«There is a heppy lend, fur, fur a-wa-a-ay».
Na, so weit, weit weg liegt es nun auch wieder nicht. Und zudem ist das
Land, das Krazy Kat & Co. über drei Jahrzehnte lang bevölkerten,
ein real existierendes Biotop. Einmal findet man sich konkret im
Pais Pintado auf dem Camino Colorado von Coconino County, irgendwo zwischen
Kaibito und Kayenta. Die geografische Wirklichkeit dieses Comic-Schauplatzes
lässt eine exakte kartografische Bestimmung zu: In der Grossgegend
zwischen dem 36. und 38. Breitengrad und dem 108. und 112. Längengrad
befindet sich der Aktionsradius unserer Freunde. Das öfters im Bild
erscheinende Monument Valley erstreckt sich in diesem traditionellen Navajo-Land
im Grenz- gebiet der US-amerikanischen Bundesstaaten Arizona, Utah, Colorado
und New Mexico. Ethnografisch ist etliches eingeflossen in die Comic-Kunst
von Herrimans Krazy Kat; auch ein Ausdruck davon, wie der
Künstler sich immer wieder gerne, von Los Angeles kommend, in diesem
zauberhaften Flecken Erde aufhielt. Die Biografie berichtet, wie Herriman
sich regelmässig nach Kayenta aufmachte, wo die befreundeten Wetherills
eine Poststation aufgebaut hatten. Grosses Interesse entwickelte Herriman
für die Navajo-Kultur, so ist bekannt, dass er ein silbernes Navajo-Armband
trug. Kayenta war ihm sehr ans Herz gewachsen, einmal schenkte er dem
örtlichen Tuberkulose-Sanatorium einen Filmprojektor und er liess
jeden Freitag einen neuen Film schicken. Den Navajo-Kindern brachte er
bei seinen Besuchen jeweils massenhaft Süssigkeiten mit.
Coconino County ist also kein Kunstort. Wenn diverse Autoren (Umberto
Eco, e.e. cummings) vom surrealen Charakter der Krazy Kat-Landschaften
sprechen, so irren sie sich, denn in Wahrheit sind die Comic-Landschaften
in diesem fantastischen Bilderuniversum echt und real. Herriman nahm sich
zwar die Freiheit heraus, von Bild zu Bild den Hintergrund zu wechseln
(oder auch schnell Tag in Nacht zu verwandeln), aber was es da so surreal
zu sehen gibt, sind authentische Topografien oder existierende Felsformationen.
Die künstlerische Freiheit erlaubte ihm dagegen, allerlei Botanisches
verfremdet ins Bild zu rücken. Bäume, Kakteen, Sträucher
stecken nicht selten in Blumentöpfen, das Laub ist mit Ornamenten
aus der Navajo-Kultur verziert, aber auch inspiriert von mexikanischer
Töpferei, Architektur und Ornamentik, Ausdruck von Winteraufenthalten
Herrimans in Mexico in den Jahren 1924 bis 1928. Mexico brachte in der
Folge vermehrt spanische Zitate ins Spiel von Krazy Kat. Bevorzugte
Embleme sind ihm das X im Kreis, Zickzack-Muster, und natürlich Variationen
davon.
POPULATION
Coconino County ist von einer Heerschar anthropomorpher Tierfiguren bevölkert,
die sprechende Namen tragen und allesamt treffend charakterisiert sind.
Ausser Krazy Kat und Ignatz Mouse (auch: Mice) sowie Offissa Bull Pupp
wären zu nennen: Mrs. Ignatz Mice (= Matilda) und die drei Kinder
im Mouse House, Milton, Marshall und Irving (die Familie des
Familienvaters Ignatz, der aber, unsteter Charakter, auch Aussenbeziehungen
pflegt), Kolin Kelly, Backsteinfabrikant, ohne den natürlich nichts
geht in Sachen Liebesbeweise; Joe Stork alias José Cigueno, der
Lieferant vom Hochplateau mit dem Überblick; Don Kiyoti (psalmsinger
of the Desierto Pintado) und sein schweinischer Geselle Sancho Pansy;
Mock Duck, Wäscherei-Besitzer, der in einer Sprechblase schon mal
chinesisch redet; Gooseberry Sprigg, the Duck Duke; Walter
Cephus Austridge; Mr. Wough Wuph Wuff (Bone Trust Magnate);
Joe Bark (the moon hater); Paulin Parrot, Mr. Damon Duuv,
Mr. Beelziboob Boobzibbel, Joe Turkil, Bum Bill Bee, Dr. Y. Zowl, Sam
Krane, Mrs. Kwakk Wakk, Mr. Van Wagg-Taylor, Kristofer Kamel und Krazys
Verwandtschaftsclan mit Aunt Tabby, Uncle Tom, Krazy Katbird, Osker Wildcat,
Alex Kat, Krazy Katfish.
EWIGES DREIECK
In der Regel ist es ein schlichtes ZIP POW!: Es kommt
ein Backstein geflogen. Krazy, dem das Projektil gilt, nennt seinen Peiniger
Ignatz zärtlich lil ainjil, lil dolling
(auch: dahling) oder Mousie, liebevoll wird Bull
Pupp als Vertreter des Repressionsapparates mit Kop oder Koppie
tituliert. Einmal geht übrigens die Flug-richtung andersrum: Krazy
schmeisst einen Backstein mit ZIZZ BLOP! gen Ignatz
(9. 9. 1917).
Horst Schröder brachte es bündig auf den Punkt: «Hund
liebt Katze liebt Maus liebt niemanden.» Ein einziger Plot mit unendlichen
Variationen macht im Grunde das ganze Geheimnis von Krazy Kat
aus. Die drei Involvierten Katze, Maus, Hund agieren alle
in Umkehr der Werte konträr zur jeweiligen Natur: Die Katze stellt,
anders als im richtigen Leben, nicht der Maus nach, Krazy liebt die Maus
und wartet ständig auf den handfesten Liebesbeweis, welcher sich
in einem Backsteinwerfen an die Birne (noodle) von Krazy durch
Ignatz manifestiert. Dieser zeigt keinerlei Furcht vor der Katze und wirft
mehr als drei Jahrzehnte ohn Unterlass harte Backwaren nach Krazy,
was Offissa Pupp gar nicht gerne sieht; statt, wie es sich gehörte,
seinerseits die Katze zu jagen, beschützt er sie aus lauter Liebe.
Dieses ewige Dreieck wiederholt sich immer und immer wieder, ohne dass
sich die drei Protagonisten der wahren Leidenschaft des Anderen je bewusst
würden. Ironischerweise kann Offissa Pupp Krazy nur dann glücklich
machen, wenn er in seiner Mission versagt und es ihm nicht gelingt, Krazy
vor den Attacken durch Ignatz zu schützen. Krazy bleibt gleichsam
einzig siegreich, weil der anders gemeinte Liebesbeweis täglich eintritt;
Ignatz scheitert, da sich seine Bösartigkeit stracks in unfreiwillige
Wohltat verwandelt und er im besten Fall für sein schändliches
Tun von Pupp hinter Gitter gebracht wird. Schliesslich ist der Backstein
für Pupp sins most sinister symbol. Ignatz ist
fast schon fetischmässig auf die gute Form von Backsteinen fixiert,
wie dort (14. Juli 1940), wo er im Hintergrund dreier backsteinförmiger
Felsen ansichtig wird, um zu schwärmen: «Its fair form,
its sweet shape, its quaint contour.»
Das Variationen-Spiel von Obsessionen und Passionen kann sich etwa in
der Umkehr der Rollen zeigen, in Verdoppelungen (Krazys Kusins Kat-Fish
und Krazy Kat-Bird, aber auch Doppelgänger in Gestalt von Onkel und
Neffen), im Vertauschen des Backsteins mit einem Buch oder einer Kokosnuss;
zur Abwechslung kann der Backstein auch mal nicht geworfen sondern in
einer Auktion als Kunstobjekt angeboten werden oder als Spielzeug taugen.
Oder Ignatz Einkerkerung kann zur Abwechslung aus anderen Gründen
als den gewohnten erfolgen, dann nämlich, wenn sich Ignatz nicht
freiwillig in den Knast begibt.
Das Liebestrio Krazy-Ignatz-Pupp funktioniert als Krimi-Konstellation
von Täter-Opfer-Rechtsvertreter. Den Kommentar dazu hat Herriman
im Daily vom 25. Januar 1939 gezeichnet. Bild 1: ZIP POW!,
bei Krazy offenbart sich ein Herz-Symbol, Pupp steht daneben und ruft
«Transgression!» (Vergehen); Bild 2: Pupp packt Ignatz mit
dem Wort «Apprehension» (Festnahme); Bild 3: eiligen Schritts
gehts nach rechts «Retribution», (Vergeltung); Bild 4: Pupp,
Ignatz im Arm, steht vor einem unfertigen Gefängnis. Er wendet sich
an den Zeichner: «Beende es!!! Hast du Zeichner-Blockade?».
Ignatz: «Oh, süsses Zaudern.»
Es ist freilich nicht das erste Mal, dass die Involvierten, die mit ihrem
Schöpfer kommunizieren und sich ihres Comic-Daseins auf Papier bewusst
sind, dass das Medium, dessen Herstellung, dass das alles gleichsam selbstreferenziell
reflektiert wird als gleichzeitiger Gag: Einmal versteckt Ignatz schleunigst
einen Backstein in einem aufs Blatt gezeichneten Seitenschlitz, ein andermal
zeichnet Pupp einen Knast oder, noch verzwickter: der in der Comic-Zeichnung
gezeichnete Backsteinwurf wird von Pupp mit einer Zeichnung von Ignatz
im Knast geahndet, derweil Ignatz gerade wieder dabei ist,
Krazy tatsächlich zu bewerfen! Panels können als Theaterbühne
gestaltet sein, unsere Freunde verschwinden anderswo in Herrimans Tintenfass,
eine Traumreise endet auf der Erde, sie waren ja die ganze Zeit nur auf
dem Papier die Helden wissen sehr wohl um ihre Comic-Helden-Existenz.
Das simpel-vertrackte dramaturgische Dreieck-Muster muss die Interpreten
auf den Plan rufen. Für R. C. Harvey (in The Comics Journal
114/Feb. 1987) handelt Krazy Kat nicht so sehr vom Triumph
der Liebe, sondern vom «unstillbaren Willen zu lieben und geliebt
zu werden. Die Liebe mag tatsächlich nicht immer gewinnen, aber wir
werden immer wünschen, dass sie es tut.» Für Coulton Waugh
(The Comics, 1947) wird Krazy zur Personifizierung der romantischen,
liebenden Art der Menschheit; Krazy sei die Antithese zur irdischen, verbissenen
Maus, sei nicht mehr länger ein Tier, doch die tierische Gestalt,
die Traurigkeit, der spöttische Witz, mit der Krazy ausgestattet
ist, erlaubten es ihrem Schöpfer Herriman, a picture of the
soul zu zeichnen, etwas, das zu fein und zu flüchtig sei, um
es beschreiben zu können ausser durch Symbole und Seitenblicke.
Umberto Eco sieht es in Apokalyptiker und Integrierte so:
«Die Poesie von Krazy Kat gründet im unverwechselbaren
lyrischen Eigensinn des Autors, der die Handlungszüge unendlich oft
wiederholte, wobei er ständig das Thema variierte, und einzig unter
dieser Bedingung stifteten die Frechheit der Maus, das unerwiderte Mitgefühl
des Hundes und die hoffnungslose Liebe der Katze das, was vielen Kritikern
als Zustand der Poesie erschien, als die ununterbrochene Elegie des einfachen
Leidens. In diesem Comic entdeckte der Leser (...) die Möglichkeit
einer Welt, die nur aus Anspielungen besteht, eines Vergnügens musikalischer
Art, eines Spiels mit keineswegs banalen Gefühlen.»
Gilbert Seldes, der bereits 1922 in Vanity Fair» Gescheites
über Krazy Kat zu Papier brachte, macht beim Schöpfer
Herriman die naive Sensibilität eines Zöllners Rousseau aus
und bewertet die Figur Krazy mit einer Sancta simplicitas.
Irgendwie ists ja schon imbillivibil, was der Lil
fillossiffa an den Tag brachte. Für John Alden Carpenter, der
1922 ein Krazy Kat-Ballett schrieb, war Krazy eine Kombination
aus Parzifal und Don Quijote, der vollkommene Ritter und der vollkommene
Narr; Ignatz wäre dann die Vereinigung von Sancho Pansa mit Luzifer.
Seldes berühmter Aufsatz, 1924 Teil seines Buches The Seven
Lively Arts, stellt Herrimans Kunst auf die Stufe des Werks von
Charlie Chaplin, beide hält er hoch als die einzigen originären
popkulturellen Grossleistungen der Neuen Welt.
Wie auch immer und das ist die einst romantisch begründete
Grösse von Kunst Krazy Kat bleibt ein so genanntes
Reflexionskontinuum, das uns ewig deuten lassen kann und dabei erst noch
grösstmögliche Freude beschert. «Krazy Kat
was not only the maddest, merriest of the funnies, it was
art.» (Coulton Waugh)
GENDER STUDIES
Wer oder was ist Krazy? Da steht am 17. Juni 1917 geschrieben: «We
call him cat, we call him crazy, Yet he is neither.»
Und Krazy selber meint an einer Stelle «I aint a Kat ... And
I aint Krazy». Denn: «Its wotss behind me
that I am ... Its the idea behind me», gibt Krazy gegenüber
Ignatz zu verstehen, «and thats wot I am.» Immer ist
grundsätzlich klar: «Im a heppy heppy ket.» Ist
Krazy nun aber eine Sie oder ein Er?
Komödienregisseur Frank Capra (18971991) gibt in seiner 1971
erschienenen Autobiografie (deutsch bei Diogenes, 1992) eine Begegnung
mit George Herriman im Hal-Roach-Studio zu Hollywood wieder: «Ich
entsinne mich nicht, wo dieser talentierte Mann wohnte. Er arbeitete jedenfalls
in einem Studio-Bungalow inmitten des Roach-Geländes still vor sich
hin. Weil, wie er sagte, Krazy Kat sich zwischen all
diesen verrückten Komikern pudelwohl fühlt. Ich verbrachte
so manche Stunde damit, diesem schüchternen Humoristen beim Zeichnen
zuzusehen. Einmal fragte ich ihn, ob Krazy Kat eine Katze oder ein Kater
sei. Wissen Sie, antwortete er und zündete sich seine
Pfeife an, ich bekomme Dutzende von Briefen, in denen mir diese
Frage gestellt wird. Ich weiss es nicht. Ich habe einmal den Gedanken
durchgespielt und angefangen, mir Kat als Mädchen vorzustellen: ich
zeichnete sogar ein paar Strips, auf denen Kat als Schwangere zu sehen
war. Aber es war nicht mehr Kat zu sehr mit den eigenen Problemen
beschäftigt, wie in einer Seifenoper. Verstehen Sie, was ich meine?
Da war mir dann klar, dass Krazy so etwas wie ein Kobold oder eine Elfe
war. Die haben kein Geschlecht. Deshalb kann auch Kat weder ein Er noch
eine Sie sein. Kat ist ein Geist ein Kobold , der die Freiheit
besitzt, sich in alles einzumischen. Glauben Sie nicht auch? Was
Krazy Kat anbelangt, so bin ich überfragt, Mr. Herriman. Aber wenn
hier irgendwo ein Kobold ist, dann raucht er gerade eine Pfeife.»
LENGWIDGE KWESCHTSCHN
Dialog vom 6. Januar 1918: Krazy: «Why is lenguege, Ignatz?»
Ignatz: «Language is that we may understand one another.»
Krazy: «Can you unda-stend a Finn, or a Leplander, or a Oshkosher,
huh?» Ignatz: «No.» Krazy: «Can a Finn or a Leplender,
or a Oshkosher, unda-stend you?» Ignatz: «No.» Krazy:
«Then I would say, lenguege is, that we may m i s-unda-stend each
udda.»
Am 16. 2. 1944 darf Lenguege auch mal zu Lengwidge
mutieren. Krazy Kat ist immer ebenso Bild wie Wort. Was Herriman
im Bildlich-Gestalterischen an produktiven Regelverstössen (z. B.
Aufhebung der Bild-an-Bild-Reihung, Format- und Layout-Wechsel) vornahm,
findet seine Entsprechung auch im Sprachlichen. Das Spektrum verwendeter
Sprachformen reicht von Brooklyn-Jiddisch über Strassenslang bis
zu pseudo-shakespearschem Pathos und Carrollscher Nonsens-Logik, von Englisch,
Spanisch, Französisch, Kreolisch, Navajo-Anleihen (die Alliterationen)
bis zur puren Poesie lautmalerischer Gebilde. Vornehmlich im Fall von
Krazy wird einer eigensinnigen phonetischen Schreibweise von Ge- sprochenem
gehuldigt. Vier Freiheiten nimmt sich Herriman laut Coulton Waugh heraus,
nämlich die freedom of plot, of background and of color
in den Sonntagsseiten ab 1935 und die freedom of speech.
Krazy Kat bedeutet so letztlich auch: Unübersetzbarkeit.
BEWUNDERUNGEN
George Herriman und einige seiner grössten Bewunderer: Charlie Chaplin,
Frank Capra, e.e. cummings, Jack Kerouac, Pablo Picasso (der sich der
Legende nach jeweils die neusten KK-Strips von Gertrude Stein übers
Telefon hat erzählen lassen), Willem de Kooning. Unter den Lebenden
wären zu nennen Art Spiegelman, Chris Ware und Bill Watterson (Calvin
& Hobbes).
Der US-amerikanische Avantgarde-Poet Matthew Josephson schloss sich im
Oktober 1921 den Pariser Dadaisten/Surrealisten an und erinnert sich,
wie die von ihm in die Alte Welt mitgebrachten Krazy Kat-Comics
von den Franzosen als Beispiele für pure American Dada humor
taxiert wurden.
Von Jack Kerouac sind die lobenden Worte überliefert, George Herriman
sei ein unmittelbarer Ahne der Beat Generation, seine Wurzeln könnten
zurückverfolgt werden bis zum alten Amerika, zur Aufrichtigkeit Amerikas,
zu seiner wilden, an sich selbst glaubenden Individualität.
Der belgische Grosshumorist André Franquin gab auf die Frage, was
er vom absurden Humor von George Herriman halte, zur Antwort: «Ich
habe Krazy Kat nie lesen können, ich verstehe nichts
davon, als wäre es eine Geschichte für Marsmenschen! Aber ich
bewundere die Atmosphäre, ich finde die Zeichnungen extrem schön;
grafisch ists für mich ein Wunder, mit diesen seltsamen Gebäuden
sind das Gebäude oder Monumente oder abstrakte Formen?»
Angefügt werden muss noch, dass in der ultimativen Liste der Top
100 Comics of the Century im Comics Journal (210, Februar
1999) Krazy Kat ganz zuvorderst rangiert, gefolgt von Charles
Schulz Peanuts, Pogo, Maus,
Little Nemo in Slumberland, Sick, Sick, Sick (Feiffer)
Carl Barks Donald Duck, Mad (Harvey Kurtzman),
Binky Brown Meets the Holy Virgin Mary (Green) und The
Weirdo Stories of R. Crumb.
Thomas Inge (Comics as Culture, 1990) stellt George Herriman
auf dieselbe Stufe wie Pablo Picasso (in visual style and innovation),
James Joyce (in stretching the limitations of language) und
Samuel Beckett (in staging the absurdities of life).
THE HUMAN FACTOR
Wer war der geniale Kopf, dem die Welt Krazy Kat verdankt?
Allzuviel Persönliches ist nicht bekannt über George Herrimann,
der als scheuer und bescheidener Mensch beschrieben wird. Zu Interpretationen
bezüglich Krazy Kat Anlass gab wiederholt die Frage nach
Herrimans ethnischer Herkunft. In New Orleans, wo Herriman als Sonntagskind
am 22. August 1880 zu Welt kam, wurde ihm von Freunden eine europäische
Abstammung either French or Greek angedichtet.
Sein Geburtsschein vermerkt als racial background die Bezeichnung
colored, die seiner Eltern als mulatto. Herriman
hat selber einmal Creole angegeben und meinte, er könnte
Negro blood in sich haben. Auf dem Totenschein von 1944 hingegen
heisst es Caucasian.
Herriman, so bezeugen es zahlreiche Bilddokumente, war der Mann mit dem
Hut, den er auch drinnen nicht vom Haupt nahm. «Im a funny
looking monkey», charakterisierte Herriman sich einmal selbst. Herriman,
der dreisprachig aufgewachsen sein dürfte und darüber hinaus
Kenntnisse verschiedener Dialekte hatte, zog um 1886 mit seiner Familie
nach Los Angeles. Von 18911897 besuchte er das streng katholische
St. Vincents College. Nach der Schule sollte er in der Bäckerei
des Vaters an einen künftigen Beruf gewöhnt werden, was George
junior allerdings gar nicht behagte, sodass er, um diesen Berufs-plänen
entgegenzuwirken, eines schönen Tages eine tote Maus (!) in einen
Brotlaib einbuk.
Aus dem Jahr 1897 datiert Herrimans erster Verkauf einer Zeichnung (und
zwar an den Los Angeles Herald). Er bekommt (für zwei
Dollar die Woche) eine Assistentenstelle in der Gravier-Abteilung und
zeichnet Werbesachen und politische Karikaturen. Als Hobo, so will es
die Legende, zieht Herriman 20-jährig nach New York, wo er sich auf
Coney Island als Schildermaler und Marktschreier für eine Schlangennummer
verdingt. Er verkauft 1901 erste Zeichnungen an das Humor-Magazin Judge
und debütiert bald als Comic-Zeichner. Er heiratet am 7. Juli 1902
in Los Angeles seine Jugendliebe Mabel Lillian Bridge. Am 22. April 1904
wird er fest angestellter Zeichner beim New York American,
dessen Besitzer William Randolph Hearst (das spätere Vorbild für
Orson Welles Medien-Mogul Charles Foster Kane), noch schicksalhaft
für Herrimann in Erscheinung treten wird. Es folgen Ortswechsel (zurück
nach L. A.) und Arbeiten für verschiedene Blätter, bis er 1909
definitiv und exklusiv wieder in die Dienste von Hearst tritt und 1910
in New York beim New York Evening Journal zu arbeiten beginnt.
Am 20. Juni erscheint zum ersten Mal Herrimans The Dingbat Family,
wo es am 26. Juli (1910) geschieht: Die Hauskatze der Dingbats bekommt
am unteren Strip-Rand von einer Maus einen Backstein an den Kopf geworfen
und wird zur Kat. Am 1. August 1910 wird die Serie in The
Family Upstairs umbenannt. Katz und Maus bekommen, weil es
leeren Platz zu füllen gab, oben an der Seite ihren eigenen
Strip. Am 15. August 1910: And this another romance tells,
sagt die Maus, mit Kaffetassee und auf Kissen vor ihrem Loch, die historischen
Worte Krazy Kat. Das Kommende ist somit antizipiert, mit der
selbständigen Serie geht es 28. Oktober 1913 los. Ohne künstlerisches
Dazutun von Herriman wird 1916 ein Krazy Kat-Zeichentrickfilm
produziert. Am Samstag, 23. April 1916, erscheint, zusätzlich zu
den Dailies, die erste Sonntagsseite, interessanterweise nicht in der
üblichen Comic-Beilage, sondern in der wöchentlichen Kunst-
und Theaterbeilage.
1922 zieht Herriman mit seiner Familie nach Hollywood. Bis 1932 zeichnet
Herriman nebenbei noch weitere Serien und Illustrationen,
um dann exklusiv nur noch Krazy Kat zu produzieren. Als mitten
in der Depression William Hearst höchstselbst Order gibt, Herrimans
Lohn zu erhöhen, lässt der Zeichner ausrichten, er wäre
die Lohnerhöhung nicht wert, da Krazy Kat so wenig Arbeit
mache von Woche zu Woche, und schickt das Geld zurück. Hearst aber
blieb hart und Herrimann musste im Vertrag auf Lebenszeit die Lohnerhöhung
akzeptieren. 750 Dollar pro Woche war damals eine stattliche Summe, erst
recht angesichts der Tatsache, dass in den späteren Jahren die grosse
Publikumsresonanz ausblieb. Doch es war Hearst, der Krazy Kat
unbedingt und um jeden Preis in seinen Blättern drin haben wollte.
Als oberster Chef und grösster Fan liess er zu, dass Krazy
Kat im Schlussjahr 1944 nur gerade in bescheidenen 35 Druckerzeugnissen
zu sehen war, während es Blondie auf 1000 Erscheinungsorte
brachte.
1934 starb bei einem Autounfall Herrimans geliebte Frau, fünf Jahre
später verlor er auch noch seine Tochter Bobbie diese Schicksalschläge
liessen den schüchternen Herriman, sowieso schon zurückgezogen
lebend, noch isolierter werden, was der Qualität seiner Comics allerdings
keinen Abbruch tat. Herriman soll das Haus (eine Villa im spanischen Stil)
nur noch für den Gang zur Post verlassen, in seinem Arbeitsraum auf
dem Sofa geschlafen haben und in Gesellschaft seiner Haustiere sein Leben
verbringen. 1934 gehörten die fünf Scottie dogs
Angus, Ginsberg, Shantie, MacTavish und MacGregor sowie 13 Katzen zu Herrimans
Haushalt. Überliefert ist auch, dass er während des Zweiten
Weltkriegs fast alle seine Lebensmittelmarken zur Fütterung der Haustiere
verwendete.
An Arthritis leidend, zeichnete Herriman unbeirrt bis ganz zum Schluss.
Am 25. April 1944 stirbt er an einer (nicht durch Alkohol verursachten)
Leberzirrhose. Ge-mäss seinem letzten Willen wurde Herrimans Asche
in Coconino County über dem Monument Valley verstreut.
Meny Thenx to:
Krazy Kuno Affolter, Bibliothèque Municipale Losâne
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