DAS GESCHRIEBENE WORT ------------------------------------ Wolfgang Bortlik ------------------------------------ Gleich kommt es mir? Und du? Wann kommt es dir? |
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Fottiamci, anima mia, fottiamci presto ... Trotzdem fangen wir italienisch an. Pietro Aretino dichtete das so um 1530 herum, in seinen «Sonetti lussuriosi»: Komm vögeln, schnell! Komm vögeln, liebe Seele In diesen «Sinnlichen Sonetten» bedichtet Aretino insgesamt 16 Stiche nach Bildern von Giulio Romano, die verschiedene Stellungen für den Liebesakt zeigen. Vorher trieb sich der Mann – er wurde 1492 in Arezzo geboren, deswegen hiess er Aretino – noch am Hofe des Papstes, im Vatikan herum. In Rom herrschte damals die recht skandalöse Familie Medici, und man nahm es mit der katholischen Sittlich- und Enthaltsamkeit nicht so genau. Der Legende nach soll Aretino erst dann Probleme mit dem Kirchenstaat bekommen haben, als er eine Satire auf einen Elefanten des Papstes schrieb, in der ein Kardinal mit den Geschlechtsteilen des Tieres in Verbindung gebracht wurde. Aretino floh daraufhin nach Venedig und schrieb noch die sogenannten «Hurengespräche», ein klassisches Gegenstück zur Verklärung der Liebe in der damals zeitgenössischen Literatur. In diesen Dialogen, gehalten von gewitzten Prostituierten, kritisiert Aretino gnadenlos die Doppelmoral von Adel und Kirche. Es ist auch ein durchaus anarchistisches Traktat gegen die Herrschenden und die, die sich beherrschen lassen. 1556 starb der Aretino dann: E se post mortem fotter fosse honesto Das obszöne Gedicht gehörte damals bei den Schriftstellern zum literarischen Leistungsausweis und zum guten Ton. Kein Wunder, es ist ja auch naheliegend, angenehme und aufregende Tätigkeiten wie den Geschlechtsverkehr zu beschreiben oder literarisch zu überhöhen. Es waren Zeiten ohne individuelle bourgeoise Schuldkonzepte, ohne Psychoanalyse, ohne grosse Erwartungen an die emotionale Hysterie. Vielleicht kann man das als die literarische Unschuld bezeichnen. Von den Weiber-Brüsten Das Sinnenfrohe des Barock wurde dann wieder durch grössere Empfindsamkeit in Sturm und Drang und in der Romantik abgelöst bzw. in den Hintergrund gestellt. Aber selbstverständlich war auch Goethe ein Schweinigel: Mich däucht das grösst bey einem Fest Das deklamiert der Bräutigam im Dramenfragment «Hanswursts Hochzeit», welches der junge Johann Wolfgang so um 1770 zu Papier gebracht hat. Allerdings ist das Ding zu seinen Lebzeiten nie gedruckt worden. Es ist auch nur ein Fragment voller «sexual- und fäkalsprachlicher Eruptionen und Provokationen gegen gesellschaftliche Heuchelei», wie die Literaturwissenschafter sagen. Da kommen dann auch Figuren vor, die ziemlich einschlägig heissen, etwa Hans Arsch von Rippach, Matz Fotz von Dressden oder die beiden Nichten Reck-Aerschgen und Schnuck-Fötzgen. Leckt Votzen, Ihr neun Pindars-Luder, Nach der hehren Klassik kam der gesellschaftliche Sieg der Bourgeoisie und damit der verklemmte Naturalismus. Jetzt war’s wieder Sense mit Sex. Literatur war auch zum Job geworden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts tauchten ein paar merkwürdige Dichterfiguren auf: Bohemiens, Lebensreformer, Anarchisten wie Erich Mühsam und Paranoiker wie Oskar Panizza, der neben seinem antireligiösen und leicht obszönen Skandalstück «Das Liebeskonzil» auch eine erotische Satire auf «Vrenelis Gärtli» geschrieben hat. Und dann kamen auch schon die ganzen Expressionisten, die in ihrer Erforschung des eigenen Ichs im städtischen Umfeld die Rotlichtviertel nicht ausser Acht lassen konnten. Wobei in den expressionistischen Gedichten schon meistens der Totenschädel durch das hübsche Hurenlärvchen grinst und die Geschlechtskrankheiten stets mächtig dräuen. In schmutzig grüner Tunke hockt Mein kassandrischer Kollege Kuno Klötzer sagt ja immer, dass es mit der deutschen Lyrik so ist wie mit den Rolling Stones: Sackgeiles Zeug, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt dann nix mehr und tote Hose. Bei den Stones war nach dem Ableben von Brian Jones, spätestens nach dem Abschied von Mick Taylor, endgültig der Ofen aus. Um die deutsche Poesie war’s mit der Machtübernahme durch die Nazis geschehen, als die Dichter und Denker sich aus dem Land der Richter und Henker retten und flüchten mussten. Was nach Auschwitz noch kam, ist von Tragik umflort und dem Geschlechtlichen konnte man sich zumeist nur mittels Satire nähern, um nicht in hoffnungslosem Pathos und Sentimentsgeschwurbel unterzugehen. Aber gerade bei Scherz und Ironie gibt es dann wieder wunderbare Beispiele der sexuell motivierten Dichtkunst. Karl Riha etwa, der ein grosser Dada-Wiederentdecker war, schreibt in seinem «Abschiedssonett»: heb deinen arsch Peter Hacks, F. W. Bernstein, Robert Gernhardt und Horst Tomayer wären andere grosse Namen, die sich massgeblich mit einschlägiger Lyrik beschäftigt haben. Ach M., du spitze Spitzenbüchse
Literatur Pietro Aretino: Die sinnlichen Sonette Steffen Jacobs (Hrsg.): Hartmut Geerken (Hrsg.): Dr. Hermann Kinder: Eine hübsche Sammlung Erotica ist auch in
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