,
CHF 31 / € 26
BIOGRAFIEN/LINKS
Frank Schmolke
geboren in München, lebt in der Nähe von München. Ist seit Ende der 1990er-Jahre freiberuflicher Illustrator, Maler und ComicÂautor. Mit seiner Graphic Novel «Nachts im Paradies» (Edition Moderne, 2019) gelang ihm der Durchbruch. Das Buch wurde unter der Regie von Matthias Glasner und Bettina Oberli mit Jürgen Vogel und Lea Drinda in den HauptÂrollen als Serie adapÂtiert. Weitere Bücher sind «Trabanten» und «Freaks» (Edition Moderne, 2013 und 2020) sowie «Der Augensammler» (Splitter, 2021).
schmolke-illustration.com
@herr_schmolke
Lea Gross
geboren, arbeitet und lebt in Bern. Nach ihrem Bachelor in Illustration Fiction an der Hochschule Luzern – Design, Film, Kunst 2015 arbeitete sie selbstständig als KunstÂschaffende sowie in der handwerklichen Produktion von Holzschindeln. 2023 schloss sie ihr zweites Bachelorstudium in Fine Arts an der Hochschule der Künste in Bern ab. Ihre Arbeiten wurden unter anderem im Kunstmuseum Thun sowie in der KunstÂhalle Bern gezeigt.
Eine wichtige Basis in Lea Gross Arbeit bildet die Zeichnung. Diese hat sie in Form von Materialexperimenten oder skulptuÂralen Objekten stetig in den Raum erweitert.
Die Arbeit mit verschiedenen Materialien und Handwerkstechniken sind ein essenÂtieller Teil bei der Entwicklung ihrer Werke.
leagross.com
@leegorb
Fabio Viscogliosi
geboren in Oullins, Frankreich, lebt und arbeitet zwischen Lyon und Genf. Er arbeitet als Künstler, Comic-Zeichner, Schriftsteller und Musiker und hat schon zahlreiche Bücher und Tonträger publiziert. Bei der Edition Moderne erschien 2020 «Kaskade», seine erste Veröffentlichung auf Deutsch.
Seine künstlerische Praxis konzentriert sich auf Malerei und Zeichnung und wird durch verschiedene Einflüsse wie Comics, Literatur, burleskes Kino oder Grafikdesign inspiriert.
Als Musiker hat er mehrere Alben aufgeÂnommen und mit Künstler*innen wie Amedeo Pace von Blonde Redhead oder Vanessa Paradis zusammengearbeitet. Sein aktuelles Album heisst «Camera» (2021).
@fabioviscogliosi
Xenia Landolf
geboren, lebt und arbeitet in Zürich. 2024 schloss sie ihr Bachelorstudium in Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste mit Auszeichnung ab. Ihre künstlerische Praxis beschäftigt sich mit dem Ökosystem des Waldes und der menschlichen Beziehung dazu. Ausgangspunkt ihrer Werke ist das Beobachten und Sammeln von organischen Strukturen und Klängen, die sie mit MateÂrialien wie Wachs, Textil oder Keramik in Skulpturen und Installationen transformiert. Von der Malerei kommend, bleibt diese ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit und dient oft als Grundlage für ihre plastischen Werke. Kürzlich wurden Arbeiten von ihr im Mikro Offspace in Zürich gezeigt.
@xeldaliv
Janne Marie Dauer
geboren in Göttingen. Studierte Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel. Derzeit studiert sie in der Abteilung Malerei und Animationsfilm an der UniÂversität der Angewandten Künste in Wien.
2023 erschien ihre erste Graphic Novel, eine Adaption von Bov Bjergs «Auerhaus» bei Blumenbar.
Sie lebt und arbeitet in Wien und Göttingen. Zu ihren Auftraggeber*innen gehören Sub Pop Records, SWR, Bundeskanzler-Helmut-Schmidt Stiftung, Aufbau Verlag Berlin (Blumenbar).
@jmdauer
Tommi Parrish
geboren in Melbourne, macht Cartoons und Malerei. Aufgewachsen in Australien, lebt Tommi heute im Westen von Massachusetts. Tommis Erstlingswerk «The Lie and How We Told It» wurde mit dem Lambda Literary Award 2019 als beste LGBTQ-Graphic-Novel ausgezeichnet, war für den Ignatz Award nominiert, wurde in vielen Best-of-Listen aufgeführt und in elf Sprachen übersetzt. «menschen vertrauen», das zweite Buch von Tommi Parrish, erschien 2023 auf Deutsch in der Edition Moderne.
@tommi_pg
Christina Baeriswyl
lebt und arbeitet in Zürich. Sie illustriert für verschiedene Kunden wie Zeitschriften, Zeitungen, Banken, Einzelhändler*innen, Musiker*innen, Universitäten, Nachtclubs und einige NGOs.
Christina beschreibt ihren Stil als reduziert, fast minimalistisch, um den Fokus auf die zugrunde liegende konzeptionelle Idee ihrer Illustrationen zu richten.
Ihre Arbeiten wurden mit mehreren interÂnationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der World Illustration Award, American Illustration, Society of Illustration, 3×3 mag.
christinabaeriswyl.ch
@illustrateuse_baeriswyl
Sarah Böttcher
illustriert und zeichnet Comics. Sarah lebt in Berlin und Leipzig und ist Teil der Snail Eye Cosmic Comic Convention. In den freien Arbeiten beschäftigt sich Sarah vor allem mit narrativen, oft autofiktionalen Comics, die von Intimität, Loneliness und queerem Begehren handeln. Sarah hat Illustration an der Universität der Künste Berlin studiert und schliesst momentan das Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig ab.
sarahboettcher.com
@sarahboettcher_
Lina Ehrentraut
geboren in Neuss, lebt in Leipzig. In der Edition Moderne ist von Lina 2019 «Melek + ich» erschienen, das am internatinonalen Comic-Salon Erlangen mit dem Max-und-Moritz-Preis 2022 als bestes deutschÂsprachiges Comic-Début ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Lina Ehrentraut ist Teil des Kollektivs Sqash! und des Organistaionskomitees des Comic-Festivals Snail Eye in Leipzig.
linaehrentraut.de
@linaehrentraut
Jan Bachmann
geboren in Basel. Vorkurs an der Schule für Gestaltung Biel und Studium in Filmregie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin bis 2015. Sein erster Comic «Mühsam, Anarchist in Anführungsstrichen» ist 2018 bei der Edition Moderne erschienen und wurde für den Max-und-Moritz-Preis nomiÂniert. 2019 folgte «Der Berg der nackten Wahrheiten» und 2021 «Der Kaiser im Exil», beide ebenfalls bei Edition Moderne. Er ist selbständig als Comic-Autor, Illustrator und Vermittler tätig. Seit 2022 Studium Master Kunstpädagogik an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK.
janbachmann.info
@janbahmani
Luca Schenardi
studierte «Illustration Fiction» an der HochÂschule Luzern – Design, Film, Kunst. Seit 2003 arbeitet er als freischaffender Illustrator und Künstler. Seine Illustrationen erscheinen in renommierten internaÂtionalen Zeitungen und Magazinen wie New York Times, New York Times Magazine, Bloomberg Businessweek, Süddeutsche Zeitung, das Magazin, Die Zeit und viele andere. In den letzten Jahren hat er sich in der MusikÂszene einen Namen als Designer von Covers und Band-Shirts gemacht. Er kollaboriert öfter mit seiner Partnerin Lina Müller unter dem Namen «Sunpal». Luca Schenardi war 2021 Gewinner des Swiss Design Awards im Bereich Graphic Design.
lucaschenardi.ch
@lucaschenardi
Simone F. Baumann
geboren in einem Vorort von Zürich. Seit 2015 bringt Simone F. Baumann regelmässig ihr eigenes Fanzine «2067» heraus. Ihre Comics wurden sehr schnell recht autobioÂgrafisch, auch wenn die Geschichten meist eine surreale Wendung nehmen.
2021 wurde eine Sammlung von Geschichten aus ihren Fanzines veröffentlicht, zunächst bei der Edition Moderne auf Deutsch und später im selben Jahr bei les Editions Martin de Halleux auf Französisch.
Das Zeichnen und Veröffentlichen des Fan-zines ist immer noch ihr Hauptarbeitsgebiet. Nebenbei macht Simone F. Baumann auch Illustrationen.
simonefbaumann.com
@simone.f.baumann