Das Geschriebene Wort ICH
HABE EINEN ROMAN GESCHRIEBEN,_______ Neuere deutschsprachige Literatur von Wolfgang Bortlik Eine erste Erkenntnis 2000: Literatur hat Folgen! Nach
der Lektüre des neuen Romänchens von Zoë Jenny aufjauchzend
in ein Alboth!-Konzert gestürzt und von der wunderbaren geistigen
Reinigung durch avantgardistischen Lärm erfahren! Aber natürlich gibt es auch jede Menge gute Bücher. |
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1987,
als der Verlag Kiepenheuer&Witsch noch wirklich cool war (Julie Burchills
erstes Solo-Buch deutsch, Diederichsen noch nicht balla balla!), erschien
dort ein "Roman", in dem der Autor Joachim Lottmann davon schwärmt,
Schriftsteller zu sein und "den Gegenwartsroman" zu schreiben. Dabei plaudert
er leichthin von mancherlei Alltagsgeschehen, politischem und kulturellem
Schwachsinn, gibt also sozusagen eine kritische und komische Bestandesaufnahme
allgemeiner Befindlichkeit und Idiotie von sich. Hellere Geister als unsereiner
mögen das Werk tatsächlich als den hervorragenden Generationsroman
jener Zeit bezeichnen. Jetzt, ein Dutzend Jahre später, hat Lottmann
sein Gesamtromankunstwerk aufgefrischt und insofern zeitgemäss gemacht,
dass es nun um den "Vereinigungsroman" par excellence geht. Und Vereinigung
nicht nur, dass das zusammenwächst, was zusammengehört, nämlich
Deutschland, puh, sondern auch die aktive Bevölkerung eben: etwa der
Westautor, der nach der Vereinigung mit ein paar sehr hübschen Ostfrauen
trachtet, während er als Literaturstipendiat in Berlin sitzt und dem
Wachstum bzw. der Vereinigung der neuen deutschen Hauptstadt zusieht. Sehr
schöne Exkurse, Ausflüge, Betrachtungen wechseln sich ab, und
dass der Autor ausgerechnet Bret Easton Ellis' Saufbumskotzroman "Rules
of Attraction" oder den Jetlagjunker Kracht toll findet, steht korrekt in
der Folge seiner Behauptung im Vorwort: Die Literatur ist tot, aber wir
leben - das ist es vielleich sogar, was der Autor uns sagen will.
Joachim Lottmann:
DEUTSCHE EINHEIT. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1995.
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Lassen wir mal das
Gefiepe und Geflöte, das ganze fast schon zwanghafte Urbangehumse
um den Europä- bzw. Internationalismus der Schweiz beiseite. Im Zeitalter
von Rundum-TV und Internet wissen wir sowieso mehr von Berlin und New
York als beispielsweise von Zäziwil, Kanton Bern. Statt medial verordneter
Samir-Filme, Berner Trip Hop und Zürcher Internet-Künstler also
interessieren mich Reportagen von dort, wo die Schweiz am düstersten
ist: Opfer des European King's Club im Emmental. Stündeler, die den
Weltuntergang erwarten. Ein italienischer Gastarbeiter, der nach fast
vier Jahrzehnten in der Schweiz im Alter von 59 Jahren im Rahmen von "Restrukturierungen"
entlassen wird. Das Gotthelfjahr und die Wirtschaftsförderung. Der
Creative Director, der Mönch wird. Das Schutznetz für Selbstmörder
bei der Berner Münsterplattform. Hanspeter Bundi:
Und es gibt keiner dem andern ein böses Wort. Reportagen vom
Leben in der Schweiz.
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In Silvia Szymanskis
zweitem Buch gibt es genau 23 erotische Geschichten. Genial sind drei
Stories, darunter die titelgebende. Vier Sterne erhalten sieben Texte,
im Niemandsland des Ordentlichen bewegt sich der Rest, wobei da allerdings
ein paar doofe, prätentiöse Sachen und auch ein bisschen viel
wiederholte Motive herumwuseln. Bei der ersten Ejakulation steht auch
gleich ein Druckfehler, was jedoch nicht symptomatisch für das Buch
ist. Noch nie (ausser in gewisser Fachliteratur natürlich!) hab ich
jedenfalls von sovielen Erektionen in einem Buch gelesen. Die Erzählerin
ist ja das reinste Sexmonster! Sind Frauen wirklich so? Ich bin schockiert!
Wenn ich das früher gewusst hätte!! Jetzt ist es zu spät!!! Silvia Szymanski:
Kein Sex mit Mike. Erotische Geschichten.
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KRANK, so dachte ich,
hier ist alles und jeder krank, und zwar unheilbar krank. Das Kranksein
gehört an dieser Institution zum guten Ton, ist diesem sogenannten
Denkort a priori inhärent. Seit Jahren hatte sich hier nichts mehr
verändert, alles ist erstarrt, stehengeblieben, festgefahren, in
Beton gegossen, so dachte ich auf meinem Stuhl. Jörg Uwe Sauer:
UNIKLINIK. Roman.
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Es ist ein verdammter Saujob, in der Schweiz etwas Komisches (scharfsinnig, respektlos, ungewöhnlich, ätzend, beleidigend, grobschlächtig, unkorrekt, abartig, wortmächtig) zu schreiben und dies auch veröffentlicht sehen zu wollen. Eigentlich ist es gar kein Job, weil es eben unmöglich ist. Wenn es lustig ist hierzulande, so ist es reformierter Fasnachtshumor. Höchstens! Wenn nämlich ein Bedürfnis nach Satire oder Humor (Adjektive s.o.) bestünde, dann hätte der Chrigel Fisch zum Beispiel eine feste Kolumne in mindestens einer grossen Tageszeitung hierzulande. Aber dann dürfte er natürlich nicht solches schreiben: Die Basler Zeitung kann nach einer Minute als Scheissunterlage im Meerschweinchenkäfig nebenan entsorgt werden. Todlangweilig saftlos dünn das Ding. Die NZZ eignet sich abends vorzüglich zum Anfeuern im Kollega Zimmerofen. So muss er seine Kolumnen, die in sämtlichen, letzthin verschiedenen Zeitschriften (Tagwacht, Nebelspalter, Die Hauptstadt) erschienen, nun quasi im Eigenverlag herausgeben. Gibt's kein Blatt, wo der Mann schreiben kann? Medienbande! Schande!! Chrigel Fisch:
Spielen während andere arbeiten müssen. Satirische Texte
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Kein Buch, kein Roman,
sondern eine Explosion in Worten ist "Siggi Minne" von Ernest Albert.
Zack bumm, alles raus auf einen Schlag, auf einen Satz, die Lebensgeschichte
von Findekind, heftigst umwallt und umwabert von Familien- und Zeitgeschichte,
die ganze Welt also von Weltkriegswaffen, Gift, Liebiwil, John Travolta,
Rock'n'Rollväter, Terrorismus, Cliquen, Kulte bis in den Kulturuntergrund.
Puuuh, anstrengend. Too much. Ernest Albert:
Siggi Minne. Roman. |