Getting old is not for sissies
CHF 20.00
Anna Sommer
Sandro Ramseier
Ben Katchor
Orijit Sen
Ulli Lust/Paul Winck
Hélène Becquelin
Xun Zhan
Othman Selmis
Nik Neves
Beschreibung
ANNA SOMMER
SANDRO RAMSEIER
homo-optimus
BEN KATCHOR
Der Jungbrunnen
ORIJIT SEN
Portrait of the Artist as an Old Dog
ULLI LUST/PAUL WINCK
Soulatgé
HÉLÈNE BECQUELIN
Menopause
XUN ZHAN
Der Pfirsichblüten-Frühling
OTHMAN SELMIS
Dem Spiegel ist es egal
NIK NEVES
Zeit des Zeichnens
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EDITORIAL
… wenn deine Ärztin dich nicht mehr mit einem Aspirin® und einem Lächeln nach Hause schickt, sondern dir stirnrunzelnd einen Spezialisten empfiehlt. Wenn die Apothekerin dich mit deinem Namen begrüsst. Wenn du deine Spaziergänge plötzlich danach ausrichtest, wo sich öffentliche Toiletten befinden. Wenn dich in Porno-Filmen die Anatomie der Darsteller*innen weniger interessiert als der Preis des Chippendale-Sofas, auf dem sie sich tummeln. Wenn du entdeckst, dass du vor 46 Jahren an einem Punk-Konzert warst, an dem dein Onkologe mit seiner Band aufgetreten ist. Wenn du nur noch Wohnungsinserate liest, in denen ein Lift erwähnt wird. Wenn du dir überlegst, ob es noch Sinn macht, ein neues Handy zu kaufen. Wenn du zwar noch immer freihändig und ohne Helm mit dem Velo rumkurvst, dir aber beim Absteigen den Fuss brichst. Wenn du beim Wandern mit deiner Frau absichtlich auf einen Frosch am Wegrand trittst, nur um einen gröberen Furz zu übertönen. Wenn du ein STRAPAZIN zum Thema Alter zusammenstellst und dir auffällt, dass ausnahmslos alle Zeichner*innen im Heft jünger sind als du. Wenn dir klar wird, dass du nie mehr ein verfallenes Schloss in Frankreich kaufen und renovieren wirst. Wenn du bemerkst, dass dein um 17 Jahre älterer Schwiegervater dieselben Medikamente verschrieben bekommt wie du. Wenn du die Todesanzeigen durchsiehst und nur darauf schaust, wie viele Jahre vor dir die Verstorbenen geboren wurden. Wenn du neidisch deine zwanzigjährige
(= 96 Menschenjahre!) Katze beobachtest, wie sie auf deinen Schreibtisch springt. Wenn du deine Schildkröte einschläfern würdest, wenn du eine hättest, nur damit sie nicht länger lebt als du. Wenn du unverhältnismässig viele Kochbücher kaufst, aber immer online, damit den jungen Buchhändlerinnen deiner angestammten Buchhandlung nicht auffällt, dass dich Klassenkampf- und Gender-Themen nicht mehr so brennend interessieren. Wenn du derart bösartige Leserbriefe schreibst, dass sie von den Redaktionen regelmässig abgelehnt werden. Wenn dir auffällt, dass du soeben anderthalb Stunden lang interessiert eine Sendung über den Clown-Fangschreckenkrebs geguckt hast. Wenn du nach einer grösseren Wurzelbehandlung beim Rausgehen zufällig mitbekommst, wie sich dein Zahnarzt das teure Chippendale-Sofa kaufen will, das du auch schon irgendwo gesehen hast. Wenn dir bewusst wird, dass du die aktuellen Bestseller nicht kennst, hingegen restlos alle Videos auf YouTube gesehen hast. Wenn du dieses Editorial nicht lesen kannst, weil es zu klein gedruckt ist. Wenn die Verkäuferin dir sagt, dass Bluejeans in deiner Grösse nur im Süden der USA im Handel sind. Wenn dich die EXIT-Leuchten im Kino immer an eine Sterbehilfe-Organisation gleichen Namens erinnern …
Du weisst, dass du alt bist, wenn du nicht mehr weisst, was das Thema dieses Hefts ist und du beim Schreiben des Editorials zuerst auf dem Titelblatt nachschauen musst, worum es geht.
Viel Vergnügen beim Altwerden!
Christoph Schuler
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DAS GESCHRIEBENE WORT
VON WOLFGANG BORTLIK
Dass das Alter nichts für Feiglinge ist, das können mittlerweile einige Strapazin-Mitarbeitende bestätigen, erlebt am eigenen Leib, im eigenen Kopf. Aber wie sagte der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges, von dem auch der obige Titel stammt, einst so schön in einem Interview: «Ja, verdammt, was soll ich machen? Ich lebe einfach stur weiter. Als ich jung war, wollte ich Hamlet sein oder Raskolnikow oder Byron. Das heisst, ich wollte eine tragische und interessante Figur sein. Aber heute nicht mehr, jetzt finde ich mich damit ab, nicht sehr interessant zu sein, eher etwas fad, aber dafür – was nicht weniger wichtig ist – heiter, zumindest bemühe ich mich darum. Heiterkeit ist etwas, wonach wir immer streben können; vielleicht erreichen wir sie nie ganz, aber wir erreichen sie leichter im Alter als in der Jugend. Und die Heiterkeit ist das höchste Gut.»
Borges (1899–1986) hat sich das Paradies immer als Bibliothek vorgestellt. Keine schlechten Aussichten für ein erfülltes Alter. Aber schlechte Ironie, dass ausgerechnet Borges 1955 erblindete und als Vorsteher der argentinischen Nationalbibliothek nicht mehr lesen konnte. Von sich hat er behauptet, er sei als Leser besser denn als Schriftsteller, was ich jetzt nicht so unterschreiben würde. Borges ist nicht zu Unrecht für seine fantastischen und magischen Geschichten berühmt. Wenn euch also, junge oder mittelalte Lesende, jemand daherkommt und meint, Fantasy sei Quatsch, dann haut ihm Borges um die Ohren.
Der altersweise Argentinier unterhält sich in einem sehr schönen, trostreichen Buch mit dem Journalisten Osvaldo Ferrari über das Alter, Kriminalgeschichten, Entdecken und Wiederlesen, Liebe und Verzückung, Tiger, Labyrinthe und anderes mehr. Der Titel ist schon mal vielversprechend: Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn.
Eines der frühen populärwissenschaftlichen Bücher über das Alter ist von Simone de Beauvoir (1908–1986) geschrieben worden. 1970 veröffentlichte sie La Vieillesse, 600 Seiten stark. Berühmt war die Schriftstellerin und Philosophin damals schon, vor allem wegen ihrer schon 1951 erschienenen feministischen Studie über die Rolle der Frau in der Gesellschaft Le Deuxième Sexe. «Man ist nicht als Frau geboren, man wird es», so ihre zeitlos aktuelle Erkenntnis.
20 Jahre später beklagt Beauvoir sich darüber, dass die Alten von der Gesellschaft vernachlässigt würden. «Dass ein Mensch während der letzten 15 oder 20 Jahre seines Lebens nur noch Ausschuss ist, offenbart das Scheitern unserer Zivilisation.» Vielleicht würde es sie trösten, wenn sie sähe, wie heutzutage die Alten als Konsumenten umgarnt werden. Silbergraue Perfektmenschen, welche die Früchte ihres langen Lebens jetzt endlich geniessen und dafür ordentlich Geld ausgeben können.
Auch deswegen gibt es mittlerweile genügend Ratgeber*innen- und Bekenner*innen-Literatur für den letzten Lebensabschnitt. Als jüngstes Werk ist vielleicht Altern von Elke Heidenreich erwähnenswert. Das ist die Frau, die Groucho Marx als mit «einer Grammophonnadel geimpft» bezeichnet hätte, weil sie immer recht wortreich ist, etwa wenn sie im Schweizer TV meist haltlose Literatur-Propaganda betreibt. In ihrem Buch erzählt sie das Übliche, aber immerhin kann sie als Bestseller-Autorin ihre Träume und Wünsche auch noch im Alter ausleben. Das sei ihr vergönnt.
Besagter Groucho Marx, einer der grössten Komiker aller Zeiten, starb übrigens 1977 mit 87 Jahren in Hollywood und meinte: «Es ist nicht sonderlich interessant, über das Alter zu reden. Jeder kann alt werden, und jeder wird älter, wenn er nur lange genug lebt.» Und er hat sich damals bange gefragt, wie 85 Kerzen auf seiner Geburtstagstorte Platz haben sollen.
All diese populärwissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich Altersforschung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Alte Menschen, die wohlhabend, gut ausgebildet, von freundlichen Menschen und einer liebevollen Familie umgeben sind, haben damit schon mehr für Gesundheit und Wohlsein im Alter getan, als solche, die einsam, mit einer kargen AHV bedacht und von universeller Langeweile bedroht, plötzlich anfangen, an Rohkost zu knabbern und ins Fitness-Studio zu gehen.
Wenn einem kein vollendeter Zynismus gegeben ist, dann denkt man momentan recht verstört an das Geschehen in den Vereinigten Staaten von Donald Trumps Gnaden. Was wird nicht alles verschwinden bei diesen gnadenlosen Säuberungen durch selbstgerechte Dummbeutel, die offensichtlich nicht aufzuhalten sind. Man wartet ja geradezu auf die ersten öffentlichen Bücherverbrennungen, wobei die Hoffnung besteht, dass diese digitalen Volltrottel vielleicht nicht wissen, was ein Buch ist.
Gefährdet sind jedenfalls die Werke von Ursula K. LeGuin (1929–2018). Sie hat einst die Ökologie und den Feminismus in die Science Fiction eingeführt und für eine zumindest literarische Machtübernahme durch die Fantasie plädiert. Unter anderem hat sie den Roman The Left Hand Of Darkness geschrieben, in dem die humanoiden Bewohner*innen eines Planeten namens Gethen oder Winter in monatlichen Abständen in eine sexuell erregbare Phase treten. Doch wissen sie vorher nie, ob sie sich zu einem männlichen oder zu einem weiblichen Geschlechtspartner entwickeln werden.
Ja, und meine jüngste Tochter wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass LeGuins Earthsea-Saga das Vorbild für Harry Potter und Co. gewesen ist.
Neben ihren Fantasy- und Science-Fiction-Romanen gibt es auch ein paar Bücher mit Essays von LeGuin. Im kurz vor ihrem Tod erschienenen Buch Keine Zeit verlieren. Über Alter, Kunst, Kultur und Katzen sind Kurzgeschichten und philosophische Betrachtungen versammelt. Vom wohlfeilen Spruch «Man ist so jung, wie man sich fühlt», hält LeGuin nicht viel und meint:
«Man sollte sich nicht lange aufhalten mit dem Alter, denn die Zeit verrinnt schnell. Im Alter hat man keine Zeit mehr, sich gross mit sich selbst zu beschäftigen. Das ist gut, es gibt andere Dinge zu erledigen, anderes zu tun.»
Diesen Ratschlag haben viele ihrer Kolleg*innen befolgt. Auch ich bin wie LeGuin der Meinung, dass es eine Überlebensstrategie ist, nicht über das Alter zu schreiben. Deswegen ist der Zustand der «verminderten Leistungsfähigkeit» oder gar die Multimorbidität in den letzten Lebensjahren eigentlich keines der übermächtigen Themen in der Literatur. Möglicherweise haben die noch nicht so alten Schreibenden einen gewissen Respekt oder gar Angst vor diesen Unabänderlichkeiten und verbannen sie deshalb aus ihrem Werk. Viele sind wohl auch zu früh gestorben, um sich diesbezüglich Gedanken machen zu können. Und die wirklich Alten wollen sich verständlicherweise nicht übermässig mit dem Thema beschäftigen, weil es sie eh schon überall zwickt und zwackt.
Der Oldtimer, der in Ernest Hemingways Roman Der alte Mann und das Meer unter Qualen den grossen Schwertfisch fängt, den ihm dann auf der langen Rückfahrt in den Hafen die Haie wegfuttern, der könnte auch ein junger Fischer sein. Hemingway selbst hat sich mit 61 Jahren erschossen, schwer krank, depressiv und alkoholabhängig.
Emilio Brentani hingegen, der Protagonist in Italo Svevos Roman Ein Mann wird älter ist dermassen vorsichtig und auf der ständigen Flucht vor den Niederungen der Leidenschaft, dass er schon mit 35 Jahren ein Greis ist.
Gerade lese ich einen eindrucksvollen Roman über das Leben einer sogenannt einfachen Frau, der selbstverständlich mit deren Alter und Tod endet. Unter dem schön vieldeutigen Titel Schwebende Lasten erzählt Annett Gröschner die Lebensgeschichte der Blumenbinderin Hanna Krause aus Magdeburg. Während des 2. Weltkriegs verliert sie zwei Kinder und ihren Blumenladen. In den ersten Jahren der Deutschen Demokratischen Republik wird sie zur Kranführerin in einem Stahlwerk umgeschult und ihr Mann wird zum Krüppel. Es geht stets ums Überleben, aber Hanna Krause hat ja ihre Blumen, mit denen sie reden kann. Gröschner, 1964 in Magdeburg geboren, weiss genau, wie man eine Lebensgeschichte erzählt. Elke Heidenreich findet den Roman übrigens toll und sagt dazu: «In perfekter Balance zwischen lakonisch und herzzerreissend wird hier ein Leben in diesem fürchterlichen 20. Jahrhundert erzählt.» Wo sie recht hat, da hat sie recht.
BOOKLIST
Jorge Luis Borges: «Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn. Gespräche mit Osvaldo Ferrari».
Kampa Verlag, Zürich 2018,
319 Seiten, CHF 33.– / EUR 24
Simone de Beauvoir: «Das Alter».
Rowohlt Taschenbuch, 2000.
776 Seiten, CHF 28.– / EUR 20
Elke Heidenreich: «Altern».
Hanser Verlag, Berlin 2024,
112 Seiten, CHF 28.– / EUR 21.50
Ursula K. LeGuin: «Keine Zeit verlieren.Über Alter, Kunst, Kultur und Katzen».
Golkonda Verlag 2025,
262 Seiten, CHF 34.– / EUR 24
Ursula K. LeGuin: «Die linke Hand der Dunkelheit».
Neu übersetzt von Karin Nölle.
Fischer Tor 2023,
352 Seiten, CHF 26.– / EUR 18
Annett Gröschner: «Schwebende Lasten».
C.H. Beck Verlag 2025,
282 Seiten, CHF 36.– / EUR 26
Groucho Marx: «Groucho and Me».
Random House, Virgin Books 2009, in englischer Sprache,
272 Seiten, $ 12
Empfehlenswert ist auch Charlotte Chandler: «Groucho und seine Freunde».
Rogner & Bernhard 1989.
Nur noch antiquarisch erhältlich.
Illustrationen Emanuel Tschumi
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PFLICHT LEKTüRE
Elisa Macellari und Luca Pozzi: «Loops»

Schleifenquantengravitation
Was haben Schwarze Löcher mit Gibbons zu tun? Unter anderem darum geht es in dem interdisziplinären Sachcomic von Luca Pozzi und Elisa Macellari. Loops erzählt in wunderschönen Bildern, wie der italienische Physikprofessor und Autor Carlo Rovelli und sein Landsmann, der bildende Künstler Luca Pozzi, durch eine opulent wuchernde Pflanzenwelt in Südostasien wandern und sich dabei unterhalten. Mitten im Dschungel enthüllt der Künstler dem Wissenschaftler schliesslich, welche Verbindung er zwischen Schwarzen Löchern und Gibbon-Affen gefunden zu haben glaubt. Der Titel des Comics bezieht sich auf die Theorie der Schleifenquantengravitation (loop quantum gravity), deren Ziel es ist, Relativitätstheorie und Quantenmechanik zu vereinen und an deren Entwicklung Rovelli massgeblich beteiligt war. Luca Pozzi, der sich sehr für unter anderem Physik und Informatik interessiert, hat sich im Lauf mehrerer Begegnungen mit Rovelli angefreundet, und so entstand die Geschichte zu Loops. Pozzis Partnerin, die Illustratorin Elisa Macellari, hat Bilder und Farben dazu gefunden, die mit ihren elegant geschwungenen Linien und zartem Leuchten nicht nur grossartig aussehen, sondern die Unterhaltung über Wissenschaft, Philosophie, Schwarze Löcher und Elementarteilchen auch anschaulicher machen. Klassische Comic-Panels mit Sprechblasen werden ergänzt durch die Visualisierung von Wissenschaftstheorien, etwa die Darstellung von Raumzeit als ein hübsches Geflecht von ineinander verschlungenen apricot-farbenen Schleifen (Loops) vor türkisfarbenem Hintergrund. Den sieben Kapiteln des Comics ist jeweils ein auf eine leere Seite «geklebter» gelber Post-it-Zettel vorangestellt, auf denen das Folgende in einigen Stichworten gegliedert wird. Ganz hinten angefügt findet sich ein nützliches Glossar, das Begriffe und Namen wie Quantengravitation, den Physiker Lee Smolin, die Hubble-Konstante, das Partizipatorische Universum oder das Weisse Loch kurz erläutert. Das hat den Vorteil, dass im Comic selbst keine weitschweifigen Erklärungstextwüsten oder Fussnoten nötig sind, und sich auch Menschen ohne Faible für Physik zurechtfinden können. Allerdings ist es durchaus auch vergnüglich, sich in diesem so ästhetisch gestalteten Dschungel aus Pflanzen und Wissen, aus Theorien und Augenzwinkern einfach so zu verlieren.
Barbara Buchholz
Elisa Macellari und Luca Pozzi: «Loops»,
aus dem Italienischen von Myriam Alfano,
Jaja Verlag, 168 S., Hardcover, farbig,
CHF 39.90 / EUR 26
Taťána Rubášová und Jindřich Janíček: «William & Meriwether auf wundersamer Expedition»

Lewis, Clark und die Roboter
Das Eröffnungsbild des Comics William & Meriwether auf wundersamer Expediton zeigt schon klar, worum es geht, um Roboter: In diagonalen Reihen marschieren sie mit eckig geformten Leibern und kantigen Köpfen von oben rechts nach unten links über die Seite. Mit hängenden Armen starren sie aus gelben oder blauen Displays stumpf vor sich hin. Durch dieses exakte Muster drängen sich in genau entgegengesetzter Richtung zwei baugleiche Gestalten. Die vordere trägt einen Hut und räumt mit beiden Armen den Weg frei. Die hintere, um deren Schultern ein Umhang flattert, hält die Arme wie in Abwehr vor der Brust. Die Geschichte spielt in einer nicht näher benannten postapokalyptischen Zukunft, in einer von Robotern bewohnten und von einer Mauer umgebenen Stadt. Dahinter, so wird angenommen, befindet sich nichts (mehr). Nun aber werden die beiden Wissenschaftsroboter William und Meriwether losgeschickt, dieses «Nichts» zu erkunden. Sie sind gewissermassen Nachfahren von Meriwether Lewis und William Clark, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Auftrag des Präsidenten Thomas Jefferson loszogen, den noch unbekannten Westen der USA zu erforschen. William XB 107531 (der mit dem Cape) ist eher der vorsichtige Typ, aber begierig danach, ausserhalb des Labors der Frage nach der Herkunft ihrer Art nachgehen zu können. Zugeteilt wurde ihm der einfacher programmierte, aber forschere Meriwether HK-031961, der stets einen Hut trägt und sich abenteuerlustig gibt. Die beiden bilden ein komplementäres, aber doch kontrastreiches Forschungsteam, wie dem Logbuch zu entnehmen ist, in dem William die gemeinsame Reise mit ihren Höhen, Tiefen und überraschenden Erkenntnissen schildert. Dieser amüsante Bericht stammt aus der Feder der Autorin Taťána Rubášová. Ihr Text steht unter den wie Druckgrafik anmutenden Bildern des Illustrators Jindřich Janíček, die in Blau, Gelb, Grün und Weiss grossartige Farbstimmungen erzeugen und in feinen Schraffuren all die wundersamen Landschaften und Fundstücke in ihrer Vielfalt wiedergeben. Auch wenn Bilder und Text hier getrennt voneinander sind, wirken sie doch verschränkt, sie ergänzen einander. So stark Janíčeks Grafik ist, so schön und voll leiser Komik ist Rubášovás Sprache – und dass ihre tschechischen Wortspiele auch im Deutschen funktionieren, ist sicherlich der Übersetzerin Katharina Hinderer zu verdanken. Zum Beispiel: «Es war zu einer defekten Datenkompression gekommen – einer Depression.»
Barbara Buchholz
Taťána Rubášová und Jindřich Janíček:
«William & Meriwether auf wundersamer Expedition»,
aus dem Tschechischen von Katharina Hinderer,
Avant-Verlag, 192 S.,
Softcover, farbig, CHF 43.90 / EUR 30
Ulli Lust: «Die Frau als Mensch. Am Anfang der Geschichte»

Die Frau als Mensch
«In zeitgenössischen Bildern sah die Steinzeit bis vor wenigen Jahren männlich aus», erklärt Ulli Lust im ersten Band ihres Sachcomics Die Frau als Mensch. Am Anfang der Geschichte. «Wir sahen Männer beim Kämpfen, Jagen, Hämmern, Malen, Schnitzen, Musizieren, beim Denken und Erfinden.» Eine Perspektive auf die Jahre 40 000 bis 11 000 vor unserer Zeitrechnung, die aus wissenschaftlicher Sicht nicht mehr zu halten ist; schon lange ist bekannt, dass das Verhältnis von Frauen- und Männerdarstellungen aus diesem Zeitalter bei hundert zu eins liegt, was allerdings noch nicht als kollektives Wissen in die Gesellschaft eingesickert ist. «Man geht heute davon aus, dass die Frauen in der Eiszeit gejagt haben», erklärt Lust. «Die Frauen in der Eiszeit waren kräftig. Viele Skelette, die aufgrund ihrer Statur als männlich eingestuft worden waren, entpuppten sich nach DNA-Untersuchungen als weiblich.» In ihrem auf zwei Bände angelegten Blick auf die Frühgeschichte der Menschheit ändert Ulli Lust daher diese Perspektive und holt die Frau aus dem Schatten hervor. Sie macht dies vor allem anhand der erhaltenen Kunstwerke jener Zeit, denn aus diesem Zeitalter wurden von Forschern weltweit seit dem 19. Jahrhundert neben Höhlenmalereien auch Frauenfiguren gefunden, am bekanntesten wohl die Venus von Willendorf.
Die Frau als Mensch steckt voller intensiver Recherchearbeit, die man dem sehr nahbaren und selbstironischen Erzählton und den detailreichen Schilderungen jedoch nicht anmerkt. Die Frau als Mensch ist dabei keineswegs eine feministische Neuschreibung der Geschichte, in der die Rolle der Männer überschrieben wird, sondern eine Darstellung der Anfänge der Menschheit, in der ganz selbstverständlich beide Perspektiven ihren Raum haben. Dem vorherrschenden Bild des bärtigen, kämpferischen Neandertalers stellt Lust eine Perspektive auf die Menschen als soziale Wesen gegenüber, deren Überleben von einem gemeinschaftlichen, solidarischen Miteinander abhing. «Eigentlich geht es mir um die Darstellung egalitärer Gesellschaftssysteme und um das Ausbalancieren eines Übergewichts, einer männlichen Omnipotenz», erklärt Lust in einem Interview. Ulli Lusts Blick in die Frühzeit des Menschen wird von Episoden in der Gegenwart unterbrochen, in denen die Autorin und Zeichnerin danach fragt, wie uns dieser Blick auf den Mann als Jäger bis heute prägt, in welchen Verhaltensweisen Echos der Vergangenheit zu finden sind.
Jonas Engelmann
Ulli Lust: «Die Frau als Mensch. Am Anfang der Geschichte».
Reprodukt 2025, 256 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 42.90 / EUR 29
Birgit Weyhe: «Schweigen».

Internationalistisch denken!
«Das Schweigen angesichts dessen, was erlebt worden ist, ist ein anderes als das Schweigen angesichts dessen, was getan worden ist», hat der Autor Marcel Beyer einmal über den Holocaust geschrieben. «Das Schweigen derer, die nicht mehr sprechen können, ist ein anderes als das Schweigen aufgrund von Wissen». Schweigen ist zu unterscheiden vom Verschweigen, das Verstummen angesichts des erlebten Grauens abzugrenzen von Verdrängung und Schuldabwehr. Dieser Kontrast steht auch im Mittelpunkt von Birgit Weyhes aktueller Graphic Novel Schweigen, in der sie verschiedene Facetten des (Ver-)Schweigens aufzeigt.
Weyhe verschränkt zwei Biografien, die unterschiedliche geografische und zeitliche Ausgangspunkte haben, um sich schliesslich auf tragische Weise in den Siebzigerjahren zu berühren. Zunächst lernt man Ellen Marx kennen, eine junge jüdische Berlinerin, die 1939 als 17-Jährige mit einer Pfadfindergruppe nach Argentinien emigrieren kann, während der Rest ihrer Familie von den Nazis ermordet wird. Sie lernt dort ihren späteren Mann kennen und gründet eine Familie, doch wirklich als Teil der argentinischen Gesellschaft wird sie sich niemals fühlen. Das gesellschaftliche Schweigen über die Verbrechen der Nazis wiederum bringt die 1947 in der BRD geborene Elisabeth Käsemann dazu, sich politisch engagieren zu wollen. «Deshalb ist es so wichtig, dass unsere Generation internationalistisch denkt!», erklärt sie zwei Freundinnen. «Wir müssen Gerechtigkeit und Freiheit für alle Völker erreichen!». Im Zuge ihres Studiums geht sie 1968 für ein Praktikum nach Südamerika und findet sich einige Jahre später im politischen Widerstand gegen die argentinische Militärjunta in Buenos Aires wieder. Im Mai 1977 wird sie nach ihrer Verhaftung – nach Verhören und Folter – von den Militärs erschossen. Das gleiche Schicksal erleidet auch die Tochter von Ellen Marx, Nora.
Schweigen ist immer dann am stärksten, wenn es dem Schweigen tatsächlich Raum gibt, das Grauen der Nazis nicht in Worte oder eindeutige Bilder packt, sondern in wortlose abstrakte Zeichnungen, wenn die von den Militärs ermordeten, die Verschwundenen, tatsächlich im Tiefschwarz der Buchseiten verschwinden oder das angespannte, sorgenvolle Warten der Angehörigen nur vom nervösen Ticken einer Uhr begleitet wird. Hier wird die Möglichkeit des Mediums Comic deutlich, abstraktes historisches Wissen über künstlerische Zugänge nachvollziehbar zu machen. Leider traut Weyhe ihren Leser*innen diese Übertragungsleistung nicht über die gesamte Länge des Comics zu, der entgegen seines Titels dazu neigt, wortreich in historische Kontexte und Hintergründe einzuführen, und auch seinen Protagonist*innen sehr viel Text in den Mund legt, der teilweise weitere historische Fakten referiert. Diese Entscheidung der Künstlerin ist vermutlich dem eher jüngeren Publikum geschuldet, bei dem man den Antisemitismus der NSDAP oder die Nürnberger Gesetze leider nicht mehr als Allgemeinwissen voraussetzen kann.
Jonas Engelmann
Birgit Weyhe: «Schweigen».
Avant-Verlag 2025, 368 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 54.90 / EUR 39
Alexander Braun: «Black Comics. Vom Kolonialismus zum Black Panther»

Schon wieder im Kongo:
Tim und Struppi
Seit Jahrzehnten ist Tim im Kongo wegen seiner kolonialistischen Haltung umstritten – der jüngste Versuch, den Band wegen Rassismus aus dem Verkehr zu ziehen, scheiterte 2010. Gleichzeitig seien, fand Alexander Braun heraus, Tim und Struppi in der ehemaligen belgischen Kolonie Kongo sehr beliebt. Ist womöglich ausgerechnet Tintin ein Grund, dass die vitalste Comic-Szene Afrikas im Kongo beheimatet ist?
Das Thema, das der Künstler und Kunstwissenschaftler Alexander Braun für sein jüngstes Ausstellungs- und Katalogprojekt Black Comics. Vom Kolonialismus zum Black Panther gewählt hat, ist hochkomplex, voller Widersprüche, durchaus heikel und vor allem ungenügend erforscht. Hoch anzurechnen ist es Braun deshalb, dass er sich des Themas offen und unvoreingenommen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln annimmt.
In Black Comics geht es etwa um rassistische und kolonialistische Stereotypen in europäischen und US-amerikanischen Comics. Es geht um die langsame Entwicklung schwarzer Comic-Figuren, von rassistisch karikierten Sidekicks bis zu Protagonist*innen eigener Abenteuer, wie z.B. Black Panther, der seine ersten Abenteuer bereits 1966 erlebte, 50 Jahre vor seinen Erfolgen als Film. Es geht um schwarze Künstler*innen – ob sie nun im Dienste weisser Herren und Serien standen wie der wichtige Disney-Mitarbeiter Floyd Norman (*1935) oder ob sie eigene Geschichten erzählen wie Marguerite Abouet mit Aya. Es geht um die Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, um die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die in Graphic Novels wie Howard Cruses Stuck Rubber Baby ihren Widerhall fand. Es geht nicht zuletzt auch um die afrikanischen Comic-Szenen – im Kongo beispielsweise. Und es hat Platz für eine Autorin wie Birgit Weyhe, deren Aufwachsen in Uganda und Kenia einige ihrer Bücher inspiriert hat.
Das ist ein Teil der vielen Themen, Aspekte, Perspektiven, Geschichten, die sich auf über 400 grossformatigen und reich illustrierten Seiten verknäueln, aneinander reiben und miteinander vermählen zu einer langen, nicht immer linearen, streckenweise fragmentarischen, oft problematischen und widersprüchlichen, aber immer spannenden Geschichte, die längst nicht abgeschlossen ist.
In Black Comics hat Alexander Braun Zonen in der Comicgeschichte aufgesucht, die kaum jemand vor ihm erforscht hat und legt einen Wälzer vor, der sich wie ein fulminanter Roman über einen vernachlässigten, aber wichtigen Aspekt der Comic- und Kulturgeschichte des 20. und frühen 21. Jahrhunderts liest.
Christian Gasser
Alexander Braun: «Black Comics.
Vom Kolonialismus zum Black Panther».
Panini Verlag, 416 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 67.90 / EUR 49
Luz: «Zwei weibliche Halbakte»

Halbakte und Hakenkreuze
Der Maler Otto Müller flirtet mit der Tochter eines jüdischen Kunstsammlers – er versucht, sie zum Modellstehen zu überreden. Im Hintergrund, wir erblicken sie durch das Fenster des gutbürgerlichen Wohnzimmers, torkeln zwei besoffene Nazis ins Bild und pissen ein Hakenkreuz an das gegenüberliegende jüdische Geschäft. Wir sind in Breslau, in den späten 1920er-Jahren, Otto Müller hat soeben sein 1919 entstandenes Gemälde Zwei weibliche Halbakte an den Anwalt und Kunstsammler Ismar Littmann verkauft.
In Zwei weibliche Halbakte erzählt Luz die Biografie dieses Gemäldes – und zwar ausschliesslich aus dessen Perspektive; er zeichnet nur auf, was das Bild sieht und hört. Diese Einschränkung ist eine narrative und formale Herausforderung, macht inhaltlich aber Sinn und trägt viel zur beklemmenden Wirkung der Graphic Novel bei.
Es liegt nicht am Bild, dass der Nationalsozialismus in Deutschland triumphiert, dass Ismar Littmann sich umbringt, um den Schikanen der Nazis zu entgehen, dass seine Familie für die Finanzierung der Flucht die Kunstsammlung verkauft und dabei über den Tisch gezogen wird; das Bild trägt keine Schuld, dass es 1937 Teil der berüchtigten Ausstellung Entartete Kunst ist, 1939 in Luzern an einer Versteigerung von NS-Raubkunst unter den Hammer kommt und 1941 von dem auch in der Schweiz wohlbekannten Kunsthändler Hildebrand Gurlitt zu einem Spottpreis erworben wird. In der Biografie des Bilds spiegelt sich die grosse Geschichte, doch das Bild ist nur deren Spielball, deren Opfer, ein stummer Beobachter. Die Täter sind die Menschen. Die exakt recherchierte Reise dieses Bilds durch das 20. Jahrhundert zeichnet Luz auf stupende Weise nach – bis in die Gegenwart: 1999 wird das Gemälde, das im Museum Ludwig in Köln gelandet ist, an seine rechtmässige Besitzerin zurückgegeben – an Littmans Tochter Ruth, die Otto Müller 70 Jahre zuvor zum Modellstehen bewegen wollte. Diese verkauft es an das Museum zurück.
Luz interessiert sich schon lange für die Geschichte des Dritten Reichs. Noch mehr beschäftigt er sich mit dem gegenwärtigen Aufstieg des Rechtsextremismus. Bereits 1998 wurde er vom Front National (heute: Rassemblement National) vor Gericht gezerrt, weil er Le Pens rechtsextreme Partei in Charlie Hebdo verspottet hatte. Der aktuelle Bezug von Zwei weibliche Halbakte schimmert durch, auch ohne direkt angesprochen zu werden: Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, wie rechtsextreme Parteien auf dem Vormarsch sind und wie autokratische Regierungen etwa in Ungarn, Russland oder den USA die Kultur zu instrumentalisieren versuchen.
Genau das erzählt Zwei weibliche Halbakte, das am Comic-Festival von Angoulême zum besten Comic des Jahres gekürt wurde. Zu Recht.
Christian Gasser
Luz: «Zwei weibliche Halbakte».
Aus dem Französischen von Lilian Pithan,
Reprodukt, 192 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 42.90 / EUR 29
Ken Krimstein: «Einstein in Kafkaland»

Einstein, Kafka, Berta Fanta
Wenn eine Graphic Novel schon im Titel die Namen Einstein und Kafka trägt und zugleich an Alice im Wunderland erinnert, dann wirkt das nach Verkaufskalkül. Diesem Verdacht nimmt der Autor Ken Krimstein, seines Zeichens auch Cartoonist bei New Yorker und Wall Street Journal, gleich zu Beginn von Einstein in Kafkaland den Wind aus den Segeln.
Auf der ersten Doppelseite sammeln sich die Tourist*innen auf dem Altstädter Ring in Prag. Sie schiessen Selfies und tragen T-Shirts mit Aufschriften wie «E = mc2» oder «Kafka Burger». Beides verdeutlicht, wie sehr Albert Einstein und Franz Kafka nicht nur zwei Schlüsselfiguren der modernen Wissenschaft und Literatur sind, sondern auch Ikonen der Popkultur. Beide drangen im frühen 20. Jahrhundert in Welten vor, die nicht dem gesunden Menschenverstand gehorchten. Ihre Vorstellungen über Zeit, Raum, Realität und Ich-Identität reichten weit über die damalige Vorstellungskraft hinaus.
Krimstein setzt mit seiner Erzählung an, als Einstein noch nicht der berühmte Erfinder der Relativitätstheorie und Franz Kafka noch nicht der literarische Meister des Absurden und Grotesken war. Seine Graphic Novel spielt 1911 und 1912, als Einstein als gelangweilter Patentprüfer und Kafka als grübelnder Versicherungsexperte arbeitete. Beide waren damals in Prag und besuchten denselben literarischen Salon der stadtbekannten Künstlerin, Mystikerin und Apothekerin Berta Fanta. Zudem war Kafka an Einsteins Vorlesung über den Einfluss der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichtes.
In Prag ist sich Einstein noch nicht schlüssig über seine Theorie. Der Zeichner Krimstein stellt die Überwindung seiner Zweifel als eine Art «Gang ins Kaninchenloch» dar, dies als Reminiszenz an «Alice im Wunderland». Schliesslich brach auch Lewis Carroll in seinem Roman mit den konventionellen Begriffen von Raum und Zeit.
Was bei Krimstein sehr deutlich zu Tage tritt, ist wie sehr Einsteins und Kafkas Begegnung in eine historische Phase fällt, in der sich eine neue Ära abzeichnete. Krimsteins feine, erd- und meerfarbig aquarellierten Zeichnungen untermalen diese Welt im Wandel, in der sich die traditionelle Ordnung auflöst. Manchen Panels fehlt der Rahmen und sie wirken, als befänden sie sich im freien Fall. Das passt zu Einsteins Ringen um die Begründung der Relativitätstheorie, aber auch zu Kafka, der beim Schwimmen erkennt, Literatur müsse so unmittelbar sein wie kaltes Wasser im Fluss, und Lesen sollte befremden, aufwühlen, aus der Bahn werfen.
Krimsteins Graphic Novel ist weder Sachbuch noch Biografie. Einstein in Kafkaland ist ein wunderbarer, grafischer Roman darüber, wie grosse Ideen nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern im Austausch von Menschen und in der Reibung mit den Zwängen der Zeit. Es ist ein Weckruf, sich die Zeit zu nehmen, um die eigenen Gedanken zu entfalten.
Florian Meyer
Ken Krimstein: «Einstein in Kafkaland».
Kjona Verlag, 224 S.,
farbig, Softcover.
CHF 36.90 / Euro 25
Olivier Schrauwen: «Sonntag»

Ein träger Sonntag
Manche Sonntage beginnen verheissungsvoll mit dem Vorsatz, zu tun und lassen, was einem beliebt. Doch oft stellt man abends ernüchtert fest, nur Zeit vergeudet zu haben. Von dieser vertanen Zeit handelt Sonntag, die geniale Graphic Novel des Zeichners Olivier Schrauwen. Der Belgier zeichnet darin minutiös nach, wie sein Cousin Thibault einen Sonntag verbringt. Dabei passiert nichts Besonderes: Thibault trinkt Kaffee, badet, liest E-Mails, hört Musik, döst, kocht, ist im Garten, schaut zwei Filme, raucht Zigaretten und schläft ein.
Bild für Bild begleiten wir Thibault, wie er seine Absichten verwirft, wie er sich zu nichts aufraffen kann und wie sein Tag planlos dahinplätschert. Wir sehen, wie er sich schwertut, seiner Freundin zu schreiben und immer tiefer in seinen Gedanken versinkt. Als er Musik hört, scheint es, als schwebe er über dem Bett, doch dies ist eine raffinierte perspektivische Täuschung des Zeichners, der ihn von oben auf dem Boden liegend darstellt.
Schrauwens brillante, visuelle Einfälle verleihen der Graphic Novel einen eigenen Charme und machen Sonntag zu einer kurzweiligen und listig-vergnüglichen Lektüre. Bei aller Banalität, die Thibaults Alltag durchzieht, ist zugleich auf jeder Seite die liebevolle Ironie des Autors spürbar. Sie zeugt von Schrauwens Hingabe zu den Menschen und ihren Schwächen. In seiner Offenheit ist Sonntag ein zutiefst humanes Werk, das überraschend endet.Der zarte Hauch des Unvollkommenen spiegelt sich in der Drucktechnik, der Risographie, die Schrauwen für Sonntag verwendet: Seine Panels sind zugleich messerscharf und vielschichtig. Meisterhaft ersichtlich ist das, wenn Thibault aus purer Unentschlossenheit ein heisses Bad nimmt und Dampfwolken die Sicht vernebeln.
Als Erzähler zieht Schrauwen alle Register: Er nutzt verschiedene Farbcodes und verzichtet auf Schattierungen, um die bloss imaginierten Handlungsmöglichkeiten und Erinnerungen vom realen Geschehen abzuheben, oder er blendet eine ungeschickt formulierte SMS über mehrere Seiten ein – wie der lästige Gedanke, der Thibault nicht loslässt. Und je unerbittlicher die Uhr tickt, umso kleiner werden die Panels wie die Minuten, die nicht zerrinnen.
Auch wenn Schrauwen Thibaults Gedankengänge akribisch festhält, stellt Sonntag nicht nur einen inneren Bewusstseinsstrom dar. Vielmehr verschränken sich die Perspektiven, und einmal tritt Schrauwen sogar als Autor ins Bild, reflektiert seine Arbeit und macht Pause! Danach fehlt tatsächlich eine Dreiviertelstunde im Tagesverlauf. Oft kontrastiert der Autor innere Gedanken mit äusseren Handlungen: Als Thibault denkt, alles löse sich auf, zeigt das Panel seine Freundin am Flughafen. Ihr Rucksack hat sich geöffnet und sein Inhalt verteilt sich auf der Gepäckausgabe. Das stille Lächeln, das sich da einstellt, ist sinnbildlich für das ganze Album.
Florian Meyer
Olivier Schrauwen: «Sonntag».
Edition Moderne, 472 S.,
farbig, Softcover. Softcover.
CHF 52.– / Euro 45
Miroslav Sekulic-Struja: «Petar & Liza»

Eine neue Form von Medium
Lieblings-Cartoonist*innen aus dem Balkan? Abgesehen von den bekanntesten, die für ihre Superhelden-Comics und Mainstream-Werke bekannt sind, fallen mir nur wenige ein; natürlich der Serbe Saša Kakezić (besser bekannt als Aleksandar Zograf) mit seinen fantastischen Traum-Comics, dann die enorm unterschätzte kroatische Designerin, Animatorin und Graphic-Novel-Autorin Helena Klakočar und, wenn wir Slowenien zum Balkan zählen wollen, das wunderbar einfallsreiche Kollektiv Stripburger.
Aber es gibt jetzt einen neuen Stern am balkanischen Himmel, zumindest für uns im Westen: Miroslav Sekulic-Struja, dessen Petar & Liza in die Liste der bemerkenswertesten Graphic Novels des letzten Jahrzehnts aufgenommen werden muss. Sekulic-Struja wurde in Kroatien geboren, hat aber einige Zeit in Frankreich verbracht (er war auch zweimal zu Gast in der Maison des Auteurs in Angoulême), und seine Arbeit lässt eine Vielzahl europäischer Einflüsse erkennen.
Mir fehlen beinah die Worte, Petar & Liza zu beschreiben. Das Buch ist fast wie eine neue Form von Medium; es ist eine Synthese aus Fiktion, Comics, Malerei und Kino. Der Inhalt: Petar, ehemaliger Soldat, melancholischer Träumer, Dichter und Schriftsteller, der viele Gelegenheitsjobs annimmt, läuft in Schuhen herum, deren Schnürsenkel ständig aufgehen, was seine innere Verfassung deutlich zum Ausdruck bringt. Nach seinem Militärdienst ist er desillusioniert und treibt verloren durchs Leben («mein Leben, ein steuerloses Boot»), bis er Liza (achten Sie auf ihre wunderschönen grünen Augen!) trifft, eine optimistische Balletttänzerin und Liebhaberin von Katastrophenfilmen. Ihre Beziehung verändert beider Leben, doch eine entscheidende Frage bleibt offen: Petar hat zwar eine fast magische Fähigkeit, alles Mechanische zu reparieren, aber gilt das auch für sein eigenes Leben?
Wie andere Kunstwerke wird Petar & Liza die Leser*innen auf unterschiedliche Weise berühren. Es erinnert mich an Romane – wie z.B. Kunderas Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins oder Hrabals Ich habe den englischen König bedient – aber noch mehr an Filme. An Werke des Regisseurs Dušan Makavejev auf jeden Fall, und andere, die erschienen, als ich in Petars Alter war, also 37°2 le matin oder Der Himmel über Berlin; emotionsgeladene Filme, die meine Versuche widerspiegeln, in einer Zeit der Postadoleszenz einen Sinn im Leben zu finden. Über das normale emotionale Chaos der Jugend hinaus gehören Petar und Liza auch zu dieser Lost Generation des ehemaligen Jugoslawiens der 1990er-Jahre, die in den sozialen Turbulenzen nach dem Krieg nach Sinn suchten.
Petar & Liza ist eine visuelle Meisterleistung, vollständig in Aquarell gemalt und mit faszinierenden Details versehen. Das Werk hat zweifellos einen Folk-Art-Charakter, und die Leser*innen werden die unterschiedlichsten Dinge darin entdecken. An einigen Stellen musste ich an Breughel denken (vor allem bei einigen der Menschenmengen-Tableaus), an Magritte, Beckmann, sogar an van Gogh, und aus dem Comic-Bereich vielleicht an Jacques de Loustal und Edmond Baudoin. Ich habe die ursprüngliche französische Ausgabe von Petar & Liza aus dem Jahr 2022, erschienen bei Actes Sud, verpasst. Auf die vorliegende Übersetzung von Fantagraphics wurde ich durch Chris Ware aufmerksam gemacht, mit dem ich im März dieses Jahres bei den Graphic Novel Days in Hamburg einige nette Gespräche geführt habe. Wares Klappentext zu dem Buch lautet: «Sekulic-Strujas Werk und speziell dieses Buch sind für mich wie ein Wunder». Dem kann man nur zustimmen.
Mark David Nevins
Miroslav Sekulic-Struja: «Petar & Liza».
In englischer Sprache. Fantagraphics, 2024,
176 S., Hardcover, farbig,
$ 39,99
Taiyo Matsumoto: «Tokyo dieser Tage, Band 1»

Hinter den Kulissen der Manga-Welt
Tokyo dieser Tage von Taiyo Matsumoto ist ein Manga, der in die Welt der japanischen Verlagsbranche eintaucht und dabei die persönlichen Kämpfe und Reflexionen seiner Charaktere beleuchtet. Die Geschichte folgt Kazuo Shiozawa, einem Manga-Redakteur, der nach drei Jahrzehnten seine Stelle kündigt. Diese Entscheidung markiert den Beginn einer introspektiven Reise, auf der Shiozawa seine Vergangenheit und seine Rolle in der Manga-Welt hinterfragt. Seine Begegnungen mit verschiedenen Künstler*innen und ehemaligen Kolleg*innen offenbaren die Herausforderungen und Komplexitäten des kreativen Prozesses sowie die Spannungen zwischen Redakteur*innen und Mangaka. Matsumotos Erzählweise ist ruhig und bedacht, was den Leser*innen ermöglicht, tief in die Gedankenwelt der Figuren einzutauchen. Die Charaktere sind vielschichtig gezeichnet, insbesondere Shiozawa, dessen innere Konflikte und Zweifel authentisch und nachvollziehbar wirken. Die Interaktionen zwischen den Figuren sind geprägt von unausgesprochenen Emotionen und feinen Nuancen, welche die Tiefe der Beziehungen unterstreichen. Matsumotos Zeichnungen wirken skizzenhaft, was den Bildern eine rohe, unmittelbare Qualität verleiht. Diese Ästhetik passt zur melancholischen Stimmung des Werks und verstärkt die Atmosphäre von Vergänglichkeit und Selbstreflexion.
Tokyo dieser Tage wurde mehrfach ausgezeichnet und für renommierte Preise nominiert – darunter der Osamu-Tezuka-Kulturpreis in den Jahren 2023 und 2024. Tokyo dieser Tage ist ein einfühlsames Werk, das Leser*innen dazu einlädt, über die Natur von Kreativität, Zusammenarbeit und persönlichem Wachstum nachzudenken. Es bietet einen Einblick in die Dynamik der Manga-Industrie und beleuchtet die oft unsichtbaren Kämpfe hinter den Kulissen.
Giovanni Peduto
Taiyo Matsumoto: «Tokyo dieser Tage, Band 1».
Aus dem Japanischen von Daniel Büchner.
Reprodukt, 240 S.,
Hardcover, s/w,
CHF 29.90 / EUR 20
Officina Infernale: «Black Light»

Der Sound brechender Knochen
Unter dem Verlagsnamen prangt auf der ersten Seite die programmatische Ansage: «Fumetti senza peli sulla lingua» – also Comics, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Und genau das trifft auf Black Light zu. Das kleine Büchlein (10,5 × 14,8 cm) des italienischen Künstlers Officina Infernale ist ein experimenteller Hybrid aus Comic, Illustration und Soundinstallation, der sich um gängige Erzählkonventionen herzlich wenig schert. Statt einer klassischen, linearen Handlung entfaltet sich eine symbolisch aufgeladene Reise in neun Kapiteln. Der Aufbau erinnert an einen Kreuzweg, doch hier ist keine Erlösung zu erwarten. Black Light ist eine düstere Meditation über die Gegenwart – über Dekadenz, Verlorenheit, Schmerz. Die visuelle Sprache besteht aus einem harten Schwarzweiss-Mix aus Zeichnungen und Fotocollagen, die ein apokalyptisches Panorama skizzieren. Ergänzt wird dies durch einen eigens komponierten Soundtrack, erreichbar über www.bestial666.bandcamp.com. Verzerrte Synthesizer, Rauschen, fragmentierte Frequenzen – diese Klangwelt macht das Werk zu einer immersiven Erfahrung. Was man sieht, spürt man auch.
Der Text besteht aus Fragmenten: mal poetisch, mal wütend, oft klangmalerisch, immer erbarmungslos. Ein Zitat bleibt hängen: «Das Geräusch von tausend sich brechender Knochen». Diese Gewalt bleibt nicht abstrakt – sie ist Teil eines kollektiven Leidenswegs, den Black Light kompromisslos nachzeichnet. Es geht um nichts weniger als religiöse Heuchelei, Verlust von Spiritualität, gesellschaftliche Zerstörung und Kapitalismus als Ersatzglaube.
Die Erzählform ist offen, die Struktur assoziativ. Klassische Figuren oder Dialoge sucht man vergebens. Doch gerade diese Fragmentierung schafft Raum für Interpretation und emotionale Wucht. Hinter dem Pseudonym Officina Infernale steht Andrea Mozzato, ein Künstler, der sich seit den 1990er-Jahren in der Underground- und Independent-Comic-Szene einen Namen als Zeichner, Maler und Grafiker gemacht hat. Veröffentlicht wurde das Werk beim Turiner Verlag Eris Edizioni, der sich auf experimentelle, kritische Erzählformen spezialisiert hat. Zu seinem Programm gehören auch Autor*innen wie Michael De Forge, Nicolas De Crécy oder Anna Haifisch. Black Light ist kein Comic für zwischendurch. Es ist eine Herausforderung – ein visuelles Manifest zwischen Kunst, Musik und Verzweiflung. Und genau darin liegt seine Kraft.
Giovanni Peduto
Officina Infernale: «Black Light».
In italienischer Sprache.
Eris Edizioni, Turin 2024 2001, 84 S.,
Softcover, s/w,
EUR 6
www.erisedizioni.org
Clemens Meyer, Phillip Janta: «Rückkehr in die Nacht»

Rausch und Nacht
Clemens Meyer ist wahrscheinlich einer der interessantesten aktuellen deutschen Schriftsteller, dessen Wurzeln so gar nicht dem bildungsbürgerlich geprägten Literaturkanon entsprechen. Als Jugendlicher lebte er in der Nachwendezeit die Extremen der neuen Freiheit aus, von Kleinkriminalität bis zu Drogenexzessen auf Technoparties. Um über die Runden zu kommen, nahm er jeden Job an, ob Maurer, Möbelpacker oder Wachmann. Dennoch zelebriert Meyer diese Biografie in seinen Büchern nicht, sondern hat aufgrund eigener Erfahrungen seinen Blick geschärft und ein Feingefühl für Menschen entwickelt, die in ihrem Überlebenskampf einzig in ihren Träumen Zuflucht finden, derweil sie knapp am Abgrund taumeln, oder sich direkt darauf hinzubewegen. Nun ist eine frühe Arbeit von Meyer aus dem Jahr 2013 neuaufgelegt worden, die Kurzgeschichte Rückkehr in die Nacht, illustriert von Phillip Janta. Während Meyer seine Protagonisten und ihre tristen Lebenswelten liebevoll und detailreich schildert, taucht Janta die Geschichte in monochrome grauschwarze Zeichnungen, in der es nur spärliche Lichtquellen gibt, von Lebewesen ganz zu schweigen. Meist handelt es sich hierbei um sogenannte Nicht-Orte, städtebauliche Räume ohne eigene Identität, die das Setting bilden. Durch Jantas Bleistiftzeichnungen erhält Meyers Narration eine zusätzliche Dimension, die, von Zeitsprüngen geprägt, die Leser*innen allmählich an die Traumata des Protagonisten heranführen. Rückkehr in die Nacht ist ein ausserordentlich stimmiges Buch, das sowohl erzählerisch als auch zeichnerisch noch lange nachhallt.
Matthias Schneider
Clemens Meyer, Phillip Janta: «Rückkehr in die Nacht».
Connewitzer Verlagsbuchhandlung, 48 S.,
Softcover,
CHF 31.90 / EUR 20
Jockum Nordström: «Sailor und Pekka erledigen was in der Stadt»

Erst zum Frisör, dann zum Stecher
Jockum Nordström gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlern Schwedens; mit Kinderbüchern verbindet man ihn zunächst nicht, vor allem nicht im deutschsprachigen Raum, schliesslich hält man noch immer an der strikten Trennung von Hoch- und Trivialkultur fest, und Überschneidungen werden vermieden. Während es für viele Kreative diese Kategorien nur bedingt gibt (für sie ist es einfach ein Teil ihres Schaffens), so spielen sie doch eine finanzielle Rolle. Denn der Kinderbuchmarkt ist hart umkämpft und die Preise müssen niedrig sein, nicht vergleichbar mit denen von Kunstkatalogen. Ganz zu schweigen von den Originalbildern. Umso erfreulicher ist es nun, dass der ambitionierte Kölner Péridot Verlag erstmals eine deutsche Version von Nordströms Kinderbuchreihe Sailor und Pekka aus dem Jahr 1993 veröffentlicht. Zudem in einer hochwertigen Druckversion, die das schwedische Original weit übertrifft. Sailor ist, wie der Name schon sagt, ein Seemann, der mit seinem sprechenden Hund Pekka zusammenlebt. Als er eines Morgens seinen Pullover nicht mehr findet, machen sie sich auf den Weg in die Stadt, und Pekka nutzt die Gelegenheit, um zum Frisör zu gehen. Nach neuer Frisur und neuem Pullover lässt sich Sailor noch ein Tattoo stechen, wie man das so macht, wenn man mal in der Stadt ist, und abends beim Essen erzählen sie ihrer Nachbarin Frau Jackson von ihren Erlebnissen. Nordströms prägnante Illustrationen sind eine Kombination aus Collage und diversen Zeichenstilen, die sowohl Elemente von Miroslav Sasek als auch der Art Brut oder Outsider-Art in sich tragen. Bereits als Kind verlor sich Nordström in der Welt des Zeichnens, und die Technik der Collage, das Schneiden und Verschieben, das Überlagern und Kombinieren verschiedenster Materialien, ist für ihn aufgrund der analogen Methode eine haptische als auch meditative Arbeit. Das Buch Sailor und Pekka ist ein wahres Geschenk, inhaltlich und preislich. Man kann es sowohl bei den Kunstkatalogen einordnen als auch einfach mit seinen Kindern lesen.
Matthias Schneider
Jockum Nordström: «Sailor und Pekka erledigen was in der Stadt»,
Péridot, 44 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 25.90 / EUR 16
Balz Baechi: «Aktmalerei – Eine Aktualisierung»

Balz Baechi
Als ich in meiner Jugend Balz Baechis Illustrationen zu den Theaterkritiken im Zürcher Tages-Anzeiger (ja, damals gab es noch Theaterkritiken in Tageszeitungen!) zum ersten Mal sah, war ich baff – was für ein Gekritzel! Ich fragte mich, ob der Mann überhaupt zeichnen kann. Doch später, als ich auch hin und wieder eine Theateraufführung besuchte, realisierte ich, dass seine wie schnelle Skizzen hingeworfenen Zeichnungen das Geschehen auf der Bühne und das Thema des Stücks absolut präzise wiedergegeben hatten. Im Verlag Scheidegger & Spiess, der immer wieder mit hochwertig ausgestatteten Büchern zu Kunst, Architektur und Fotografie auffällt, ist jetzt eine Monografie erschienen, mit dem Titel Aktmalerei – Eine Aktualisierung, die das reichhaltige künstlerische Werk des unterdessen 88 Jahre alten Baechi zeigt. Die Spanne seines Schaffens reicht von der in Schwarzweiss gehaltenen Illustration eines Punk-Konzerts in der Roten Fabrik in Zürich im Jahr 1981, als dort eine Band namens Strapazen (no shit!) auftrat, eine Frauenband, die ich vermutlich verpasst hatte, weil ich gerade am Nacktbaden im unmittelbar an die Fabrik angrenzenden See war. Anstatt beim Konzert hätte Baechi genauso gut neben mir am See sein können und die Badenden skizzieren, um sie später in seinen Bildern auftauchen zu lassen. Die über zweihundert im Buch abgedruckten Bilder zeigen stets selbstbewusste Nackte, oft Freund*innen des Malers, manchmal, wie die Frau auf dem Titelblatt, ins Stricken, und ja, nicht nur des Reimes wegen, ins Ficken vertieft (was jetzt allerdings etwas grob klingt, wirken die Bilder doch immer sinnlich, nie pornografisch). Die Nackten spielen Geige, zünden einen Ofen an, schnüren sich die Turnschuhe oder spielen Schubert auf einem Piano. Speziell gefallen mir diejenigen Bilder, die uns den Ausschnitt aus einer Handlung zeigen, die uns die angetönte Geschichte weiterspinnen lassen, wie z.B. in Les amoureux avec chasseur, das hoffentlich nicht in einem Blutbad enden wird. Dass Baechi auch Humor hat, beweist er nicht nur in der – leider einzigen hier abgedruckten – Karikatur von Max Frisch, auch in Schüsse am Rhein, wo ein Jäger mit Schüssen eine Nacktbadende vertreibt, oder auch im Cartoon Walrosse, in dem ebendiese glubschäugigen Viecher ein Paar beim Fummeln am Strand beglotzen. Gerne würde man noch mehr davon sehen – vielleicht in einem weiteren Baechi-Band?
Christoph Schuler
Balz Baechi: «Aktmalerei – Eine Aktualisierung»,
Scheidegger & Spiess, 240 S.,
Hardcover, vierfarbig, 1,7 kg,
CHF 54.90 / EUR 48
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KURZ UND GUT
von Christian Meyer-Pröpstl
Die zweite Anthologie rückt die Frage Wie geht es Dir? ins Zentrum. Eine Gruppe von Zeichner*innen um Barbara Yelin hat sechzig Gespräche mit Menschen, die nach dem 7. Oktober 2023 mit Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Rassismus und Hass konfrontiert waren, künstlerisch umgesetzt. Das Projekt macht durch die scheinbar einfache Frage Ängste und Sorgen, Trauer und Verlust sichtbar. Die Vielzahl der Interviewten und ihrer Anliegen spiegelt sich in den unterschiedlichen künstlerischen Stilen wider.
Diverse: «Stell Dir vor – Comics über die Nachkriegszeit».
Avant-Verlag, 184 S.,
Softcover,
CHF 38.90 / EUR 26
Diverse: «Wie geht es Dir?».
Avant-Verlag, 136 S.,
Softcover, farbig,
CHF 49.90 / EUR 35
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Der in seiner Heimat Finnland sehr erfolgreiche Comic-Zeichner Ville Ranta erzählt in Wie ich Frankreich erobert habe von seinem Versuch, Erfolg im Traumland für Comic-Schaffende – eben Frankreich – zu haben. Einfach ist das nicht, vor allem als Nicht-Franzose, auch nicht, als er um Erfolg bettelt. Ein ernüchternder Comic, dessen Humor schon recht schwarz geraten ist.
Ville Ranta: «Wie ich Frankreich erobert habe».
Reprodukt, 164 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 29.90 / EUR 20
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Die Niederländerin Barbara Stok widmet sich in ihrer knapp 300 Seiten umfassenden Graphic Novel Die Philosophin, der Hund und die Hochzeit einer in der Geschichtsschreibung weitgehend unterschlagenen Frauenfigur – der griechischen Philosophin Hipparchia. Sie lebte im 4. Jahrhundert vor Christi in Griechenland, war gut betucht, an Philosophie interessiert und an der Gleichberechtigung der Frau. Schon bevor sie verheiratet werden sollte, erkennt sie die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft. Von ihren eigenen Vorstellungen getrieben, findet sie den armen und nur wenig ansehnlichen Kyniker Krates von Theben viel attraktiver als Heiratskandidat, verglichen mit den reichen und schönen Söhnen Athens, die ihr angeboten werden. Barbara Stok erzählt die Geschichte sowohl dramaturgisch als auch vom Zeichenstil her betont naiv und ahmt Hipparchias naiven, unbeeinflussten Blick auf die Welt nach. Umso mehr stechen die Ungerechtigkeiten, Regeln und Normen hervor, die an sich gar nicht nachvollziehbar sind. Ein Eye-Opener!
Barbara Stok: «Die Philosophin, der Hund und die Hochzeit».
Carlsen Verlag, 304 S.,
Hardcover, farbig,
CHF 38.90 / EUR 26
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War and Peas, das sind Jonathan Kunz und Elisabeth Pich; Letztere hat bereits mit ihrer Serie Fungirl über eine grobschlächtige, sich den gesellschaftlichen Regeln nicht unterordnende junge Frau Furore gemacht. Die War and Peas-Strips werden jede Woche von einer Million Leser*innen im Internet verschlungen. Liebe Erde fasst zahlreiche dieser Strips zusammen, die den Klimawandel und andere eigentlich nicht so lustige Dinge durchaus humorvoll aufgreifen.
Aliens betrachten den kahlen, entvölkerten Planeten Erde; «Und, was ist geschehen?», fragt der eine. Die Antwort: «Überheblichkeit, Dummheit … und Kuhfürze …»
Kunz / Pich: «War and Peas – Liebe Erde».
Edition Moderne, 112 S.,
Softcover, farbig,
CHF 25.– / EUR 22
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Zwei Maler, auf der Kunstakademie einst gut befreundet und später vis-à-vis wohnend, bekämpfen sich unerbittlich. Während Hans mit seinen Katzenbildern einen kometenhaften Aufstieg in der Kunstszene hinlegt, sitzt John stundenlang vor der leeren Leinwand, weil er auf den richtigen Moment wartet. Der scheint gekommen, als er zufällig Hundebesitzer wird – nun ändert sich alles! Matthias Arégui überhöht seine Story vom dräuenden Drama bis zum triefenden Kitsch. Die dramaturgische Palette wird flankiert von einem visuellen Einfallsreichtum, der die Geschichte um Kunst als Ausdruck tiefer Gefühle zu einem wilden Ritt macht.
Matthias Arégui: «Ein Hundeleben».
Edition Moderne, 120 S.
Hardcover, farbig,
CHF 37.– / EUR 32
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Die dänische Zeichnerin Karla Paloma steht klar in der Tradition einer Underground-Zeichnerin wie Julie Doucet: Ihr eigenes Leben in Berlin ist Zentrum ihrer autobiografischen(?) Geschichten, in denen sie von ihrem WG-Leben erzählt, ihrer Liebe zu ihrem Hund, der offenen Beziehung mit ihrem Ehemann und ihren überbordenden sexuellen Begierden und Abenteuern. Ziemlich schonungslos geht sie dabei mit ihrer Umgebung und vor allem sich selber um. Passend zur Handlung kritzelt Paloma punkig ihre Geschichten aufs Blatt – mit viel Drastik, aber auch viel Selbstironie.
Karla Paloma: «Ratten».
Avant-Verlag, 168 S.,
Softcover, s/w,
CHF 37.90 / EUR 25
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Biografien
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Anna Sommer
(*1968) lebt und arbeitet als freischaffende Comic-Künstlerin und Illustratorin in Zürich. Ihre Illustrationen und Graphic Novels erscheinen in diversen Publikationen und Verlagen, zuletzt ihre Erzählung Tinte bei Edition Moderne und Chambre d’amies, ein Sammelband ihrer Papierschnitte, bei Cahiers Dessinés. Ihre Papierschnitte stellt sie regelmässig in Einzel- und Gruppenaustellungen aus.
2024 wurde sie am Comic-Salon Erlangen mit dem Max-und-Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin ausgezeichnet. Werke von ihr erschienen in STRAPAZIN Nr. 36, 43, 47, 63, 75, 76, 85, 89, 95, 97, 111, 124, 149, 152, 155.
annasommer.ch
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Sandro Ramseier
hat sich nach seiner Erstausbildung zum Grafiker verstärkt zum gezeichneten Bild hingezogen gefühlt. Im nachfolgenden Studium der Illustration Fiction an der HSLU Luzern konnte er dieses Interesse weiter vertiefen und ebenso seiner langwährenden Passion fürs visuelle Geschichtenerzählen mehr Raum schaffen. Mit Shantiland veröffentlichte er Ende 2023 seine erste Graphic Novel im österreichischen Luftschacht Verlag. Aktuell lebt und arbeitet Sandro Ramseier in Brüssel, wo er Graphic Storytelling an der LUCA School of Arts studiert.
www.sandroramseier.ch
bildersturm
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Ben Katchors
Bildergeschichten erschienen in mehreren Sammelbänden: Cheap Novelties, The Pleasures of Urban Decay, Julius Knipl, Real Estate Photographer: Stories, The Cardboard Valise, The Jew of New York, Hand-Drying in America and other stories und The Dairy Restaurant. Eine neue Sammlung, Hotel & Farm, erscheint 2026. Er lebt in New York City.
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Orijit Sen
ist ein in Goa, Indien, lebender Grafiker, Maler und Designer. Er ist der Autor von River of Stories, einem Comic-Roman über den Widerstand der Menschen gegen gross angelegte Entwicklungsprojekte im Narmada-Flusstal. Als Mitbegründer des Pao Collective und in anderen Funktionen als Mentor, Lehrer und Redner ist er eine bekannte Persönlichkeit in der zeitgenössischen indischen Comic-Szene. Er ist ausserdem Chefredakteur von Comixense, einem vierteljährlich erscheinenden Comic-Magazin für mehrheitlich junge Leser*innen. Seine Kunstwerke wurden vielfach veröffentlicht und ausgestellt – im Virasat-e-Khalsa Museum, auf der Kochi Muziris Biennale, dem Serendipity Arts Festival, dem Fumetto Comics Festival, dem Lakes International Comics Festival und an anderen nationalen und internationalen Orten.
Arbeiten von ihm erschienen in STRAPAZIN Nr. 100, 105, 112, 127, 155.
@orijitzen
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Paul Winck
ist ein französischer Comic-Autor, der in Berlin lebt. Er schreibt über sich selbst: «Gerne setze ich mich mit unkonventionellen Themen auseinander. Mit einer tiefen Neugier für die menschliche Natur greife ich oft Themen auf, die im Allgemeinen übersehen oder missverstanden werden, und erwecke sie mit visuellen Darstellungen und emotionaler Tiefe zum Leben». Wir freuen uns sehr, Paul gleich mit zwei Beiträgen in diesem Heft vorzustellen, einerseits als Gestalter des Titelblatts dieser Ausgabe, andererseits als Co-Autor von Ulli Lusts Comic.
theweirdcomics.com
@paulwinck
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Ulli Lust
*1967 in Wien, emigrierte 1995 von Wien nach Berlin. Seither zeichnet sie Comic-Reportagen mit pointierten Beobachtungen aus dem modernen Alltag, wie etwa den Bericht über ein Berliner Einkaufszentrum (in Fashionvictims, Trendverächter – Bildkolumnen und Minireportagen aus Berlin, Avant-Verlag, 2008). Im Herbst 2009 erschien ein umfangreicher Comic über ihre Jugendzeit, in dem sich Reise- und Schelmenroman mit einem existentiellen Teenagerdrama verbinden: Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines Lebens, ebenfalls beim Avant-Verlag. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und mit Preisen ausgezeichnet, darunter dem Prix de Revelation am Comic-Festival in Angoulême, dem Ignaz Award und dem LA Times Book Award.
2013 erschien Flughunde im Suhrkamp Verlag, eine Comic-Adaption des gleichnamigen Romans von Marcel Beyer. Ihre autobiografische Graphic Novel über eine ungewöhnliche Dreierbeziehung, Wie ich versuchte ein guter Mensch zu sein, (Suhrkamp, 2017) schaffte es 2018 in die Shortlist für den Fauve d’or in Angoulême und gewann einen Ink-Pot-Award der Comicon in San Diego. Teil 1 von Die Frau als Mensch erschien im Frühjahr 2025 und ist nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis; erstmalig ist ein Comic in dieser Kategorie nominiert!
Seit September 2013 ist sie Professorin für Zeichnung & Comic an der Hochschule Hannover.
www.ullilust.de
@ullilust
@mastodon.social
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Hélène Becquelin
ist Grafikerin, Illustratorin und Comic-Zeichnerin; sie lebt in Lausanne. Sie beschreibt sich folgendermassen: «Meine Kindheit habe ich in den 60er-Jahren in Saint-Maurice im Wallis verbracht. In den 70ern langweilte ich mich in der Schule und verbrachte daher die ganze Zeit damit, während des Unterrichts zu zeichnen und davon zu träumen, Zeichnerin zu werden. In den 80ern studierte ich Grafikdesign an der Kunsthochschule Lausanne. Nach meinem Abschluss liess ich die Comics beiseite, um als Grafikdesignerin in verschiedenen Werbeagenturen und später freiberuflich zu arbeiten. Nach 2000 kehrte ich zum Comic zurück, mit meinem Blog Angry Mum, der 2010 und 2012 in zwei Bänden bei Editions Glénat veröffentlicht wurde. Ab 2018 ging’s wiederum zurück zum Comic mit Adieu les enfants, meinen Kindheitserinnerungen, und 2020 mit 1979, meinen Jugenderinnerungen, im Verlag Editions Antipodes».
Arbeiten von ihr waren auch in STRAPAZIN Nr. 155 zu sehen.
Hélène.becquelin.ch
@ helenebecquelin
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Xun Zhan
lebt als Lehrer in Nanjing, China. Seit mehr als zwanzig Jahren leitet er das Projekt Special Comix, ein sehr langsam wachsendes Projekt, das chinesische, deutsche und japanische Comic-Werke in die chinesische Welt einführt und Autor*innen ermutigt, «ihre Erfahrungen und die Freude am Menschsein auszudrücken». Er nahm vor und während der Pandemie an einer Reihe von Kunstbuchmessen in China teil, die nun jedoch grösstenteils eingestellt wurden. Er übersetzte Art Spiegelmans Maus und die Werke des japanischen Mangaka Yoshiharu Tsuge ins Chinesische. Zudem illustriert er Kinderbücher, mit denen er ein wenig Geld zu verdienen hofft. Seine Werke erschienen auch schon in STRAPAZIN Nr. 100, 112, 155.
@zhangxunbox
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Othman Selmis
*1977 in Tunesien, ist Designer, Illustrator und Art Director bei The Legal Agenda, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Beirut und Büros im Libanon und in Tunesien. Nach mehreren Jahren in der Werbung verlegte er sich auf Comics und gewann 2017 den Kahil Prize für den besten Comic-Strip. Seine Werke erschienen in The Nib, kuš!, Samandal, La Revue Dessinée und Internazionale. Die Anthologie Porti, kürzlich in Italien bei Comicout erschienen, versammelt verschiedene seiner Werke. Comics von Selmi konnte man auch schon in STRAPAZIN Nr. 139 und 154 bewundern.
@kidsmokk
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Nik Neves
ist bildender Künstler, er arbeitet mit Illustration, Zeichnung und Comics. Ob digitale Bilder, Collagen, Malerei – z. B. für Illustratiionen zu Texten, Schriftzüge, Bücher für Erwachsene und Kinder sowie Animationen. Nik hat zwei Bachelor-Abschlüsse, einen in Bildender Kunst und einen in Werbung, beide von Hochschulen in Brasilien. Im Jahr 2004 schloss Nik Neves sein Postgraduiertenstudium in Illustration in Barcelona ab und studierte anschliessend Schriftgestaltung und Comics in New York.
2018 war er einer der Kuratoren der Ausstellung Magma am Fumetto Comics Festival in Luzern. Er unterrichtete Kurse und Meisterklassen in Belgien und Frankreich und illustrierte Bücher in Deutschland und China.
Seit 2006 arbeitet Nik Neves an seinem unabhängigen Projekt, einem Magazin namens Inútil (portugiesisch für „nutzlos“), in dem er mit Comics und anderen visuellen Erzählformen experimentiert. In jüngerer Zeit beschäftigt er sich mit den Möglichkeiten von Comics als bewegte Bilder und Klanggeschichten. Sein Buch Gerne würdest du allen so viel sagen, ist im Avant-Verlag erschienen.
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